Die Wahl des neuen Staatschefs erhöht den Reformdruck auf die Regierung in Polen.

Warschau. Mit der Wahl von Bronislaw Komorowski zum neuen Staatspräsidenten Polens hat dessen Partei, die regierende Bürgerplattform des liberalkonservativen Ministerpräsidenten Donald Tusk alle Machtpositionen im Land besetzt - und nun sind die Erwartungen an ihre Reformpolitik umso größer. "Ab Montag müssen wir damit beginnen, noch härter zu arbeiten", sagte der Regierungschef noch in der Nacht nach der Wahl und stimmte seine Landsleute auf Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben ein.

Nach dem amtlichen Endergebnis der Stichwahl erhielt der liberalkonservative Komorowski 53,01 Prozent der Stimmen. Sein rechtsnationaler Herausforderer, Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, kam auf 46,99 Prozent. Jaroslaw ist der Zwillingsbruder des im April bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski. Er war auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung zum sowjetischen Massenmord an polnischen Offizieren in Katyn 1940 gewesen.

Nachdem der tragische Absturz auch den Wahlkampf bestimmt hatte, dürfte sich Polen nun den wirtschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zuwenden. Dabei dürfte der Premier die Unterstützung eines wohlgesinnten Präsidenten gut gebrauchen können. Tusk gilt als wirtschaftsfreundlich und ist für die Einführung des Euro in Polen.

"Nun habt ihr die ganze Macht. Zeigt uns, was ihr könnt", titelte "Fakt", die meistverkaufte Tageszeitung des Landes. In Polen kann das Staatsoberhaupt ein Veto gegen Gesetze einlegen. Der im April verunglückte Lech Kaczynski hatte davon kräftig Gebrauch gemacht und unter anderem eine Renten-, Gesundheits- und Medienreform blockiert. Der polnische Präsident hat auch ein Mitspracherecht in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Bundespräsident Christian Wulff gratulierte dem Wahlsieger gestern im Namen aller Deutschen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wertete das Wahlergebnis auch als starkes pro-europäisches Signal. Mit Komorowski habe die Bundesregierung neben Tusk und Außenminister Radoslaw Sikorski einen weiteren starken Partner für eine enge Zusammenarbeit, sagte Westerwelle in Berlin.

Die Finanzmärkte reagierten erfreut auf die Wahl: "Das Wahlergebnis war unklar. Dies hat den Zloty belastet. Nun, da Komorowski gewonnen hat, hat der Zloty wieder zugelegt", sagte ein Händler in Warschau. Einige Beobachter gehen jedoch davon aus, dass das unerwartet knappe Ergebnis Reformen verzögern dürfte. Tusk müsse Rücksicht auf die anstehenden Kommunalwahlen und die Parlamentswahl im kommenden Jahr nehmen. Polen konnte zwar als einziges EU-Mitgliedsland eine Rezession im vergangenen Jahr vermeiden. Dennoch ließ ein starker Rückgang des Wirtschaftswachstums die Steuereinnahmen wegbrechen und das Haushaltsdefizit auf sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.

Auch in Moskau wurde die Wahl positiv gewertet. "Komorowski wird hoffentlich helfen, die Politik der Annäherung zwischen Moskau und Warschau unumkehrbar zu machen", sagte der Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Sergej Mironow. Der Vorsitzende des auswärtigen Duma-Ausschusses, Konstantin Kossatschow, sagte, Komorowskis Vorgänger Kaczynski habe vor allem auf Kontakte mit den USA gesetzt. Komorowski sei dagegen ein Befürworter der europäischen Integration und auf diesem Weg kompromissbereit.