Die Türkei rief das westliche Militärbündnis zu Konsultationen auf und will auch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einschalten.
Ankara/Damaskus. Die Syrien-Krise droht nach dem Abschuss einer türkischen Militär-Maschine zu eskalieren. Die Türkei räumte am Sonntag zwar ein, dass die F-4 „Phantom„ kurzzeitig den Luftraum des Nachbarlandes verletzt habe, der Jet sei aber ohne Vorwarnung in internationalem Luftraum abgeschossen worden. Die Regierung in Ankara schaltete deshalb ihre Nato-Verbündeten ein, die am Dienstag beraten werden. Die Europäische Union will sich nach spanischen Angaben bereits am Montag mit dem Luftzwischenfall befassen. Syrien erklärte, die Maschine in seinem Luftraum abgeschossen zu haben.
+++ Türkei bestätigt: Kampfflugzeug von Syrien abgeschossen +++
Die Türkei rief das westliche Militärbündnis zu Konsultationen auf und will auch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einschalten. Zudem übermittelte sie dem Nachbarland eine diplomatische Note, deren Inhalt zunächst nicht bekannt war. International stieß der Abschuss auf harsche Kritik. US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete den Vorfall als „unverfroren und inakzeptabel“. Er zeige erneut die Missachtung internationaler Normen, Menschenleben sowie Frieden und Sicherheit durch die syrische Regierung. Ihre italienischen und britischen Amtskollegen äußerten sich ähnlich. Dieser ungeheuerliche Vorfall beunruhige ihn sehr, erklärte William Hague am Sonntag. Seine Regierung stehe für eine robuste Reaktion im UN-Sicherheitsrat bereit. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich besorgt und forderte eine vollständige Aufklärung des Zwischenfalls. Deutschland hat derzeit einen Sitz im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und der Iran riefen zur Besonnenheit auf. Ban hoffe, dass der Zwischenfall auf diplomatischem Weg beigelegt werden könne, erklärte dessen Sprecher Martin Nesirky. Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi äußerte in einem Telefonat mit Davotoglu die Hoffnung, dass eine friedliche Lösung gefunden werde.
Türkei: Maschine war meilenweit von Syrien entfernt
„Unser Flugzeug wurde 13 Seemeilen vor der syrischen Grenze im internationalen Luftraum abgeschossen“, sagte Außenminister Ahmed Davutoglu dem staatlichen Fernsehsender TRT. Die „Phantom„ und ihre beiden Besatzungsmitglieder seien auf einem Übungsflug gewesen. Der unbewaffnete Jet sollte Davutoglu zufolge ein neues türkisches Radarsystem testen. Der Flug habe nichts mit dem seit 16 Monaten tobenden Volksaufstand gegen Präsident Baschar al-Assad zu tun, sagte der Außenminister und warf Syrien Desinformation der türkischen Öffentlichkeit vor.
Nach Darstellung der Regierung in Ankara war die „Phantom„ eindeutig als türkisches Flugzeug zu erkennen. Davutoglu widersprach damit syrischen Erklärungen, die Maschine sei erst später als türkisch identifiziert worden. „Nach abnormalen Flugbewegungen“ sei die getroffene F-4 in türkischen Gewässern abgestürzt, sagte Davutoglu. Nach Angaben seines Ministeriums sind mittlerweile die Koordinaten der Absturzstelle bekannt.
Die Türkei widersprach der syrischen Darstellung, dass Seesoldaten aus beiden Ländern gemeinsam nach Wrack und den zwei Besatzungsmitglieder suchten. Das Vorgehen werde lediglich von beiden Streitkräften koordiniert. Die „Phantom“ sei 15 Minuten vor dem Abschuss kurzzeitig in den syrischen Luftraum eingedrungen. So etwas komme häufig vor.
Bereits am Samstag hatten Präsident Abdullah Gül und Ministerpräsident Tayyip Erdogan Syrien indirekt mit Konsequenzen gedroht. Nach einem solchen Zwischenfall könne man nicht zur Tagesordnung übergehen, sagte Gül. Erdogan, der am Wochenende mehrmals mit Ministern, Streitkräften und Geheimdiensten konferierte, kündigte entschlossene Schritte an, sobald die Fakten bekannt seien. Der Regierungschef wollte am Sonntag auch die wichtigsten Oppositionsparteien informieren.
Kämpfe in Syrien dauert an
Der Zwischenfall könnte die ohnehin angespannten Beziehungen beider Staaten weiter verschlechtern. Das Nato-Mitglied Türkei gehört zu den schärfsten Kritikern des syrischen Präsidenten Assad, seitdem dieser mit militärischer Gewalt gegen die Opposition in seinem Land vorgeht. Viele Syrer haben auf der Flucht vor den Auseinandersetzungen in der benachbarten Türkei Schutz gesucht. Auch Kämpfer der vornehmlich aus Deserteuren gebildeten Freien Syrischen Armee haben im Nachbarland Unterschlupf gefunden.
Syrien teilte mit, seine Grenztruppen hätten aus der Türkei eingedrungene „Terroristen“ gestellt und mehrere von ihnen getötet. Die gemeinsame Grenze ist 600 Kilometer lang. In dem Land dauerten die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition an. Die Stadt Deir al-Sor lag Regierungsgegnern zufolge am Sonntag den zweiten Tag in Folge im Feuer von Panzern und Artillerie. Es seien mindestens 20 Menschen getötet worden, hieß es. Die Angaben können von unabhängiger Quelle nicht verifiziert werden.
Mit Material von Reuters