Nur 40 Prozent der Israelis sind für eine Aktion gegen Iran. Die Debatte spaltet das Land
Schenkt man den Politikern in Jerusalem Gehör, rückt ein Präventivschlag gegen die iranischen Atomforschungsanlagen immer näher. "Wir haben die Diplomatie abgewartet und die Sanktionen", sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu unlängst, nun "kann es sich keiner von uns erlauben, noch viel länger zu warten".
Gegenüber der US-amerikanischen Lobby-Organisation AIPAC wählte Netanjahu einen drastischen Vergleich: Er erinnerte an Auschwitz und daran, dass die USA trotz Drängens des Jüdischen Weltkongresses die Zufahrtsgleise zum Konzentrationslager nicht bombardiert hatten. Doch "2012 ist nicht 1944", räumte Netanjahu ein. "Heute haben die Juden einen Staat." Seine größte Verantwortung sei es, sicherzustellen, "dass Israel Herr über sein eigenes Schicksal bleibt".
Israels Vizeregierungschef Mosche Yaalon hat den Westen aufgefordert, im Zweifel strategische Ölreserven anzuzapfen, um den Einfuhrboykott iranischen Öls durchsetzen zu können. Der Westen gehe nicht entschlossen genug gegen das iranische Atomprogramm vor, weil er Angst vor hohen Ölpreisen habe, sagte Yaalon dem Münchner Nachrichtenmagazin "Focus". "Es darf kein Tropfen Öl vom Iran gekauft werden."
Eine Aufrüstung des Irans mit Atomwaffen wäre für Europa eine Katastrophe, sagte der frühere Generalstabschef. Ein militärischer Angriff Israels auf den Iran sei zwar nur die letzte Lösung. "Uns ist klar, dass das kein Spaziergang würde." Israel sei aber der Meinung, dass man nicht auf eine offizielle Ankündigung des Regimes warten könne, Atombomben zu bauen.
Während Israels Medien offen die Aussicht auf den Erfolg eines Militärschlags diskutieren, sprach der ehemalige Mossad-Chef Meir Dagan unverblümt von einer "Wahnsinnsidee". Umfragen von Anfang März deuten auf ein zunehmendes Zögern in der israelischen Öffentlichkeit hin. Nur rund 40 Prozent der Befragten befürworten demnach eine konzertierte Aktion zusammen mit den USA, jedoch keinen israelischen Alleingang. 32 Prozent lehnen einen Angriff grundsätzlich ab.
Nur wenige der Kriegsgegner haben sich allerdings bislang Gehör verschafft. Einige Hundert waren am 24. März einem Protestaufruf gefolgt. "Von Teheran bis Haifa - wir wollen keinen weiteren Krieg", riefen sie bei der Kundgebung in Tel Aviv. Auf den Transparenten stand "Mit Worten reden, nicht mit Raketen" und "Geld für die Wohlfahrt, nicht für Rüstung". Ein Krieg habe nichts mit den beiden Völkern zu tun, sagten Aktivisten, sondern sei allein Angelegenheit der Regierungen der beiden Staaten.