Ungeachtet laufender Verträge fordert das iranische Parlament einen sofortigen Stopp der Öl-Exporte in die EU. Anleger befürchten Preisschock.
Teheran/Frankfurt/München. Das iranische Parlament will der Europäischen Union mit sofortiger Wirkung den Ölhahn zudrehen. Mit dem geforderten Stopp der Öl-Exporte reagiert das Parlament in Teheran auf das Ölembargo der EU . Einen entsprechenden Gesetzesentwurf bereite der Energieausschuss derzeit vor, berichtet die iranische Nachrichtenagentur Fars am Donnerstag. Ungeachtet laufender Verträge der EU-Länder mit Iran, die noch bis Juli abgewickelt werden können, soll die Regierung die Öllieferungen bereits jetzt stoppen. Das Importverbot für iranisches Öl in die EU soll am 1. Juli in Kraft treten. Am Sonntag sollen die iranischen Abgeordneten über den Entwurf abstimmen. Investoren fürchten weitere Ölpreissteigerungen. Derweil rechnen die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz nicht mit einer Teilnahme Irans Anfang Februar.
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Das iranische Parlament hat in der Vergangenheit schon mehrmals drastische politische Entscheidungen getroffen, die von der Regierung jedoch meistens ignoriert wurden. Im vergangenen Jahr forderte das Parliament die Regierung beispielsweise auf, die Zusammenarbeit mit der internationalen Energiebehörde zu revidieren. Im Endeffekt blieb es aber nur bei einer Debatte. Schon am Mittwoch hatte ein Mitglied des Energieausschusses der EU mit dem neuen Gesetzentwurf gedroht. „Der Entwurf soll dafür sorgen, dass keines der EU Länder, die in das Embargo verwickelt waren, auch nur einen Tropfen iranischen Öls mehr erhalten“, sagte Nasser Sudani. Die EU habe ein „Spielchen“ angefangen, das ihr jedenfalls nur Nachteile bringen werde. Außerdem, so Sudani, würden sich die Ölpreise erhöhen, „und die EU müsste dann mehr für ihren Energiebedarf bezahlen“.
Die EU-Außenminister hatten am Montag in Brüssel ein Ölembargo gegen den Iran beschlossen. Damit soll die Führung in Teheran dazu gebracht werden, eine internationale Kontrolle seines umstrittenen Atomprogramms zuzulassen und damit auf Atomwaffen zu verzichten. Die EU-Außenminister einigten sich ebenfalls darauf, die Konten der iranischen Zentralbank in Europa einzufrieren.
Unterdessen haben die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz Zweifel, ob der Iran teilnehmen wird. „In diesem Jahr hat sich bis zur Stunde bei mir Teheran nicht gemeldet“, sagte der Chef der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, am Donnerstag in München. Grundsätzlich sei er aber für eine Teilnahme iranischer Vertreter an der Veranstaltung offen. Ob US-Außenministerin Hillary Clinton wie im vergangenen Jahr an den Münchner Gesprächen internationaler Politiker teilnehmen wird, ließ Ischinger noch offen. „Ich gehe davon aus, dass sich in der amerikanischen Delegation mehr als ein Mitglied der Regierung Obama befinden wird“, sagte er. US-Verteidigungsminister Leon Panetta hatte bereits für die Konferenz zugesagt.
Neben den Folgen der Finanzkrise wird es in München um Sicherheitsfragen wie die neue machtpolitische Rolle Deutschlands, das Verhältnis zwischen Nato und Russland oder das wachsende Gewicht Asiens gehen. Insgesamt erwarten die Veranstalter mehr als 40 Außen- und Verteidigungsminister und mehrere Regierungschefs. Auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen haben zugesagt.
Angst vor Ölpreisschock
Die Anleger am Ölmarkt kommen nicht zur Ruhe: Schürten im vergangenen Jahr die Unruhen in der arabischen Welt die Furcht vor Versorgungsengpässen, zerrt nun der sich zuspitzende Atomstreit mit dem Iran an den Nerven der Investoren. „Die entscheidende Frage ist, ob es tatsächlich zu einer Blockade der strategisch wichtigen Straße von Hormus kommt“, sagt Sintje Boie, Öl-Analystin bei der HSH Nordbank. „Sollte das der Fall sein, ist auch ein Brentpreis von 200 Dollar je Fass denkbar, weil mögliche Ausweichrouten eine sehr viel längere Lieferzeit und damit auch höhere Kosten zur Folge hätten.“
Die Furcht vor einer Eskalation des Konflikts hatte den Ölpreis trotz flauer Konjunktur und eines ungewöhnlich milden Winters bereits in den ersten Tagen des neuen Jahres nach oben getrieben. Das Nordsee-Öl Brent kostete zeitweise 115,12 Dollar – gut sieben Prozent mehr als noch Ende Dezember. Aktuell liegt der Preis bei 110 Dollar – nach Einschätzung von DZ-Bank-Analyst Axel Herlinghaus macht der Risikoaufschlag wegen der unsicheren politischen Lage noch immer rund zehn Dollar aus.
Dass allein die Ankündigung des Öl-Embargos gegen den Iran am Montag nicht zu einer neuerlichen Preisexplosion geführt hat, erklären Experten mit mehreren Faktoren. Das Importverbot sei nicht überraschend gekommen, sagte Tobias Merath, Rohstoffstratege bei der Credit Suisse. Die EU – mit einer Ölmenge von etwa 450.000 Fass pro Tag nach China der größte Abnehmer für iranisches Erdöl – hatte sich bereits Anfang Januar grundsätzlich auf ein Embargo geeinigt. Umstritten waren nur noch die Details wie etwa der Beginn des Importverbots.
Hinzu kommt, dass es auch bei einem Embargo gegen den Iran noch Ausweichmöglichkeiten für die fehlenden Öl-Lieferungen gibt. „Die 400.000 bis 500.000 Barrel, die die Europäer aus dem Iran importieren, können leicht über andere Wege wie Russland, Saudi-Arabien oder auf den Markt zurückkehrendes libysches Rohöl aufgefangen werden“, sagt DZ-Bank-Experte Herlinghaus. „Das gilt vor allem dann, wenn China dem Iran mehr Öl abnehmen wird und dafür weniger Öl aus anderen Ländern bezieht.“ Locken dürfte China vor allem die zu erwartenden Preisabschläge, die sie als einer der letzten Käufer iranischen Öls einfordern könnten. „Somit käme es lediglich zu einer Restrukturierung der globalen Rohöl-Lieferkette“, meint Herlinghaus.
Richtig brenzlig wird es auch laut Herlinghaus erst dann, wenn sich der Streit etwa mit der Blockade der Straße von Hormus weiter zuspitzt. Durch diese Meeresenge wird das meiste in Saudi-Arabien geförderte Öl transportiert. Herlinghaus wie auch die Experten der Commerzbank halten in diesem Fall einen Brentpreis von bis zu 150 Dollar für möglich. Noch möchten sich die meisten Analysten ein solches Szenario aber nicht ernsthaft ausmalen. „Die USA hat eine starke militärische Präsenz in der Region und der Iran wird sich seine Beziehung zum Westen nicht durch eine Eskalation des Konflikts verbauen wollen“, meint HSH-Analystin Boie.
Mit Material von dpa/rtr