Die Übergangsregierung kündigte Neuwahlen an. Doch Präsident Bakijew will nicht von der Macht lassen. Jetzt schaltet sich die UNO ein.
Bischkek. Kirgistan kommt mit der Bildung einer Übergangsregierung nach einem gewaltsamen Umsturz mit Dutzenden Toten nicht zur Ruhe: Mit Anbruch der Dunkelheit setzte am Donnerstag in Bischkek schweres Gewehrfeuer ein. Reporter der Nachrichtenagentur AP hörten in der kirgisischen Hauptstadt stetige Schüsse aus automatischen Waffen.
Wenige Stunden zuvor hatte der in den Süden der zentralasiatischen Republik geflohene Präsident Kurmanbek Bakijew den von der Übergangsregierung geforderten Rücktritt abgelehnt. „Ich gebe in keiner Weise eine Niederlage zu“, sagte Bakijew dem russischen Sender Echo Moskau.
Mindestens 74 Menschen wurden bei dem Umsturz am Mittwoch nach Angaben des Gesundheitsministeriums getötet, weitere 400 verletzt. Die am Donnerstag ausgerufene Übergangsregierung löste das Parlament auf und kündigte an, bis zu Wahlen in einem halben Jahr zur regieren. Die Streitkräfte seien auf ihrer Seite und würden nicht gegen Demonstranten vorgehen. Die frühere Außenministerin Rosa Otunbajewa stellte sich als neue Ministerpräsidentin vor.
Otunbajewa forderte Bakijew zum Rücktritt auf und sagte, ihre Regierung wolle entsprechende Verhandlungen mit ihm aufnehmen. „Seine Geschäfte in Kirgistan sind beendet“, sagte Otunbajewa, die auch eine Reform des Wahl- und Parteienrechts ankündigte. Bakijew verließ Bischkek. Im Interview mit Echo Moskau sagte er: „Ich habe nicht die Absicht, die Macht abzugeben. Ich sehe keinen Grund.“ Er räumte aber ein: „Obwohl ich Präsident bin, habe ich keine wirklichen Hebel der Macht.“
Bakijew begründete sein Festhalten an seine Amt damit, dass er vor neun Monaten wiedergewählt worden sei. Zu seiner Flucht aus Bischkek sagte er: „Ich wäre nicht gegangen, aber als sie anfingen durch meine Fenster zu schießen, war es die einzige Möglichkeit, eine Verwundung zu vermeiden.“
Otunbajewa machte Bakijew für die Gewalt am Mittwoch verantwortlich. „Die gestrigen Ereignisse waren eine Antwort auf Aggression, Tyrannei und die Unterdrückung abweichender Meinungen. Alle Menschen, die getötet oder verletzt wurden, sind Opfer dieses Regimes.“ Der Verteidigungsminister der Übergangsregierung, Ismail Issakow, sagte, die Bevölkerung habe nichts mehr von den Sicherheitskräften zu befürchten. „Spezialkräfte und das Militär wurden gegen Zivilpersonen in Bischkek, Talas und anderen Orten eingesetzt“, sagte Issakow. „Das wird in der Zukunft nicht mehr geschehen.“
Die Lage in der Hauptstadt Bischkek war am Donnerstag ruhig. Dort hatten am Mittwoch tausende Demonstranten den Sitz der Regierung gestürmt und das Büro des Staatsanwalts in Brand gesetzt. Auch zwei große Märkte wurden niedergebrannt. Die Proteste begannen am Dienstag in der Stadt Talas, ausgelöst von einer massiven Erhöhung der Strom- und Heizkosten.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schickte einen Sondergesandten nach Kirgistan. Der frühere slowakische Außenminister Jan Kubis werde am Freitag Gespräche in Bischkek führen, teilte Ban mit. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will einen Gesandten nach Kirgistan schicken.
Bakijew kam 2005 selbst an der Spitze einer Protestbewegung an die Macht. Diese „Tulpenrevolution“ führte zum Sturz seines Vorgängers Askar Akajew, dem Korruption und Günstlingswirtschaft vorgeworfen wurden. Auch Bakijew hat zahlreiche Mitglieder seiner Familie mit führenden Posten in Wirtschaft und Politik versorgt.