Der Rechtspopulist ist der klare Gewinner der Kommunalwahlen - jetzt bläst er zum Sturm auf Den Haag bei den Parlamentswahlen.
Amsterdam. Immerhin: Tierlieb sind die Holländer wie eh und je. Die Partei für die Tiere (PvdD), die für einen humanen Umgang mit allem kämpft, was kreucht und fleucht, konnte die Zahl ihre Mandate bei den Kommunalwahlen deutlich auf 26 erhöhen. „Wir werden stärker“, freute sich PvdD-Chefin Marianne Thieme. Das kann die Nationale Muslimpartei (NMP), die für Verständnis und Vertrauen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen wirbt, nicht von sich behaupten. Sie errang kein einziges Mandat bei dieser Wahl, deren klarer Gewinner der Muslimhasser Geert Wilders wurde.
Ein historischer Sieg sei das, erklärte der 46-jährige Versicherungskaufmann und studierte Rechtswissenschaftler in der Retortenstadt Almere bei der Wahlfete seiner Partei für die Freiheit (PVV). Aus dem Stand wurde die PVV dort die stärkste Partei und verdrängte die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA). Das Wahlparty-Café „Get Down“ könnte gut in „Get Up“ umbenannt werden, nachdem Wilders dort in der Nacht zum Donnerstag zum Sturm auf Den Haag blies. Dort wurde die PVV, die zum ersten Mal bei Kommunalwahlen antrat, ganz knapp hinter der seit Jahrzehnten regierenden PvdA zweitstärkste Kraft.
„Dieser Erfolg ist unser Sprungbrett zum Sieg am 9. Juni“, rief der Blondschopf, den seine Anhänger gern Mozart nennen, wenngleich sie kaum im Verdacht stehen, klassische Musik zu mögen. Am 9. Juni wird das nationale Parlament der Niederlande gewählt, die Tweede Kamer. Bislang hält die 2006 gegründete Wilders-Partei, die vom Politikinstitut IVA der Universität Tilburg als „nicht demokratische, autoritär geführte neo-rechtsradikale Organisation“ eingeschätzt wurde, neun der 150 Parlamentssitze. Nach neuesten Umfragen werden nun 24 bis 27 Mandate für die Freiheitspartei prognostiziert.
„Wir werden die stärkste Partei“, prophezeit der PVV-Chef. Und man wird das Gefühl nicht los, diese Art von Rhetorik zu kennen, aus alten Wochenschauen vielleicht, wenn man Wilders rufen hört: „Heute Almere und Den Haag, und morgen die ganzen Niederlande!“ Während die Christ- und Sozialdemokraten, die drei Jahre lang die Regierung stellten bis sie vor zwei Wochen im Streit über den niederländischen Afghanistan-Einsatz auseinanderliefen, noch ihre Wunden lecken, gibt Wilders klar und straff die Linie für die Neuwahlen vor.„Wir werden die Niederlande zurückerobern!“ Jubeln, Klatschen, „Geert“-Rufe. „Die linke Elite glaubt immer noch an Multikulti, an das Schmusen mit Verbrechern, an Entwicklungshilfe und an den europäischen Superstaat mit hohen Steuern“, doziert er. „Aber der Rest der Niederlande denkt darüber ganz anders.“
Das Herumhämmern auf den „Eliten“, egal ob links oder rechts, wird Wilders nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Meindert Fennema auch künftig gezielt für den Stimmenfang einsetzen. „Die Stärke der PVV erwächst daraus, dass sie sich eben nicht gesittet, kultiviert oder salonfähig gibt“, sagt Fennema, der gerade seine Wilders- Biografie „De Tovenaarsleerling“ (Der Zauberlehrling) fertiggestellt hat. Die Anhängerschaft der PVV bestehe vor allem aus „hart arbeitenden Menschen mit relativ geringer Bildung“. Deshalb habe Wilders sich auch erfolgreich auf drei Punkte konzentriert: Erstens scharfe Polemik gegen muslimische Immigranten und den Islam, zweitens das Aufbauschen von Sicherheitsproblemen und drittens das Versprechen, die Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 zu verhindern.
Zweifellos kam ihm nicht nur zugute, dass die etablierten Parteien, die „Eliten“, angesichts der Wirtschaftskrise immer mehr an Vertrauen verloren. Unübersehbar ist auch das Scheitern des jahrelangen staatlichen Schmusekurses, mit dem muslimischen Einwanderern ein gut gemeintes Integrationsprogramm nach dem anderen präsentiert wurde. Steuergelder für Moscheen und islamische Schulen etwa wurden von den Empfängern gern genommen, aber das Sagen haben dort nicht selten Verfechter einer harten Abgrenzung zur westlichen Lebenskultur.
Wilders Gegenentwurf klingt freilich fast schon wie ein Aufruf zum Bürgerkrieg. Hollands Moscheen müssten geschlossen, der „faschistische“ Koran müsse ebenso verboten werden wie das Tragen „islamischer“ Kopftücher in öffentlichen Einrichtungen. Anständige Holländer sollten „Stadtkommandos“ bilden, Bürgerwehren zur Bekämpfung randalierender muslimischer Jugendlicher („marokkanische Straßenterroristen“). Solches Gerede sei Volksverhetzung, fand die Staatsanwaltschaft und stellte Wilders vor Gericht. Völlig falsch, sagen Kritiker. Wohl nicht zu Unrecht. Denn nach der Eröffnung des Verfahrens wenige Wochen vor der Kommunalwahl gingen die Umfragewerte für Wilders noch einmal deutlich nach oben.