Serbien, Mazedonien und Montenegro feiern neue Reise-Regelung. Ankara fühlt sich übergangen. Belgrad will nun auch in die EU.
Hamburg. Bürger aus Serbien, Montenegro und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien können seit dem Wochenende ohne ein Visum in die Europäische Union (EU) reisen. Jeder Besitzer eines Passes mit biometrischen Daten kann sich damit für 90 Tage pro Halbjahr in 25 EU-Staaten, Island, Norwegen und der Schweiz aufhalten.
Serbien hat zudem einen Aufnahmeantrag in die EU gestellt, wie der serbische Staatspräsident Boris Tadic und Ministerpräsident Mirko Cvetkovic in Belgrad bekannt gaben. Montenegro und Mazedonien sind bereits Beitrittskandidaten.
Der schwedische Außenminister Carl Bildt, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, bestätigte in Stockholm den Aufnahmeantrag Belgrads und sprach von einen "historischen und wichtigen Schritt für Serbien". Er erwarte, dass Tadic morgen dem schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt den Antrag offiziell übergebe, so Bildt.
Der Wunsch Belgrads nach Aufnahme in die EU war lange blockiert, weil die Regierung nicht alle vom Uno-Tribunal in Den Haag gesuchte Kriegsverbrecher verhaftet hat. Vor allem die Niederlande werfen Belgrad mangelnde Zusammenarbeit mit dem Uno-Kriegsverbrechertribunal vor. Spanien, das den EU-Vorsitz ab 1. Januar übernimmt, kündigte dennoch seine Unterstützung für die Kandidatur Serbiens an. Anfang Dezember hatten die EU-Außenminister grünes Licht für die Annäherung Serbiens an die Union gegeben. Sie beschlossen, ein Interimsabkommen in Kraft zu setzen, das Serbien eine Reihe von Handelserleichterungen gewährt.
Mit Enthusiasmus begingen die Serben am Wochenende den ersten Schritt in Richtung Europa: Feuerwerke und Konzerte verkündeten in der Nacht zu Sonnabend die Gleichstellung von Serbien, Mazedonien und Montenegro mit den meisten anderen Staaten Europas.
Bei den Feiern in Belgrad sagte der serbische Außenminister Vuk Jeremic: "Wir werden diesen Tag nie vergessen. Endlich gelten für uns dieselben Regeln wie für andere." Etwa 50 Serben flogen noch in der Nacht mit Vizeministerpräsident Bozidar Djelic zum EU-Sitz nach Brüssel. Nach einer Feier mit Champagner an Bord ihres Flugzeugs zeigten sie sich begeistert über den freundlichen Empfang in der belgischen Hauptstadt. In der mazedonischen Hauptstadt Skopje zeigte eine riesige Uhr vor Mitternacht die noch verbleibende Zeit bis zur neuen Ära der Reisefreiheit an.
Als es den Vielvölkerstaat Jugoslawien noch gab, genossen alle Bürger Reisefreiheit in die EU. Nach der Auflösung des Landes 1991 und den Balkankriegen der folgenden Jahre wurde jedoch eine Visumpflicht eingeführt, die im Falle von Serbien, Mazedonien und Montenegro fast 20 Jahre lang galt. Reisebüros berichten bereits über zahlreiche Buchungen von Reisen in die EU über den Jahreswechsel.
Für Bosnien-Herzegowina und das Kosovo wurden die Beschränkungen allerdings noch nicht aufgehoben und für Albanien ebenfalls nicht.
Mit Kritik reagierte die Türkei auf die neue Reisefreiheit der Serben in Richtung EU und forderte auch Aufhebung der Visumpflicht für ihre Bürger. Es sei inakzeptabel, dass die Visumpflicht für die Schengen-Zone für bestimmte Balkan-Länder aufgehoben worden sei, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu. Diese seien auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft längst nicht so weit wie die Türkei.
Ein Argument, das auch der europapolitische Sprecher der FDP-Fraktion Michael Link anführt: "Die komplette Visumfreiheit für türkische Staatsbürger im Schengen-Raum ist überfällig", sagte Link dem Abendblatt. Was für Serbien gelte, sollte für die Türkei ebenfalls gelten. Schließlich sei die Türkei im Verhandlungsprozess mit der EU bereits weiter. "Außerdem sollte die EU 2010 die Frage der Visumbefreiung für Albanien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina angehen", forderte der FDP-Politiker. "Dass die EU auf dem Westbalkan einzig diesen drei Ländern die Visumfreiheit verweigert, wird nicht dazu führen, dass Problempersonen der EU fernbleiben, sondern dass sich der Visum-Schwarzhandel mit voller Wucht auf Bürger dieser drei Länder konzentrieren wird." Die EU-Visumpflicht untergrabe die fragile Staatlichkeit Bosnien-Herzegowinas, "da bosnische Kroaten sich über Kroatien, bosnische Serben sich über Serbien verstärkt dortige visumfreie Pässe besorgen werden und so de facto einzig die muslimischen Bosniaken den Preis in Form fortbestehender Visumpflicht bezahlen müssen", so Link. Der Liberale ist enttäuscht von den europäischen Visum-Gesetzen: "Moderne Heranführung an EU-Standards sieht anders aus. Solch weltfremde Visum-Regeln schaden eindeutig mehr, als sie nutzen."