Regierungsmedien räumen ein, dass bei Polizeieinsätzen sieben Demonstranten getötet worden seien. Nach unabhängigen Quellen waren es jedoch weit mehr.

Hamburg/Teheran

Die innenpolitische Lage im Iran hat sich gestern dramatisch verschärft. Erstmals seit der Wahl sind die Anhänger von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zum öffentlichen Gegenprotest übergegangen. Tausende zogen in einem organisierten Protestmarsch für die Machthaber durch Teheran. Die Regierung in Teheran verhängte ein beispielloses Berichterstattungs-Verbot über ausländische Medien. Die Korrespondenten dürfen nicht mehr von der Straße berichten, sondern nur noch aus ihren Büros. Interviews sind allenfalls per Telefon noch möglich, ansonsten soll auf die staatlichen Medien zurückgegriffen werden, um Informationen zu beschaffen. Zudem erklärte das Regime, jenen ausländischen Reportern, die über die Präsidentschaftswahlen berichtet hatten, würden die Visa nicht verlängert. Wie die Organisation "Reporter ohne Grenzen" meldete, wurden im ganzen Land Journalisten festgenommen. Im Innenministerium seien vier Mitarbeiter entlassen worden, weil sie Wahlergebnisse weitererzählt hätten, die von den offiziellen Zahlen abwichen.

Die drastischen Maßnahmen gegen ausländische Medien wurden von Beobachtern als Hinweis darauf verstanden, dass die Behörden planten, mit allergrößter Härte gegen Protestierer vorzugehen.

Während die offiziellen Medien zum ersten Mal einräumten, dass bei den Massenprotesten am Vortag sieben Menschen bei Auseinandersetzungen mit der Polizei ums Leben gekommen seien, warnte Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi seine Anhänger eindringlich davor, an der für gestern geplanten Großdemonstration in Teheran teilzunehmen. Mussawi, der nach offizieller Auszählung bei den Präsidentschaftswahlen dem erzkonservativen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad unterlegen war, appellierte an seine Anhänger, zu Hause zu bleiben, weil sie sich sonst in Lebensgefahr brächten.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte den Iran zu einem Ende der Polizeigewalt auf und erklärte in Berlin, auch die Sicherheitskräfte seien dafür verantwortlich, dass die Lage nicht noch weiter eskaliere.

Am Montagabend waren gegen Ende der zunächst friedlich verlaufenen Massenproteste mindestens sieben Menschen getötet worden. Der iranische Exilpolitiker Mehran Barati-Novbari sprach im rbb-inforadio aber von deutlich höheren Opferzahlen als von der Regierung angegeben. Barati-Novbari sagte, man wisse die Namen von 22 Toten und 136 Verletzten. Allein beim Sturm der Sicherheitskräfte auf ein Studentendorf in Teheran seien fünf Menschen getötet und ohne Wissen der Angehörigen sofort verscharrt worden. 70 weitere Studenten seien verschleppt worden.

Die Tatsache, dass der eigentliche Machthaber im Iran, der geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei, den mächtigen Wächterrat zu einer Überprüfung des Wahlergebnisses aufgefordert hat, könnte darauf hindeuten, dass das Regime angesichts des Drucks im Inneren und Äußeren unsicher geworden ist. Der US-Sender CNN meinte, die ultrakonservativen Mullahs hätten den Bezug zur Realität verloren; ihr Verhalten signalisiere Angst vor der Zukunft. "Die Mullahs schwimmen gegen den Strom der iranischen gesellschaftlichen Entwicklung." Im Iran gärt es und die Spaltung macht auch vor dem Klerus nicht halt. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete, soll die "Vereinigung der theologischen Professoren des Seminars von Ghom" die Wahl Ahmadinedschads aufgrund der offensichtlichen Fälschungen für null und nichtig erklärt haben. Ghom ist die heilige Stadt der iranischen Schiiten. Großayatollah Yusuf Sanei soll die Bestätigung des Präsidenten gar als "haram" - als religiös verboten - bezeichnet haben.