Zum ersten Mal bleibt Deutschland einer Tagung der Uno fern. Zu Recht, wie sich in diesem Fall schnell erwies.

Hamburg/Genf. Die Entscheidung fiel erst am Sonntagabend. Gegen 22 Uhr gab Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bekannt, dass Deutschland nun doch keine Delegation zur Antirassismus-Konferenz der Vereinten Nationen nach Genf schicken werde.

Vorangegangen waren viele Telefonate Steinmeiers mit seinen europäischen Kollegen. Doch der Versuch, eine einheitliche Position der EU zu dieser umstrittenen Veranstaltung zu erreichen, scheiterte. Nach Italien, den Niederlanden und Polen sagte am Ende auch Deutschland ab, während andere Staaten wie Großbritannien und Frankreich an ihrer Teilnahme festhielten - insgesamt 23 der 27 EU-Mitglieder. Von einer Spaltung der EU in dieser Frage wollte der Berliner Regierungssprecher Thomas Steg aber nichts wissen. Der deutsche Schritt eines Boykotts einer Uno-Konferenz könnte historisch genannt werden - denn seit 1973, als die alte Bundesrepublik und die DDR der Weltorganisation beigetreten waren, hatte es Derartiges nie gegeben.

Die Gründe für einen Boykott wogen jedoch schwer. Als zu groß wurde die Gefahr angesehen, dass sich in Genf jener Eklat wiederholen könnte, der sich 2001 im südafrikanischen Durban zugetragen hatte. Am Ende dieser "Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und verwandte Intoleranz" legten der Iran und einige arabische Staaten einen Resolutionsentwurf vor, in dem der Zionismus mit Rassismus gleichgesetzt wurde und Israel die alleinige Verantwortung für den Nahost-Konflikt angelastet wurde. Die USA und Israel verließen die Konferenz .

Im Vorfeld der fünftägigen Genfer Konferenz kam der US-Regierung frühzeitig der Verdacht, dass auch "Durban II" zu einem anti-israelischen Schauprozess umgestaltet werden sollte. Barack Obama sagte, die Formulierungen für eine Abschlusserklärung ließen befürchten, dass diese Konferenz ähnlich verlaufen werde wie vor acht Jahren. Erschwerend kam hinzu, dass der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad als höchstrangiger Teilnehmer - und Konferenz-Redner - angekündigt war. Ein Radikalislamist also, der die Vernichtung Israels gefordert hat.

Ahmadinedschad sollte seine Kritiker nicht enttäuschen - und warf Israel ein "barbarisches und rassistisches Regime" vor. Die EU-Delegierten verließen daraufhin unter Protest den Saal.

Die USA hatten vorsorglich ihre Teilnahme rechtzeitig abgesagt - ebenso wie Israel; und Kanada, Australien, Neuseeland und die genannten vier EU-Länder folgten. Zur Begründung sagte der niederländische Außenminister Maxime Verhagen, einige Staaten versuchten weiterhin, die Konferenz zu missbrauchen, um religiöse Anschauungen über die Menschenrechte zu stellen - ein klarer Seitenhieb auf den Iran. Ausgerechnet Länder, "die auf dem Gebiet der Menschenrechte selbst noch viel zu tun haben", versuchten, Israel auf die Anklagebank zu setzen.

Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon kritisierte den Boykott jedoch und meinte, einige Staaten seien zu sehr der Vergangenheit verhaftet. "Ich bin wirklich enttäuscht", seufzte Ban.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dankte dagegen den boykottierenden Staaten.

Für die Israelis war das diplomatische Maß allerdings voll, als der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf Merz in herzlicher Atmosphäre den iranischen Präsidenten empfing. Jerusalem rief Botschafter Ilan Elgar aus Bern zurück. Der Boykott und die anti-israelische Rede von Ahmadinedschad legen nahe, dass es der Konferenz in Genf kaum gelingen dürfte, ihrem Ziel - internationalen Standards für Menschenrechte und Gleichberechtigung - entscheidend näherzukommen.