Schmerzensschreie und Tränen erleben die Menschen in Gaza. Mediziner sind nach der israelischen Offensive völlig überfordert.

Gaza. Die Leichenhalle im Al-Tschifa-Krankenhaus in Gaza ist überfüllt, aber Helfer tragen immer neue leblose Körper in das Gebäude, manchmal gleich mehrere auf einer Bahre. Von den Minaretten draußen schallen Trauergebete, die sich in den Fluren des Krankenhauses mit den Schreien der Verletzten mischen. Blutüberströmte Männer rufen nach einem Arzt oder einer Krankenschwester, doch die Mediziner wissen kaum, bei welchem zerfetzten Körper sie anfangen sollen. Mindestens 285 Palästinenser sind bei den israelischen Luftangriffen am Wochenende im Gazastreifen ums Leben gekommen, mehr als 600 Menschen verletzt worden.

"Das Wort Massaker ist nicht stark genug, um die Situation zu beschreiben", sagt der 22-jährige Hassan Abu Tuha, während er die Krankenwagen beobachtet, die im Krankenhaus herein- und dann rasch wieder herausfahren, um neue Verletzte zu bringen. "Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil die Angriffe nicht aufhörten", erzählt er. "Ich habe dauernd Angst, eine Rakete könnte hier oder in meinem Haus einschlagen und meine Angehörigen töten."

Vor allem die ersten vier Minuten seien schrecklich gewesen, berichtet ein Mann aus Gaza. "Ein Luftangriff nach dem anderen, es war wie bei einem Erdbeben." In kürzester Zeit sei in der Stadt am Mittelmeer alles grau gewesen, "von dem Staub der zerstörten Gebäude".

"Mein Bruder hat noch gelebt, als er hier ankam, er hat mit mir gesprochen", sagt Ahmed al-Gharabli unter Tränen in der Klinik. "Aber niemand hat sich um ihn kümmern können, er ist gestorben." Ahmeds Bruder Baha arbeitete bei der Polizei der Hamas, wie viele der Opfer. Oft tragen die Leichen im Al-Tschifa-Krankenhaus Uniform, zerrissen und voller Blut. Das Hauptquartier der radikalislamischen Hamas war eines der Hauptziele der israelischen Bomben - weil die Palästinenserorganisation immer wieder Raketen auf Israel abfeuert.

Allein etwa 180 der Toten gehörten zur Polizeimiliz der Hamas. Die israelische Luftwaffe legte viele ihrer Stellungen in Schutt und Asche. Der 36-jährige Mohammed A. selbst ein Hamas-Polizist, sagt: "Es ist sehr schwer, Freunde und Kollegen, mit denen man so viel durchgestanden hat, so zu verlieren." Dennoch sei er zur Arbeit gekommen, "weil unsere Pflicht wichtiger ist". Er sieht die israelische Offensive "Gegossenes Blei" als "Verschwörung gegen die islamische Herrschaft und die demokratische Regierung Palästinas".

Ein 40-jähriger Einwohner Gazas, der seinen Namen nicht nennen will, sieht die Rolle der Hamas, die sich kampfbereit zeigt, dagegen kritischer. "Hamas ist die herrschende Macht in Gaza und muss die Konsequenzen tragen", sagt er. "Welche Strategie und welche Pläne verfolgt Hamas, wenn sie ein solches Massaker nicht verhindern kann?" Statt ernsthaft zu regieren, habe die Widerstandsbewegung bislang nur "mit Worten um sich geschossen", sagt er verbittert.

Im Al-Tschifa-Krankenhaus in Gaza rufen Krankenhausbedienstete über Lautsprecher die sich vor der Tür drängelnden Angehörigen auf, die Leichen zu identifizieren und mit nach Hause zu nehmen. Auch Asmaa Abdo ist gekommen, Mutter von zwei Söhnen, beide Polizisten in der Ausbildung. "Man hat mir gesagt, dass meine Söhne tot seien", klagt sie. "Aber niemand hier kann mir das bestätigen."

Asmaa läuft barfuß, ihr Kopftuch ist auf die Schultern abgesackt. Sie flucht auf die Araber, die die Menschen im Gazastreifen ihrem Schicksal überließen, und auf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der ebenfalls am Leid der Bevölkerung schuld sei. Doch Abbas amtiert in Ramallah im Westjordanland, seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Sommer 2007 hat er praktisch jeden Einfluss auf den Küstenstreifen verloren.

Drinnen im Krankenhaus steht der Gesundheitsminister der Hamas, Bassem Naim, und beklagt vor Journalisten die vielen Opfer. "Unsere Mittel sind zu bescheiden, um mit diesem schrecklichen Massaker umzugehen", sagt Naim.