Der Konflikt zwischen Russland und Georgien sowie der Vertrag zwischen Polen und den USA über ein Raketenschild bringen die europäische...

Hamburg. Der Konflikt zwischen Russland und Georgien sowie der Vertrag zwischen Polen und den USA über ein Raketenschild bringen die europäische Sicherheitspolitik ins Wanken. Das Abendblatt sprach mit Margret Johannsen, Politologin am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.


Hamburger Abendblatt:

Was bedeutet das Abkommen zwischen den USA und Polen für Europas Sicherheitsarchitektur?

Margret Johannsen:

Das ist kein guter Tag für Europa. Möglicherweise ist es der Beginn einer neuen Aufrüstungsrunde. Es gab seit 1991 Abrüstung im atomaren und im konventionellen Bereich. Aber es gab vonseiten der USA nie klare Absagen an die Pläne einer Raketenabwehr. Was jetzt in Polen aufgebaut werden soll, richtet sich zwar offiziell gegen sogenannte Schurkenstaaten wie Iran oder Nordkorea. Aber die Russische Föderation interpretiert diese Raketenabwehr als gegen sich gerichtet.



Abendblatt:

Wie bewerten Sie es, dass die USA Polen und Tschechien als Partner gewonnen hat?

Johannsen:

Die beiden Länder sind zwar Nato-Mitglieder, aber haben aufgrund ihrer Geschichte eine problematische Beziehung zu Russland. Europäische Sicherheit ist aber ohne die Russische Föderation nicht zu haben. Die starken Worte, die man zurzeit aus Nato-Kreisen hört, sind da wenig hilfreich.



Abendblatt:

Befürchten Sie einen neuen Rüstungswettlauf?

Johannsen:

Auf jeden Fall ist die Raketenabwehr ein Signal an Russland. Es ist nicht nur eine Frage des Materials, sondern auch der Wahrnehmung. Zurzeit wird das Klima zwischen dem Westen und Russland mit diesen Maßnahmen verschlechtert. Die Europäische Sicherheit erfordert, dass Russland und die EU kooperieren. Aufrüstung dient diesem Ziel nicht.



Abendblatt:

Kann man von einem neuen Kalten Krieg sprechen?

Johannsen:

Dieser Begriff ist mit der Bipolarität zwischen den USA und der Sowjetunion verbunden. Nach 1991 gab es als Supermacht nur noch die USA und damit Unipolarität, weil Russland sich erst finden musste. Jetzt könnten wir in ein Zeitalter der Multipolarität eintreten, denn es gibt mit China, Indien oder Brasilien weitere künftige Kraftzentren. Da ist kluge Politik gefragt und kein Säbelrasseln. Ich finde es kritikwürdig, dass die Nato unter Führung der USA eine unfreundliche, man könnte auch sagen provokative Politik gegenüber Russland macht und die EU-Staaten das mittragen.



Abendblatt:

In sicherheitspolitischen Fragen hat die EU bisher wenig Geschlossenheit gezeigt, wenn man noch an die Auseinandersetzungen zu Beginn des Irakkriegs denkt.

Johannsen:

Die Europäer lassen sich von den USA spalten. Aber die EU muss endlich ihre Hausaufgaben machen und sich in sicherheitspolitischen Fragen einig werden. Die Nato ist ein Militärbündnis und versucht zunehmend, sich als politisches Bündnis darzustellen. Deshalb wird die EU gerade in gewisser Weise von der Nato abgehängt, das halte ich für einen Fehler.



Abendblatt:

Was halten Sie davon, dass die Nato die direkten Kontakte zu Russland im Nato-Russland-Rat zumindest vorläufig auf Eis gelegt hat?

Johannsen:

Das finde ich nicht richtig. Die Lage im Georgien-Konflikt ist völkerrechtlich zwar äußerst umstritten. Aber dann nicht mehr miteinander zu sprechen entschärft die Situation in keinster Weise.



Abendblatt:

Welche Bedeutung hat Syriens Absicht, militärisch enger mit Russland zusammenarbeiten zu wollen, für den Nahost-Konflikt?

Johannsen:

Syriens Militärmacht basiert auf russischen Waffen. Gleichzeitig gibt es Signale, dass Verhandlungen zwischen Syrien und Israel über die Golan-Höhen möglich wären. Es wäre bitter, wenn diese Gesprächsbereitschaft im Sog dieser neuen Konfrontation untergeht.