Der große Ansturm steht noch bevor, doch sind die Einschränkungen im internationalen Pressezentrum (MPC) abseits des Olympiastadions bereits jetzt...
Der große Ansturm steht noch bevor, doch sind die Einschränkungen im internationalen Pressezentrum (MPC) abseits des Olympiastadions bereits jetzt zu spüren. Internetseiten, die sich auf Themen wie Menschenrechte oder speziell Tibet beziehen, können nicht aufgerufen werden. Entweder bricht die Verbindung komplett zusammen, oder der Bildschirm bleibt schlicht leer, oder es erscheint ein Fenster mit dem englischsprachigen Inhalt: "Diese Seite kann nicht aufgerufen werden." Ein Test des Abendblatts vor Ort bestätigte diese Angaben ausländischer Korrespondenten und Agenturen.
"Ich habe schon mehrfach probiert", sagt Volker Wiedersheim, Redakteur der "Hannoverschen Allgemeinen", "bin aber regelmäßig gescheitert." Er zählt zu den ersten Deutschen, die auf den blau gepolsterten Stühlen im MPC Platz genommen haben. Sogar der Versuch, den Suchbegriff "Tibet" im Internetlexikon Wikipedia einzugeben, endete mit einem Zusammenbruch der Verbindung. Das gleiche Ergebnis erlebten Wiedersheim und andere bei der Google-Suche nach der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Nichts ging mehr.
Eine Nachfrage bei der chinesischen Telefongesellschaft Lenovo ergab Achselzucken und die lapidare Antwort: "Wir wissen von nichts." Lenovo offeriert einen vierwöchigen Internetzugang via Breitbandkabel oder Wlan für 3500 Yuan (rund 330 Euro), der im Mediencenter sowie in ganz Peking nutzbar ist. Im Kleingedruckten ist auf Einschränkungen hingewiesen. Zum Beispiel auf eine Stilllegung sämtlicher Internetzugänge während der Eröffnungs- und Schlusszeremonie - ohne Angabe von Gründen.
Zwar hatte Sophie Greuil aus Cannes, französische Mitarbeiterin der Nachrichtenagentur Reuters, bisher keine redaktionelle Veranlassung, einschlägige Quellen zu suchen, doch auch sie registrierte plötzliche Leitungszusammenbrüche - online, aber auch bei Telefonaten. Zudem könnten französische Sportler seit Tagen nicht mehr ihre eigenen Homepages besuchen.
Dagegen läuft in den großen Hotels der Innenstadt alles äußerlich normal. Abendblatt-Versuche zeigten, dass Internetseiten über Tibet oder Amnesty problemlos aufzurufen sind. Keine Schwierigkeiten haben ARD und ZDF. Sie haben eigene Leitungskanäle gebucht, um autark zu sein.
Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und in Peking Chef de Mission des deutschen Teams, hat IOC-Präsident Rogge jetzt aufgefordert, sich für einen ungehinderten Internetzugang bei der Olympia-Berichterstattung einzusetzen. Im ZDF-Morgenmagazin sagte Vesper: "Die Organisatoren sind dabei, ein Eigentor zu schießen." Das müsse verhindert werden. Natürlich gehöre zur Pressefreiheit die freie Recherchemöglichkeit. "Deswegen muss das gewährleistet sein", so Vesper, der das Internationale Olympische Komitee (IOC) in der Handlungspflicht sieht. "Wir als DOSB haben kein Druckmittel", räumte Vesper ein, "wir können nur über das IOC handeln."