Offenbar dringt Peking seit Jahren in Computer von ausländischen Regierungseinrichtungen ein.
Hamburg/Toronto. Kanadische Internet-Experten sind dem bislang größten bekannt gewordenen Cyber-Spionagenetz auf die Spur gekommen. Und die führt nach China. Es geht dabei vor allem um die Ausspähung der tibetischen Opposition, des Dalai Lama und der Tibet-Politik zahlreicher Staaten.
Wie die Organisation Information Warfare Monitor nach zehnmonatigen Forschungen am Sonntag enthüllte, wurden Hacker-Angriffe auf insgesamt 1295 Computer in 103 Staaten festgestellt. Ziel waren geheime Dokumente von Regierungsstellen und privaten Organisationen. Ausgespäht wurden die Außenministerien von Iran, Bangladesch, Lettland, Indonesien, den Philippinen, Brunei, Barbados und Bhutan. Ferner wurden Angriffe auf Botschaften Deutschlands, Indiens, Südkoreas, Rumäniens, Zyperns, Maltas, Thailands, Taiwans, Portugals und Pakistans festgestellt.
Information Warfare Monitor (IWM), eine Organisation, die sich aus Wissenschaftlern der kanadischen Denkfabrik SecDev Group und der Universität von Toronto zusammensetzt, kam dem Netzwerk auf die Spur, als sie Hacker-Angriffe auf tibetische Computer untersuchte. Diese waren mit Spionage-Programmen infiziert worden, die Daten von den Computern abzogen und Software dort installierten. "Wir entdeckten Schadprogramme (Malware), die in tibetische Computer eingedrungen waren und vertrauliche Dokumente auch aus dem Privatbüro des Dalai Lama abzogen", sagte der IWM-Forscher Greg Walton der Zeitschrift "USA-Today". Die Ergebnisse der Analysen wiesen auf China als Urheber hin.
Zum gleichen Zeitpunkt veröffentlichten auch zwei Wissenschaftler der britischen Cambridge-Universität eine Untersuchung zu diesem Sachverhalt. In ihrem Bericht "Der schnüffelnde Drache - Überwachung der tibetischen Bewegung durch soziale Malware" bilanzieren Shishir Nagaraja und Ross Anderson, die Cyber-Angriffe sollten Beachtung finden - wegen "ihrer Fähigkeit, in die Tat umsetzbare Spionageergebnisse zu sammeln, die von Polizei und Sicherheitsdiensten eines repressiven Staates verwendet werden können - mit potenziell fatalen Folgen für die Bloßgestellten".
China steht seit Jahren im Verdacht, westliche Regierungen auszuspionieren. Im Dezember gab es Verstimmungen mit Frankreich, als bekannt wurde, dass die französische Botschaft in Peking von Hackern angegriffen worden war. Nachdem Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy den Dalai Lama zu einem Gespräch empfangen hatte, war die Website der Botschaft unter einer Cyber-Attacke tagelang zusammengebrochen. Und im September 2007 hatte die australische Regierung nach einem mutmaßlich chinesischen Cyber-Angriff erklärt, das Problem sei "ernst und real". Auch Neuseelands Regierung räumte einen Cyber-Angriff ein.
Die konservative amerikanische "Heritage Foundation" hatte im vergangenen Jahr in ihrem Bericht "Der trojanische Drache: Chinas Cyber-Bedrohung", enthüllt, 2007 hätten Hacker des chinesischen Militärs hoch entwickelte Cyberangriffe gegen Regierungsstellen in den USA und Europa geführt.