Israelische Militärs raten zu einer Waffenruhe. Ägypten verhandelt getrennt mit Vertretern von Israel und Hamas.
Hamburg/Jerusalem. 19 Tage nach Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen ist der Krieg weiter eskaliert: Israel flog mehr als 160 Luftangriffe, Bodentruppen rückten tief in die Vororte von Gaza-Stadt vor, Radikale feuerten vom Libanon aus Katjuscha-Raketen auf Israel und die Zahl der Toten stieg auf 980. Unter dem Eindruck der dramatischen Lage kündigte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kurzfristig eine zweite Nahostreise binnen einer Woche an. "Aus der humanitären Krise könnte eine humanitäre Katastrophe werden", warnte Steinmeier gestern kurz vor seinem Abflug. Ziel des Besuches sei es, einen "Einstieg" in eine dauerhafte Waffenruhe zu finden, sagte Steinmeiers Sprecher Jens Plötner. "Die Kampfhandlungen müssen jetzt eingestellt werden", sagte Steinmeier.
Zuvor hatten sich in Israel hochrangige Militärs für eine Waffenruhe ausgesprochen. Israel habe im Gazastreifen alles erreicht, was militärisch zu erreichen gewesen sei, zitierte die "Haaretz" einen Sicherheitsexperten. Es sei zudem angebracht, die Offensive vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Obama zu beenden.
Ägyptens Geheimdienstchef Omar Suleiman verhandelt bereits getrennt mit Vertretern Israels und der radikalislamischen Hamas. Die Hamas stehe einer Waffenruhe aufgeschlossen gegenüber, sagte ein Regierungssprecher. Ägypten habe vorgeschlagen, Israel solle den Gazastreifen vor Beginn einer Waffenruhe verlassen. Der israelische Regierungssprecher Mark Regev sagte dazu lediglich, Israel fordere "einen vollständigen Stopp jeglichen feindlichen Feuers" und einen "funktionierenden Mechanismus, der eine Aufrüstung der Hamas verhindert. Israel wollte nach tagelangem Zögern heute seinen Unterhändler Amos Gilad nach Kairo entsenden, wie aus Kreisen des Verteidigungsministeriums verlautete.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörden in Gaza sind unter 980 Todesopfern der Offensive 315 Kinder und Jugendliche sowie 95 Frauen. Die Zahl der Verletzten bezifferte ein Sprecher auf 4300. Nach den Worten von Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon ist es nicht hinnehmbar, dass Zivilisten die Hauptlast des Konfliktes tragen. Nach einem Treffen mit Ägyptens Staatschef Husni Mubarak rief Ban abermals zum Ende der Kämpfe auf: "Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren."
Die Hamas hat eine Feuerpause gebrochen, die für drei Stunden zur humanitären Versorgung der Bewohner des Gazastreifens gelten sollte. Militante feuerten neun Raketen auf Südisrael. Israel ließ dennoch 111 Lastwagen mit Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff passieren. Zum zweiten Mal binnen einer Woche wurden auch wieder drei Katjuscha-Raketen aus dem Libanon abgefeuert. Niemand kam zu Schaden.