Hamburg. Hamburger Abendblatt:

Israel spricht von einem "Krieg bis zum bitteren Ende". Was ist das Ziel der Gaza-Offensive?



Yoram Ben-Zeev:

Wir wollen die Sicherheitslage für Südisrael verändern. Unser Ziel ist nicht, die Hamas zu schlagen. Wir wollen den Gazastreifen, den wir vor drei Jahren geräumt haben, auch nicht wieder besetzen. Wir haben dort nichts zu suchen. Uns geht es nur um die Sicherheit für jene Israelis, die aus dem Gazastreifen von der Hamas seit acht Jahren mit Raketen beschossen werden. Mit militärischen Mitteln lässt sich eine ideologische oder religiöse Organisation nicht ablösen.



Abendblatt:

Wenn Israel keinen Sieg über die Hamas erwartet, was dann?



Ben-Zeev:

Ein Ende der Raketenangriffe aus Gaza auf Israel. Die Raketen der Hamas mit verlängerten Reichweiten sind inzwischen sogar eine Bedrohung für die Region von Tel Aviv. Das werden wir nicht zulassen.



Abendblatt:

Vor allem die Zivilbevölkerung leidet unter der militärischen Gewalt. Ist Israels Offensive unverhältnismäßig?



Ben-Zeev:

Es ist sehr zu bedauern, dass Zivilisten bei einem Militäreinsatz in dicht besiedeltem Gebiet verletzt und sogar getötet werden. Das ist schrecklich. Und wenn ein Kind verletzt wird, ob palästinensisch oder israelisch - das ist herzzerreißend. Ich muss aber auf einen Unterschied hinweisen: Wir zielen nicht auf Zivilisten, sondern auf die Infrastruktur der Hamas. Die Hamas dagegen zielt mit ihren Raketen ausschließlich auf Zivilisten, auf Schulen und Kindergärten. Wer sagt, der Einsatz sei unverhältnismäßig - unverhältnismäßig zu was? Sogar die Menschen in Gaza sagen, dass die Hamas Raketen von Schulen oder Moscheen aus abschießt. Wenn wir dann dort angreifen, können leider auch zivile Opfer nicht ausgeschlossen werden. Noch einmal: Das ist schrecklich. Wir können und werden aber nicht erlauben, dass Mörsergranaten und Raketen auf Israel abgefeuert werden. Kein Land, auch Deutschland nicht, würde dulden, dass seine Bürger der Gefahr täglicher Angriffe ausgesetzt sind, und das schon seit acht Jahren.



Abendblatt:

Befürchten Sie, dass sich der Konflikt mit der Hamas auf die Region ausweiten kann?



Ben-Zeev:

Ich glaube, dass der radikalislamische Fundamentalismus für die moderaten arabischen Länder - und das ist die Mehrheit - eine Bedrohung darstellt. Radikal sind im Nahen Osten nur vier Elemente: Das sind die Staaten Iran und Syrien und die von ihnen unterstützten Organisationen Hamas, die die Terrorregierung in Gaza stellt, und die Hisbollah. Das ist ein Problem für die Region und weit darüber hinaus.



Abendblatt:

Was sind die Bedingungen für eine Waffenruhe im Gazastreifen?



Ben-Zeev:

Die Raketenangriffe und der Terror müssen gestoppt werden. Und der Schmuggel von Waffen von der Sinai-Halbinsel nach Gaza muss unterbunden werden. Wir wollen keinen Waffenstillstand, um uns in kurzer Zeit in der gleichen Situation wie vor der Offensive zu befinden. Wir möchten in guter Nachbarschaft leben. Nicht mit Feinden. Ich bin aber leider nicht sehr optimistisch. Die Hamas betrachtet nicht nur Israel als Feind, sondern steht auch jeder Form von Verhandlungen mit Israel oder Frieden mit Israel feindselig gegenüber. Diese Bewegung ist voller Hass.



Abendblatt:

Warum ist derzeit so wenig von der israelischen Friedensbewegung zu hören?



Ben-Zeev:

Weil die Menschen in Israel wissen: Genug ist genug. Vor drei Jahren haben wir uns aus dem Gazastreifen zurückgezogen und werden trotzdem weiter von dort angegriffen. Lange haben wir uns militärisch zurückgehalten. In Gaza ist das jedoch völlig falsch interpretiert worden, nämlich dass Israel ängstlich und schwach sei. Die überwältigende Mehrheit der Israelis - Linke, Rechte, Zentristen, Menschen aus Tel Aviv und aus Jerusalem - steht hinter dem Ziel, diese Situation zu beenden.



Abendblatt:

Kanzlerin Angela Merkel hat sich bedingungslos an die Seite Israels gestellt und die Hamas für den Konflikt verantwortlich gemacht. Wie ist das in Israel aufgenommen worden?



Ben-Zeev:

Sehr gut. Die Bundeskanzlerin hat damit bekräftigt, was sie schon in ihrer Rede in der Knesset im vergangenen März gesagt hat: "Die Sicherheit Israels ist nicht verhandelbar." Inoffiziell und offiziell haben auch arabische Staaten der Hamas die Schuld für die Eskalation gegeben. Ägypten etwa, auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.



Abendblatt:

Sollte Deutschland eine größere Rolle im Friedensprozess spielen?



Ben-Zeev:

Ja. Ganz klar. Deutschland genießt das Vertrauen Israels und das der arabischen Staaten. Deutschland hat den Friedensprozess stets begleitet und ist für uns ein Schlüsselland in Europa.



Abendblatt:

Unterstützen Sie den Vorschlag, Bundeswehrsoldaten im Rahmen einer möglichen Uno-Mission in den Gazastreifen zu entsenden?



Ben-Zeev:

Es ist zu früh, diese Frage zu beantworten. Israel hat den Einsatz der Bundeswehr im Libanon außerordentlich begrüßt. Im Gazastreifen würde es sich aber nicht nur um eine friedenerhaltende Mission handeln. Israel hat seit seiner Staatsgründung seine Freunde nie um militärische Unterstützung gebeten. Politische Unterstützung ist aber immer willkommen.