Teheran hat 209 Kilogramm schwach angereichertes Uran verschwiegen und verfügt jetzt bereits über eine Tonne.
Hamburg/Wien/Washington. Viel früher als erwartet, hat der Iran offenbar bereits genug Uran gesammelt, um eine Atombombe damit herstellen zu können.
In ihren ersten Bericht über das iranische Atomprogramm seit der Amtsübernahme von US-Präsident Barack Obama stellt die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien fest, dass der Iran ein Drittel mehr an schwach angereichertem Uran hergestellt hat, als bislang angegeben. Inspektoren der IAEA hatten bei einer Überprüfung in der iranischen Atomanlange Natanz ermittelt, dass dort mehr als 209 Kilogramm an schwach angereichertem Uran vorhanden waren, die bisher nicht in den Berichten aufgetaucht sind.
Damit beläuft sich die Gesamtmenge an derartigem Uran im Iran nun auf mehr als eine Tonne. Dies sei ausreichend als Grundlage zur Herstellung einer Nuklearwaffe. "Es ist schlimmer als wir dachten", äußerte sich Gary Milhollin, der Direktor des Wisconsin-Projektes zur Kontrolle atomarer Waffen in der "New York Times". "Es ist alarmierend, dass die bisherigen Berichte über die Produktion um ein Drittel nach unten abweichen." "Ihr habt jetzt genug für eine Atombombe", wurde ein hoher Beamter der Vereinten Nationen in New York zitiert. Die amerikanische Regierung forderte Teheran auf, die Anreicherung zu stoppen.
Die neuen Berichte decken sich mit Einschätzungen privater Experten vom vergangenen Jahr. Unabhängige Experten für Nuklearwaffen kritisierten gestern die Inspektoren der IAEA, weil sie das iranische Atomprogramms nur einmal im Jahr überprüften.
Die Inspektoren wiesen Vermutungen zurück, die Diskrepanz deute darauf hin, dass aus der Anlage in Natanz angereichertes Uran herausgeschmuggelt würde, um es in einer anderen iranischen Anlage weiterzuverarbeiten. Doch ein hoher Beamter der IAEA räumte ein, dass man eben nur einmal im Jahr überprüfe. "Nur in diesen Moment verfügen wir über unabhängige Daten", sagte er. Die IAEA verwies darauf, dass es einen weiteren Anreicherungsprozess erforderlich mache, um tatsächlich auch waffenfähiges Uran herzustellen - und darüber habe man keine Erkenntnisse.
Wie die "New York Times" schrieb, seien die politischen Auswirkungen des IAEA-Berichtes noch gar nicht abzuschätzen. US-Präsident Barack Obama hat erklärt, dass er direkte Gespräche über das iranische Atomprogramm mit dem Mullah-Regime in Teheran führen werde. Die jüngsten Enthüllungen könnten daher "bedeutsam" für Obama sein. Denn der politische Annäherungsprozess können Monate in Anspruch nehmen und der Iran fahre sehr zügig mit seiner Urananreicherung fort.
Am Donnerstagabend hatte ein Mitglied seiner Administration nach Lektüre des IAEA-Berichtes gesagt, es gebe beim iranischen Atomprogramm "ständige Verbesserungen, vor allem bei der Effizienz der Zentrifugen". Diese sind das Kernstück der Urananreicherung.
Im November hatte die IAEA noch von 3800 solcher Zentrifugen gesprochen. Dem jüngsten Bericht nach arbeiten in Natanz nun 4000 Zentrifugen auf Hochtouren, weitere 1600 kämen in Kürze dazu. Insgesamt habe sich das Tempo beim Aufbau des umstrittenen iranischen Atomprogramms aber etwas verlangsamt, erklärte die IAEA.
Teheran hat stets versichert, das Atomprogramm diene ausschließlich Zwecken der Energieherstellung. Die USA und andere westliche Staaten sind jedoch überzeugt davon, dass die Iraner an der Bombe bauen. Der Uno-Sicherheitsrat hat wegen der anhaltenden Urananreicherung Sanktionen gegen den Iran verhängt.
Der IAEA-Bericht löste vor allem in Israel Besorgnis aus; Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat dem jüdischen Staat mit Vernichtung gedroht.
Auch ein zweiter Bericht der IAEA enthüllte Brisantes: Danach haben Inspektoren Uran-Partikel an einer Anlage in Kiba in Syrien gefunden, die von israelischen Kampfflugzeugen 2007 zerstört worden war. Nach Angaben der Israelis stand in Kiba ein Reaktor als Teil eines syrischen Atomprogramms. Washington forderte Damaskus auf, bei der Aufklärung des Sachverhaltes mit der IAEA zusammenzuarbeiten.