Volksheld oder Verbrecher: Morgen beginnt der Prozess gegen den “Schuhwerfer von Bagdad“. “Angriff auf ein ausländisches Staatsoberhaupt“ wird dem irakischen Fernsehreporter in seiner Heimat vorgeworfen. Dabei konnte sich Ex- US-Präsident George W. Bush rechtzeitig wegducken.
Bagdad. Muntasser el Saidis Tat ging Mitte Dezember blitzschnell um die Welt. Mit den Worten "Dies ist dein Abschiedskuss, du Hund!" zog der irakische Fernsehjournalist während einer Pressekonferenz in Bagdad seine Schuhe aus und warf sie beherzt in Richtung des scheidenden US-Präsident George W. Bush. Der Vorfall inspirierte Künstler und Nachahmer. Bald flogen auch in Großbritannien, Frankreich und Schweden Schuhe. Dem 30-Jährigen Iraker bringt er möglicherweise mehrere Jahre Gefängnis ein. Ab Morgen muss sich Saidi für die Schuh-Attacke verantworten vor einem Bagdader Gericht, das normalerweise für Terrorismusfälle zuständig ist.
Saidi zur Seite steht ein 25-köpfiges Team von Verteidigern. Sie wollen erreichen, dass die Anklage "Aggression gegen einen ausländischen Staatschef während eines offiziellen Besuchs" auf den impulsiven Fernsehjournalisten nicht angewendet wird. Sein Mandant solle freigesprochen werden, da er nur seine Meinung geäußert und gegen die Stationierung der US-Truppen im Irak protestiert habe, fordert Saidis Anwalt Dhija el Saadi. Zudem stellten die Schuhe des Journalisten keinesfalls eine tödliche Waffe dar.
Folgt das Gericht dieser Argumentation, kann Saidi mit ein bis fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Halten die Richter an der Anklage fest, drohen ihm bis zu 15 Jahre hinter Gittern. Die Regierung in Bagdad nimmt den Fall ernst und verurteilte den Schuhwurf als "schändlichen Akt". Eine üblere Beleidigung, als jemanden als Hund zu bezeichnen und ihm Schuhsohlen ins Gesicht zu werfen, ist in der arabischen Welt kaum vorstellbar.
Die Demütigung des verhassten US-Präsidenten stieß in der muslimischen Welt auf Begeisterung. Eine Istanbuler Schuhfabrik meldete, seit dem Schuhwurf zehntausende Paar des geschleuderten Modells verkauft zu haben. In der nordirakischen Stadt Tikrit wurde ein Denkmal aufgestellt, das an den Schuhwurf erinnerte. Der beauftragte Künstler schuf eine drei Meter hohe und zweieinhalb Meter breite Skulptur, die einen Schuh zeigte, aus dem ein Baum wuchs. Auf Druck der Provinzregierung musste das Monument jedoch nach wenigen Tagen wieder entfernt werden.
Ein britischer Student programmierte inzwischen eine Internetseite, auf der Schuhe auf Bush geworfen werden können. Bislang wurde das Gesicht des US-Präsidenten nach Zählung des Portals 86 Millionen Mal getroffen. Und auch ein deutscher Student ahmte den Iraker offenbar nach. Bei einer Rede des chinesischen Regierungschefs Wen Jiabao an der Universität Cambridge warf der dort studierende Martin J. einen Turnschuh auf die Bühne und rief: "Das ist ein Skandal. Wie könnt ihr den Lügen dieses Diktators zuhören?" Sein Prozess hat bereits begonnen, Martin J. drohen bis zu sechs Monate Haft, ein Bußgeld von umgerechnet 5730 Euro und ein Ausschluss von der renommierten Universität.
Bush nahm sich den Schuhwurf offenbar nicht allzu sehr zu Herzen. "Wenn Sie die Fakten wissen wollen: Es war ein Schuh der Größe 10 (deutsche Größe 44)", witzelte der US-Präsident wenige Stunden nach der Tat. Seine Sprecherin Dana Perino unterstrich, es sei allein die Sache der irakischen Behörden, die strafrechtliche Relevanz zu überprüfen. Bush betrachte den Irak als "souveränes, demokratisches Land".
Kollegen Saidis beim Fernsehsender El Bagdadia hoffen nun auf ein mildes Urteil der irakischen Richter. Saidi sei ein ruhiger und gebildeter Mensch, der eine Verurteilung nicht verdient habe, sagt einer der Journalisten. "Er wollte Bush nicht auf die normale Art verabschieden, also hat er es auf seine eigene Art getan", meint ein anderer Mitarbeiter des Senders. Saidis Schuhwurf sei eine "nationale Geste" gewesen.
Irakischer Journalist wird durch Schuhwurf auf Bush berühmt