Ziviler Aufbau rückt immer weiter in den Vordergrund. Präsident Karsai will auch mit den gemäßigten Taliban reden. Skepsis bei Amerikanern.
München. In Afghanistan steuert der Westen auf eine neue Strategie zu. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz räumten die USA erstmals ein, beim Wiederaufbau zu stark auf die militärische Komponente gesetzt zu haben. Der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung äußerte die Zuversicht, dass die Nato und ihre Verbündeten in Afghanistan künftig geschlossen den zivil-militärischen Ansatz vertreten. Mit Blick auf die Wahlen im Sommer sprach sich der afghanische Präsident Hamid Karsai für eine Aussöhnung mit den gemäßigten Taliban aus.
"Wir neigten dazu, uns zu sehr auf den militärischen Teil des Wiederaufbaus zu konzentrieren. Das war zwar wichtig, aber nicht das einzige, was wir hätten tun sollen", sagte James Jones, der Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama. Außerdem habe man sich zu sehr auf Afghanistan fokussiert und die Region als Ganzes vernachlässigt.
Er fügte hinzu, die Nato könne sich "nicht erlauben, in Afghanistan zu scheitern". US-Vizepräsident Joe Biden hatte schon eine "strategische Überprüfung" der US-Politik in Afghanistan angekündigt. Er erwarte dazu "Ideen und Eingaben" von den Partnern, sagte Biden.
Der US-Sonderbeauftragte Richard Holbrooke versicherte, die neue amerikanische Regierung "wird Afghanistan nicht verlassen, sondern versuchen, dort zu gewinnen". Die militärischen Ressourcen dafür seien nicht ausreichend. Obama hatte bereits angekündigt, die US-Truppen für Afghanistan um bis zu 30 000 aufzustocken.
Der britische Verteidigungsminister John Hutton sagte, die angekündigten zusätzlichen US-Truppen machten einen großen Unterschied für die Militäroperation in Afghanistan aus. Er appellierte an die anderen Nato-Staaten, weitere Beiträge gemäß der eigenen Fähigkeiten zu leisten. "Wir brauchen ein höheres Truppenniveau", betonte er.
Auch Karsai begrüßte die US-Ankündigung zur Aufstockung der Truppen. Damit müsse der Zustrom von Terroristen über die Grenzen eingedämmt werden, betonte er. Eine höhere Truppenpräsenz wird allgemein als notwendig für einen sicheren Verlauf der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im August erachtet. Karsai stellt sich selbst zur Wiederwahl.
Karsai sagte, die Wahlen seien der richtige Zeitpunkt für die Einleitung des Aussöhnungsprozesses mit gemäßigten Taliban, die nicht dem Terrornetzwerk al-Qaida angehörten. Der US-Kommandeur David Petreaus warnte allerdings, es müsse klar unterschieden werden, zwischen denjenigen, die zur Versöhnung bereit seien, und denjenigen, die weiter dem Terroristennetzwerk angehörten. Diese Unbeirrbaren müssten weiterhin verfolgt werden.
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung sprach sich dafür aus, den zivilen Aufbau Afghanistans künftig in den Vordergrund zu rücken. Unter Verweis auf das deutsche Engagement im Norden des Landes sagte er: "Aus meiner Sicht ist dieser militärische Ansatz ausreichend." Nun komme es vor allem darauf an, die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten zu beschleunigen. Es sei ein Fehler gewesen, dass die Allianz nicht früher auf den vernetzten zivil-militärischen Ansatz gesetzt habe, sagte Jung. Es mache ihm aber "Hoffnung, dass wir heute in geschlossener Position diese Strategie vertreten haben".
Petraeus räumte ein, es gebe sicherlich "keine rein militärische Lösung für Afghanistan". Ausreichende Truppen seien aber die Grundlage für Fortschritten in allen anderen Bereichen.