Schuhe als Symbol des Widerstandes haben Tradition. Schon die aufständischen mitteldeutschen Bauern um 1524/25 erkoren ihre alltägliche...
Schuhe als Symbol des Widerstandes haben Tradition. Schon die aufständischen mitteldeutschen Bauern um 1524/25 erkoren ihre alltägliche Fußbekleidung, den Bundschuh, zum Emblem ihrer Erhebung. Wieder aufgenommen wurde der revolutionäre Brauch, als ein irakischer Journalist im Dezember den scheidenden US-Präsidenten George W. Bush wüst schimpfend mit seinen Tretern bewarf. Das Beispiel des wackeren irakischen Kollegen machte Schule. Rund um den Globus flogen von nun an Schuhe, wenn Unzufriedenheit mit der Politik demonstriert werden sollte.
Nicht überall auf der Welt haben Schuhe die gleiche negative Bedeutung wie im arabischen Raum, wo sie als unrein gelten und deshalb zum Beispiel vor dem Betreten einer Moschee ausgezogen werden müssen. Aus China sind derartige kulturelle Besonderheiten bisher nicht bekannt. Dafür reagieren Pekings Kommunisten traditionell allergisch auf jede Infragestellung ihrer unumschränkten Macht. Auch durch Schuhwürfe. Darin hatte sich am Wochenende ein junger Mann bei der Rede des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao in der altehrwürdigen Universität von Cambridge geübt. Wie sein irakisches Vorbild verfehlte er sein Ziel. Er soll auch keine harten Straßentreter benutzt haben, sondern einen Turnschuh. Möglicherweise von chinesischen Kinderhänden in einer Fabrik zusammengenäht, die auch vor 150 Jahren in Manchester gestanden haben könnte. Möglicherweise eine mit drei Streifen verzierte Raubkopie eines deutschen Herstellers aus Herzogenaurach. Ausgelatscht von europäischen Füßen. Der fliegende Fluch der Globalisierung eben.
Während Bush noch gelassen reagierte und nur meinte, dass sein Attentäter wohl die Schuhgröße 43 habe, will Peking den englischen Vorfall am liebsten totschweigen. Von wegen Gesichtsverlust für den Obergenossen. Das wiederum ist eine uralte chinesische Tradition. Was man nicht sieht und worüber man nicht spricht, hat auch nicht stattgefunden. Zugegeben wird in den heimischen Medien lediglich eine "Störung" der Rede Wens. Zu Hause soll keinesfalls der Eindruck entstehen, irgendjemand könnte etwas gegen die weisen Führer des Reiches der Mitte und ihre friedliebende Politik in Tibet und anderswo haben. Die Chinesen sollen sich also nach dem Willen ihrer Politbürokraten auf ewig vorschreiben lassen, was sie wissen dürfen und was nicht. Da könnte es einem glatt die Schuhe ausziehen.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy reagierte ebenfalls nicht amüsiert, als vor wenigen Wochen Demonstranten mit Schuhen nach ihm warfen. Das Oberhaupt hatte im nordfranzösischen Ort Saint-Lo eine Schule besucht und sich zur umstrittenen Bildungsreform geäußert. Dabei war es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Ebenfalls in Anlehnung an den Schuhwurf des irakischen Journalisten flogen hier die Fußbekleidungen. Sarkozy war empört und verlangte die Strafversetzung des zuständigen Präfekten des Departements Manche, Jean Charbonniaud.