Laut einer New Yorker Zeitung soll Strauss-Kahn “einvernehmlichen Sex“ mit dem Zimmermädchen eingeräumt haben. Er sitzt weiter im Gefängnis.
New YorK. Laut einem New Yorker Boulevardblatt soll der wegen einer versuchten Vergewaltigung angeklagte Währungsfonds-Chef Dominique Strauss-Kahn "einvernehmlichen Sex" eingeräumt haben. „Frankreichs führender Präsidentschaftskandidat mag über ein Zimmermädchen in Manhattan hergefallen sein – aber sie wollte es“, schreibt das Blatt am Dienstag. Das hätten die Anwälte gesagt. „Es ist durchaus möglich, dass sie einverstanden war“, zitiert die Zeitung „eine Quelle aus der Nähe der Verteidigung“. Im Gegensatz zur „New York Times“ und den „Daily News“ ist die „Post“ eine Boulevardzeitung.
Strauss-Kahn sitzt weiter auf einer Gefängnisinsel im New Yorker East River in Haft. Er soll am Samstag in seiner Hotelsuite ein Zimmermädchen überfallen haben, um Oralsex zu erzwingen. Wenig später wurde er aus der Erste-Klasse-Kabine seines Air-France-Fluges heraus verhaftet, nur Minuten vor dem Start. Seit Montag ist er sechs Vergehen angeklagt, von dem das schwerste, „sexuelle Belästigung ersten Grades“, mit 25 Jahren Haft bewährt ist. Am Freitag soll die Vorverhandlung beginnen.
Über einen Nachfolger wird schon debattiert
Noch ist der Ausgang des Falls um Dominique Strauss-Kahn noch völlig unklar, da hat schon die Debatte um seine Nachfolge als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) begonnen. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen der Schuldenkrise auch künftig gern einen Europäer auf dem Chefsessel der mächtigen Finanzinstitution sehen will, fordert China eine Auswahl auf Basis von „Fairness, Transparenz und Leistung“. Nachfolgend einige Namen, die als Anwärter auf den Posten gehandelt werden. Unter den möglichen Kandidaten wird auch der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück genannt. Bei einem europäischen Kandidaten wäre aber wohl die Französin Christine Lagarde erste Wahl. Die 55-Jährige hat sich in der Finanzkrise durch ihr souveränes Auftreten im Kreis der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) großes Ansehen erworben.
Es gibt aber auch viel Kritik um die bereits entfachte Nachfolger-Diskussion. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hat die von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit angestoßene Diskussion über einen Nachfolger des inhaftierten IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn kritisiert. Einige Regierungen hätten diese Debatte begonnen, das sei nicht angemessen, sagte Juncker am Montag nach dem Treffen der Eurogruppe in Brüssel. Er werde Strauss-Kahn, mit dem er befreundet sei, nicht den Rücktritt nahelegen. „Es war nicht schön, die Bilder heute Morgen zu sehen“, sagte Juncker. „Das macht mich tief, tief traurig.“
Welche Verteidigungsstrategie wird der Anwalt wählen?
In Frankreich wird über mögliche Verteidigungsstrategien des wegen Sex-Vorwürfen inhaftierten IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn diskutiert. Die Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ zitierte am Dienstag einen US-Anwalt, der das völlige Abstreiten eines sexuellen Annäherungsversuchs an ein Zimmermädchen für die am wenigsten wahrscheinliche Option hält. „Er könnte dafür plädieren, dass sie sein Verhalten falsch interpretiert hat, dass er sie nur anmachen wollte und sie das falsch verstanden hat“, sagte der New Yorker Strafrechtsexperte Evan Barr dem Blatt. Auch könne Strauss-Kahn behaupten, dass das Zimmermädchen ebenfalls interessiert gewesen sei.
Der IWF-Chef lebt jetzt auf dreieinhalb mal vier Metern
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn war am Montagabend in das Gefängnis Rikers Island gebracht worden. Die New Yorker Haftanstalt liegt auf einer Insel im East River. Dort werde er zumindest bis zum nächsten Gerichtstermin am Freitag eine etwa dreieinhalb mal vier Meter große Einzelzelle bewohnen, sagte ein Sprecher der Gefängnisbehörde dem US-Sender CNN. Bislang war er in einer Polizeieinrichtung für Opfer von Sexualverbrechen im Stadtteil Harlem untergebracht. Eine Richterin hatte am Montag eine Freilassung Strauss-Kahns auf Kaution abgelehnt.
Der 62-jährige Franzose, der am Sonnabend versucht haben soll, ein Zimmermädchen in einem New Yorker Hotel zu vergewaltigen, werde keinen Kontakt zu anderen Gefangenen haben, da er als berühmte Persönlichkeit gesehen werde, sagte der Sprecher. Auf Rikers Island seien weitere 14.000 Männer und Frauen inhaftiert, die eines Gewaltverbrechens oder anderer in New York City begangener Straftaten beschuldigt werden oder bereits dafür verurteilt wurden. (dpa)
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Ratlosigkeit und Verwirrung herrschten in Frankreich auch am zweiten Tag nach der spektakulären Verhaftung von Dominique Strauss-Kahn (kurz: DSK) in New York, insbesondere unter seinen sozialistischen Parteifreunden. Während der Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF) in New York gestern um 16.30 Uhr MESZ einer Haftrichterin vorgeführt wurde, die eine Freilassung des Verdächtigen wegen Fluchtgefahr ablehnte, rätselten die Sozialisten in Paris, wie sie mit der unübersichtlichen Nachrichtenlage umgehen sollten.
Am Morgen waren die Bilder auf allen Kanälen zu sehen gewesen, die den 62 Jahre alten Strauss-Kahn in Handschellen zeigten, während er von zwei amerikanischen Polizeibeamten aus einer Wache in Harlem geführt wurde. 30 Stunden Untersuchungshaft hatte er da hinter sich. Er war unrasiert, sein Blick niedergeschlagen. In diesem Moment dürfte auch dem letzten Strauss-Kahn-Anhänger klar geworden sein, dass dieser Mann in zwölf Monaten nicht französischer Präsident werden wird - selbst wenn sich die Vorwürfe des sexuellen Angriffs und der Freiheitsberaubung, die ein 32 Jahre altes Zimmermädchen des Sofitel-Hotels in Manhattan gegen ihn erhebt, sich als haltlos erweisen sollten.
Die Hotel-Angestellte soll Strauss-Kahn inzwischen bei einer polizeilichen Gegenüberstellung als ihren Angreifer identifiziert haben. Ihren Angaben zufolge sei er Sonnabendmittag nackt aus der Dusche gekommen, als sie im Begriff war, seine Suite Nummer 2806 im Sofitel zu reinigen. Strauss-Kahn soll dann versucht haben, sie aufs Bett zu ziehen. Als sie sich wehrte, habe er sie durch den Flur gezogen und versucht, sie im Badezimmer einzusperren und zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Es sei ihr jedoch gelungen, zu flüchten und das Personal zu alarmieren, das die Polizei verständigte.
Als diese eintraf, sei Strauss-Kahn verschwunden gewesen. Er habe Teile seines Gepäcks und ein Handy zurückgelassen. Diese Indizien veranlassten am Sonntag einige, von einer "Flucht" zu sprechen. Strauss-Kahn bestreitet die Vorwürfe laut seinen Anwälten rundweg. Der Durchführung von DNA-Tests habe er zugestimmt.
Gestern zirkulierte zudem eine Version des Ablaufs, die zunächst aussah, als könne sie Strauss-Kahn entlasten. Demnach habe er das Zimmer bereits um 12.28 Uhr verlassen und aus dem Hotel ausgecheckt. Danach habe er mit seiner Tochter Camille, die in New York studiert, zu Mittag gegessen und sei wie geplant zum Flughafen gefahren. Der Flug sei seit Längerem geplant gewesen. Im Übrigen habe er selbst das Hotel telefonisch verständigt, dass er eins seiner Mobiltelefone - er besitzt mehrere - im Zimmer zurückgelassen habe. Das klang beinahe schon wie ein Alibi. Erst dieser Anruf brachte die Polizei auf seine Fährte.
Gestern Nachmittag wurde allerdings bekannt, dass die New Yorker Ermittler die vermutliche Tatzeit inzwischen um eine Stunde auf 12 Uhr zurückverlegt haben. Damit war auch das vermeintliche Alibi erst einmal perdu. Zutreffend ist aber, dass Strauss-Kahn New York am Sonnabendnachmittag verlassen wollte, er war für Sonntag in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel verabredet. Inzwischen wurde allerdings auch bekannt, dass er über ein Arrangement mit Air France verfügt, das es ihm erlaubt, jederzeit noch einen Platz in der ersten Klasse zu erhalten.
Unterdessen waren in Frankreich vor allem zwei Arten von Reaktionen zu beobachten. Die einen erwogen die Möglichkeit, Strauss-Kahn könne Opfer eines Komplotts geworden sein. Die andere Gruppe wies darauf hin, dass dem Präsidenten des Internationalen Währungsfonds ein zweifelhafter Ruf als notorischer Schwerenöter mit Tendenz zu Übergriffen vorauseile. Der Journalist Jean Quatremer, Brüssel-Korrespondent der Zeitung "Libération", hatte bereits 2007 in einem Porträt über Strauss-Kahn darauf hingewiesen, dass dessen "einziges echtes Problem sein Verhältnis zu Frauen" sei.
Er sei häufig "aufdringlich bis an die Grenze der Belästigung". Dies sei bei Politikern und Medienleuten hinlänglich bekannt, aber niemand spreche darüber. "Wir sind eben in Frankreich." Der IWF sei jedoch eine internationale Institution mit angelsächsischen Sitten. Eine einzige "unangemessene Geste, eine zu gewagte Anspielung" könne ihm da bereits zum Verhängnis werden, warnte Quatremer, kurz nachdem Strauss-Kahn für den Posten des IWF-Chefs nominiert worden war. Als im Jahr 2008 dann jene Affäre publik wurde, die Strauss-Kahn mit seiner Untergebenen, der IWF-Angestellten Piroska Nagy, unterhalten hatte, schienen sich Quatremers Vorbehalte zu bestätigen. Zwar wurde Strauss-Kahn durch einen internen Untersuchungsbericht des IWF vom Vorwurf der Vorteilsgewährung freigesprochen, der Rapport attestierte ihm jedoch ein "gravierendes Fehlurteil". Strauss-Kahns Ehefrau, die prominente französische Journalistin Anne Sinclair, vergab ihrem Gatten damals öffentlich und tat die Liaison als One-Night-Stand ab. Jeder wisse, dass diese Dinge allen Paaren zustoßen könnten. Für sie sei die Sache erledigt.
Während derartige Geschichten nun auf diversen Kanälen kursieren - angeblich gibt es auch mehrere Air-France-Stewardessen, die über das chronisch anzügliche Verhalten des IWF-Chefs zu berichten wissen -, schließen andere die Möglichkeit einer Verschwörung nicht aus. Als ein Indiz werten sie die Tatsache, dass die Verhaftung DSKs als Erstes von einem jungen UMP-Aktivisten getwittert worden war, der behauptete, er habe von "einem Kumpel in New York" gehört, Strauss-Kahn sei in seinem New Yorker Hotel verhaftet worden. Das war zu einem Zeitpunkt, als die "New York Times" die tatsächliche Verhaftung am Flughafen noch nicht gemeldet hatte. Zusätzlich befeuert wurden die Spekulationen dadurch, dass einer der Ersten, der die Meldung weiterleitete, Arnaud Dassier war, der Betreiber der Sarkozy-freundlichen Webseite Atlantico. Dassier war auch derjenige, der die Bilder von DSK im Porsche verbreitet hatte, die Paris in der vergangenen Woche in Aufregung versetzt hatten. Doch selbst unter Konservativen wollte man die Möglichkeit einer Verschwörung nicht ausschließen. Die Christdemokratin Christine Boutin hatte am Sonntag noch spekuliert: "Ich glaube, dass man Dominique Strauss-Kahn wahrscheinlich eine Falle gestellt hat und er hineingefallen ist. Es kommen viele infrage, die diese Falle gestellt haben könnten." Das könne vom Internationalen Währungsfonds kommen, von der französischen Rechten oder von der französischen Linken.
Die Linke begann bereits gestern, sich auf eine Zukunft ohne Dominique Strauss-Kahn vorzubereiten. Heute will die Parteispitze unter Führung der Vorsitzenden Martine Aubry beraten. Nach Lage der Dinge ist es nun möglicherweise Aubry selbst, die die besten Karten hat, sich in den Vorwahlen der Sozialisten durchzusetzen. Auch die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal wird nun wohl ein Wort mitreden wollen. (Sascha Lehnartz)