Fast zehn Jahre nach 9/11 tötet ein US-Kommando Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden. Amerika jubelt. Aber Experten warnen vor Racheakten der Terroristen. Helmut Schmidt sieht Militäraktion als “zweischneidige Sache“
Washington/Islamabad. Er befahl den schwersten Terrorangriff der Geschichte, ließ drei Passagierjets in die Türme des World Trade Centers und in das Pentagon rasen. Fast zehn Jahre nach den Anschlägen des 11. September 2001 hat Amerika jetzt an Osama Bin Laden Vergeltung geübt.
Ein US-Spezialkommando überfiel den Gründer der Terrororganisation al-Qaida in seiner Privatfestung in Pakistan, wo er sich jahrelang unbehelligt versteckt hielt, und tötete ihn mit einem Kopfschuss. Sichtlich bewegt gab US-Präsident Barack Obama den Erfolg in einer TV-Ansprache bekannt: "Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan." In den großen Städten Amerikas beteiligten sich Tausende an spontanen Freudenkundgebungen.
Wenige Stunden zuvor waren Soldaten der US-Eliteeinheit Navy SEALs mit zwei Hubschraubern zu einem Anwesen in der pakistanischen Stadt Abbottabad geflogen. Laut Obama hatten die US-Behörden schon seit August 2010 Hinweise, dass sich in dem schwer gesicherten Gebäudekomplex Osama Bin Laden aufhalten könnte. Während des Anflugs eröffneten Wachen des Terror-Chefs das Feuer. Einer der US-Hubschrauber musste beschädigt notlanden. Anschließend kam es zu einem 40-minütigen Gefecht. Dabei starben außer Osama Bin Laden drei weitere Männer und eine Frau. Von den Amerikanern wurde niemand verletzt.
Die USA hatten allerdings nicht von vornherein die Absicht, Terroristen-Chef Osama Bin Laden zu töten, sagte Obamas Anti-Terror-Berater John Brennan. "Wenn wir die Gelegenheit gehabt hätten, ihn lebend zu fassen, hätten wir das getan." Der US-Sender CNN dagegen hatte zuvor gemeldet, es habe sich um eine "Kill mission" gehandelt.
Ein Pentagon-Sprecher sagte, kurz vor der Tötung sei Bin Laden von seiner Ehefrau "namentlich identifiziert" worden. Auch ein Gentest soll die Identität bestätigt haben. Angeblich wurde der Leichnam später von US-Soldaten im Meer "bestattet".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich wie viele Regierungschefs erleichtert. "Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten." Besiegt sei der Terror damit aber noch nicht. Experten warnten vor Racheakten von al-Qaida. Der scheidende CIA-Direktor Leon Panetta sagte: "Obwohl Bin Laden tot ist - al-Qaida ist es nicht." Die US-Behörden rieten Reisenden, Menschenansammlungen zu meiden. Hamburg sieht dagegen keinen Grund für verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. "Ich gehe davon aus, dass sich keine gravierend größere Gefährdung für Hamburg ergibt", sagte Manfred Murck, Vizechef des Landesamtes für Verfassungsschutz.
Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) nannte die Tötung von Bin Laden in der ARD-Sendung "Beckmann" eine "zweischneidige Sache": "Zum einen ist es ganz eindeutig ein Verstoß gegen das geltende Völkerrecht. Zum anderen kann es - weil überall in der arabischen Welt Unruhe herrscht - zu Folgewirkungen führen, die man im Augenblick nicht übersehen kann."