Nur noch 167.000 Euro für den Regierungschef. Aber auch Otto Normal-Brite muss für die Rekordschulden tief in die Tasche greifen.
London. Das neue britische Führungsduo David Cameron und Nick Clegg schnallt selbst den Gürtel enger. Im Kampf gegen das Rekorddefizit beschloss das Kabinett unter dem konservativen Premierminister Cameron die Kürzung der eigenen Gehälter um fünf Prozent.
„Wir sind uns alle des Ernsts der Lage bewusst“, sagte Kultusminister Jeremy Hunt nach der einstündigen Sitzung. „Und wenn wir es nicht schaffen, ein zuverlässiges Programm zur Senkung der Schulden aufzulegen, verspielen wir unsere Glaubwürdigkeit beim Markt und beim Volk.“
Cameron und sein Vize Nick Clegg von den Liberal-Demokraten nahmen gleich nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte das massive Haushaltsdefizit ins Visier und stellten es in den Mittelpunkt der ersten Kabinettssitzung. Sie wollen das Haushaltsloch von umgerechnet knapp 192 Milliarden Euro (163 Milliarden Pfund) oder etwa elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) durch einen Sparkurs stopfen. Wirtschaftsexperten haben dies immer wieder als das vordringlichste Problem bezeichnet.
Einen ersten Beitrag soll die Kürzung der Ministergehälter leisten. Die von Labour vorgesehene Erhöhung der Lohnsteuer soll dagegen zurückgenommen werden. Premierminister Cameron erhält unter den neuen Beschlüssen noch 167.000 Euro im Jahr, die meisten seiner Minister für britische Verhältnisse immer noch großzügige 158.000 Euro. Zudem sollen die Gehälter für die Legislaturperiode von fünf Jahren eingefroren werden. Das bringt Einsparungen von 3,5 Millionen Euro. Angesichts des massiven Haushaltslochs ist dies allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Insgesamt sollen die öffentlichen Ausgaben zunächst um rund sieben Milliarden Euro gesenkt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verdient ohne Abgeordnetenbezüge derzeit etwa 192.000 Euro im Jahr. Doch ihr wurde bereits zum 1. August 2011 eine Gehaltserhöhung gegönnt: plus 4000 Euro im Jahr. Die Minister verdienen künftig etwa 156.000 Euro im Jahr.
US-Präsident Barack Obama verdient offiziell 400.000 Dollar im Jahr (etwa 322.000 Euro). Allerdings heimste Obama 2009 insgesamt 5,5 Millionen US-Dollar ein, weil er Erlöse aus Buchverkäufen hatte. Er spendete jedoch Zehntausende und verzichtete auf das Preisgeld von 1,4 Millionen US-Dollar für den Gewinn des Friedensnobelpreises.
In Großbritannien ist außerdem eine Bankenabgabe geplant. Nach Einschätzung von Volkswirten könnte auf die Briten auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zukommen. Diese liegt derzeit bei 17,5 Prozent. Die Regierung will innerhalb von 50 Tagen einen Not-Haushaltsplan ausarbeiten.
Auf politischer Seite will die Koalition eine feste Legislaturperiode von fünf Jahren einführen. Die kommende Wahl würde demnach am ersten Donnerstag im Mai 2015 stattfinden. Zu einer Reform des Wahlsystems soll das Volk befragt werden.
An den britischen Atomwaffen will die neue Regierung festhalten. Der Euro soll in Großbritannien nicht eingeführt werden. Zudem sollen keine weiteren Befugnisse an die EU abgetreten werden. Per Gesetz soll festgeschrieben werden, dass dies ohnehin nur nach einem Referendum erfolgen dürfte.
Außerdem will die neue Regierung die Bürgerrechte als Teil eines „Freiheitsgesetzes“ deutlich stärken. Unter anderem wird auf die geplante Einführung von Personalausweisen, eines Einwohnermeldeamts und der nächsten Generation von biometrischen Reisepässen verzichtet. Die Meinungsfreiheit soll durch eine Überprüfung der Verleumdungsgesetze ausgebaut und der Einsatz der Videoüberwachung strenger geregelt werden.
Die für Großbritannien ungewöhnliche Regierungsform war notwendig geworden, weil keine Partei bei der Wahl vor knapp einer Woche die absolute Mehrheit gewonnen hatte. Es ist die erste Koalitionsregierung im Königreich seit 1945. Viele Briten zweifeln allgemein an der Stabilität von Koalitionen. Cameron selbst ist mit 43 Jahren der jüngste Premierminister seit fast 200 Jahren. Der jüngste britische Finanzminister seit über einem Jahrhundert ist George Osborne. Er wird diesen Monat 39 Jahre alt. Einige Experten in der Finanzbranche bezweifeln daher, ob er die schwierige Finanzlage in den Griff bekommen wird.