Berlin. Zum ersten Mal seit zehn Jahren stellen die Christdemokraten wieder den Regierungschef in Erfurt – und das ohne Hilfe der AfD.
Am Ende war es kein Drama, sondern eine ziemlich geschmeidige Angelegenheit: Der CDU-Politiker Mario Voigt ist neuer Ministerpräsident in Thüringen. Bei der Wahl im Erfurter Landtag am Donnerstag stimmte bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Abgeordneten für den 47-Jährigen – obwohl Voigts neue Brombeer-Koalition aus CDU, dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD nur die Hälfte der Parlamentarier im Landtag stellt. Der Christdemokrat erhielt auch Stimmen aus den Reihen der Linken um den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow.
Insgesamt votierten 51 von 88 Abgeordneten für Voigt, die Regierungsfraktionen verfügen zusammen nur über 44 Stimmen. Die Hilfe der Linken ermöglichte es dem neuen Ministerpräsidenten, im ersten Durchgang ohne Unterstützung der AfD ins Amt zu kommen. Der Thüringer AfD-Landesverband unter Björn Höcke wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und war bei der Landtagswahl Anfang September mit deutlichem Abstand zur zweitplatzierten CDU stärkste Kraft geworden.
Voigt sprach am Donnerstag von einem „Geist der Zusammenarbeit und einer neuen politischen Kultur“. Möglich wurde seine Wahl im ersten Anlauf nur, weil sich Koalitionsparteien und Linke in letzter Minute auf Modalitäten verständigt hatten, in welcher Form sie im Laufe der Legislaturperiode im Gespräch bleiben wollen. Voigt nennt das das „Pflichtenheft“.
Die Linke: „Die AfD darf keine Bühne bekommen“
Das Thema ist für die CDU ausgesprochen heikel. Denn es gibt einen Beschluss der Bundespartei, mit dem diese einer Zusammenarbeit mit der Linken wie mit der AfD eine grundsätzliche Absage erteilt. Mit Blick auf die Absprachen in Thüringen können Voigt und CDU-Chef Friedrich Merz nun argumentieren, dass es keine vertraglich vereinbarte Kooperation mit der Linken gebe, sondern nur eine Übereinkunft über den Umgang miteinander im Landesparlament.
Eine Wahl Voigts mit AfD-Stimmen hätte die Christdemokraten noch stärker in Erklärungsnot gebracht und zudem Erinnerungen geweckt an das Jahr 2020, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD und CDU kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.
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Der bisherige Regierungschef Bodo Ramelow sagte vor der Wahl Voigts, der Regierungswechsel in Thüringen finde „mit demokratischer Mehrheit“ statt. Linken-Fraktionschef Christian Schaft sagte: „Die AfD darf keine Bühne bekommen.“ AfD-Chef Höcke sagte, der neue Ministerpräsident habe die Christdemokraten in Thüringen zu Grabe getragen. „Voigt hat mehr linke Partner als die CDU konservative Werte.“
Ministerpräsidenten: In Sachsen muss CDU-Mann Kretschmer noch zittern
Mit Voigt stellt die CDU nach zehn Jahren wieder den Ministerpräsidenten in Erfurt. Linken-Frontmann Ramelow will sich um ein Direktmandat für den Bundestag bewerben. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist nun bereits im Jahr seiner Gründung in zwei Landesregierungen vertreten, am Mittwoch erst war der Sozialdemokrat Dietmar Woidke als Chef einer SPD-BSW-Koalition erneut zum Ministerpräsidenten in Brandenburg gewählt worden.
Spannend wird es noch einmal in Sachsen: Dort stellt sich am kommenden Mittwoch der CDU-Politiker Michael Kretschmer im Landtag zur Wiederwahl. Seiner Koalition mit der SPD fehlen allerdings zehn Stimmen zur absoluten Mehrheit. Ein zunächst geplantes Dreierbündnis mit dem BSW kam wegen Meinungsverschiedenheiten in der Außen- und Migrationspolitik nicht zustande.