Berlin. Um Fachkräfte zu gewinnen, werben Firmen auch mit Wohnungen. Das Bauministerium setzt darauf große Hoffnungen. Doch es gibt ein Problem.
Wer einen Job in einer Metropole angeboten bekommt und umziehen muss, steht seit Jahren vor einem Problem: Wie findet man eine Wohnung, die den eigenen Bedürfnissen entspricht und bezahlbar ist? Für manche eine unlösbare Aufgabe auf den angespannten Wohnungsmärkten. Häufig wird deutlich mehr als die empfohlenen 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Miete überwiesen oder es müssen Abstriche bei Qualität oder Größe der Wohnung gemacht werden.
Wie drastisch die jüngste Entwicklung auf dem Mietwohnungsmarkt ist, zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage der wohnungspolitischen Sprecherin der Linken im Bundestag, Caren Lay. Das Schreiben aus dem Bauministerium liegt unserer Redaktion exklusiv vor. Die Nettokaltmieten der im Internet inserierten Wohnungen sind demnach von 2022 auf 2023 im Bundesschnitt von 9,83 auf 10,55 Euro pro Quadratmeter gestiegen – ein Plus von 7,32 Prozent. Betrachtet wurden unmöblierte Wohnungen mit 40 bis 100 Quadratmetern Wohnfläche mit mittlerer Ausstattung in mittlerer bis guter Lage.
Besonders hoch war der Preisanstieg laut des Regierungsschreibens in Berlin: Zu 16,35 Euro wurde der Quadratmeter im Schnitt angeboten und damit zu fast 27 Prozent mehr als im Vorjahr. In München wurde mit 20,59 Euro die 20-Euro-Grenze überschritten. Einzig in Hamburg blieben die Angebotsmieten nahezu unverändert bei 13,26 Euro. „Zum Schutz gegen Mietsteigerungen ist von der Bundesregierung nichts unternommen worden. Die Bilanz ist katastrophal für Mieterinnen und Mieter“, klagte Linken-Politikerin Lay. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett zwar eine Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029, aufgrund der fehlenden Mehrheit für SPD und Grüne im Bundestag wird diese aber wohl nicht mehr beschlossen werden.
Hohe Mieten: Viele Firmen unterstützen mittlerweile mit Wohnangeboten
Für manche Unternehmen wird die Misere auf dem Wohnungsmarkt zum Problem. In Zeiten des Fachkräftemangels tun sie sich ohnehin schwer damit, geeignetes Personal zu finden. „Wo keine bezahlbaren Wohnungen auf dem Markt sind, bleiben auch die Talente aus. Die Mitarbeitergewinnung hängt längst nicht mehr nur am Gehalt“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), unserer Redaktion. Viele Unternehmen entdecken deshalb ein altes Konzept wieder: die Mitarbeiterwohnung.
Wie viele Mitarbeiterwohnungen es hierzulande genau gibt, war lange unklar. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW ging von rund 100.000 Wohnungen aus. Doch womöglich sind es viel mehr. Das legt zumindest eine große Studie im Auftrag des Bauministeriums nahe, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Durchgeführt wurde die Untersuchung vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), insgesamt wurden 4.445 Arbeitnehmer sowie 567 Unternehmen befragt. 5,2 Prozent der Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeiter demnach mit direkten Maßnahmen. Sprich: Sie kaufen oder mieten Wohnungen an und vermieten diese an ihre Mitarbeiter entweder selbst oder in Kooperation mit Partnern weiter.
Studie: 161.000 Mitarbeiterwohnungen sind neu entstanden
Hochgerechnet seien in den vergangenen zehn Jahren so 675.000 Mitarbeiterwohnungen entstanden. Hinzu kämen 46.000 Wohnheimplätze für Auszubildende und junge Mitarbeiter. Der Haken dabei: Den Wohnungsmarkt entlastet es nur bedingt, da häufig keine neuen Wohnungen entstehen, sondern lediglich bestehende Wohnungen aufgekauft werden. Aber: Immerhin 161.000 Wohnungen seien in den vergangenen zehn Jahren auch neu geschaffen worden.
11,6 Prozent der befragten Unternehmen unterstützen der Studie zufolge mit indirekten Maßnahmen, etwa indem sie Tauschbörsen im Intranet anbieten, Maklerbüros beauftragen oder Wohnzuschüsse gewähren. Größere Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern bieten demnach häufiger direkte Unterstützung an als kleine und mittlere Unternehmen. Letztere würden dagegen häufiger bei indirekten Maßnahmen unterstützen. Am häufigsten komme Unterstützung für das Mitarbeiterwohnen von Firmen aus der Dienstleistungsbranche.
„Das Thema Mitarbeiterwohnen bietet für Unternehmen ein unglaubliches Potenzial. Wer aktiv bei der Wohnungssuche unterstützt oder selbst Wohnraum anbietet, kann leichter Fachkräfte gewinnen“, sagte Rolf Bösinger (SPD), Staatssekretär im Bauministerium, dieser Redaktion. Noch würden „viel zu wenig Unternehmen“ ihre Mitarbeiter beim Wohnen unterstützen. „Wir wollen, dass sich noch mehr Arbeitgeber aktiv für Mitarbeiterwohnungen einsetzen“, sagte Bösinger und verwies auf bestehende Förderprogramme.
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Möglich wäre laut Studie eine Förderung über die Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau, für die der Bund den Ländern im Zeitraum von 2022 bis 2026 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Zudem könnten KfW-Programme genutzt werden, etwa zum klimafreundlichen Neubau oder zur Förderung des genossenschaftlichen Wohnens. Für den Bau von Azubi-Wohnheimen könne auch das Programm Junges Wohnen genutzt werden. In Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern gebe es zudem spezielle Programme der Förderung des Mitarbeiterwohnens.
Gewerkschaftsbund will Großunternehmen in die Pflicht nehmen
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert mehr Engagement von Unternehmen bei Mitarbeiterwohnungen. „Viele Arbeitnehmer können aktuell in der Nähe ihres Arbeitsplatzes keine geeignete Wohnung finden und müssen daher lange Pendelwege in Kauf nehmen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell unserer Redaktion. „Unternehmen sollten verstärkt in den Bau von Wohnraum für ihre Mitarbeitenden investieren, um dringend benötigte bezahlbare Wohnungen zu schaffen.“ Gerade Beschäftigte mit niedrigen und mittleren Einkommen bräuchten gezielte Angebote. Großunternehmen sollten laut DGB in die Pflicht genommen werden, um Wohnraum für ihre Mitarbeiter zu schaffen.
Arbeitgeberverbands-Chef Kampeter mahnt dagegen: „Mitarbeiterwohnen allein wird den Wohnraummangel aber nicht beseitigen.“ Die deutsche Wohnungsbaupolitik sei ein „Bremsklotz für unser Wachstum“. Es brauche eine Politik, die private Investitionen attraktiv mache, entschlackte Bauvorschriften und eine radikale Beschleunigung der Genehmigungsverfahren.
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