Berlin. Trump tut das, wofür er gewählt wurde, sagt US-Experte van de Laar: Er krempelt das Land um. Für Kamala Harris hat van de Laar einen Rat.

Joe Biden hat seinen Sohn Hunter begnadigt und sich damit angreifbar gemacht, sagt US-Experte Julius van de Laar. Die demokratische Partei müsse sich schon jetzt für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf aufstellen. Welchen Fehler es dabei unbedingt zu vermeiden gilt und wer ein aussichtsreicher Kandidat sein könnte, verrät der Kampagnenprofi im Interview.

Herr van de Laar, was war in den vergangenen Tagen das bemerkenswerteste Ereignis in den USA?

Julius van de Laar: Die Begnadigung Hunter Bidens – ich kann mich in Joe Biden hineinversetzen und menschlich verstehen, warum er das gemacht hat. Er sagt, mein Sohn wurde politisch verfolgt und würde auch weiter von Trump verfolgt, was nicht passieren würde, wenn er nicht mein Sohn wäre. Das Argument kann man nachvollziehen. Gleichzeitig war das ein riesiger Fehler.

Inwiefern?

Van de Laar: Joe Biden hat seine komplette Kampagne über betont, dass die „Seele der Nation“, die Demokratie, auf dem Spiel stehe. Mit der Begnadigung hat er diesen Anspruch unterminiert – er hat das getan, was er Donald Trump immer vorgeworfen hat. Eines der Hauptargumente war ja immer, dass Trump um seiner eigenen Interessen willen kandidiert und um die eigenen Leute zu bevorzugen. Er hat stets betont, die verurteilten Straftäter vom Sturm aufs Kapitol begnadigen zu wollen. Dieser Schritt Joe Bidens schadet ihm selbst und den Demokraten.

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Julius van de Laar: Der US-Experte warnt die Demokraten vor einem fundamentalen Fehler. © iStock | van der Laar

Wird er Bidens politischem Vermächtnis schaden?

Van de Laar: Ich glaube nicht. Man wird sich eher an Joe Biden erinnern als einen Mann, der 50, 60 Jahre seines Lebens dem öffentlichen Dienst gewidmet hat. Die Sache hinterlässt allenfalls eine Delle, aber das ist schade.

Zur Person

Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.

Was macht eigentlich Kamala Harris im Moment?

Van de Laar: Sie ist aus nachvollziehbaren Gründen in der Versenkung verschwunden. Vizepräsidentin ist sie noch immer, aber das war schon immer der undankbarste Job von allen. Joe Biden hat ihr de facto ein katastrophales Portfolio gegeben, und damit sitzt sie fest. Es gibt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten: Entweder bereitet sie die nächste Kandidatur für den Senat vor. Oder sie bewirbt sich um das Gouverneursamt in Kalifornien, ihrem Heimatstaat – und der amtierende Gouverneur, Gavin Newsom, könnte eventuell zum nächsten demokratischen Kandidaten für die US-Wahl 2028 aufgebaut werden. Wenn ich tippen sollte, würde ich annehmen, dass sie letzteres anstrebt.

Für die Demokraten muss es jetzt schon darum gehen, sich für die nächsten Wahlen aufzustellen – die Zwischenwahlen finden 2026 statt.

Van de Laar: Richtig. Sie wären schlecht beraten, wenn sie erneut in die frontale Opposition zu Donald Trump gehen würden. Das letzte Mal, als er ins Weiße Haus eingezogen ist, hatte er 41, maximal 43 Prozent persönlichen Zuspruch in der Bevölkerung. Aktuell liegt er bei bis zu 49 Prozent. Jetzt als Widerstand aufzutreten gegen jemanden mit solchen Umfragewerten, wäre grundfalsch.

Lassen Sie uns auf Trumps Personalpolitik schauen: Sollte Pete Hegseth tatsächlich Verteidigungsminister werden, trotz aller Kritik?

Van de Laar: Dieses Kabinett sagt aus: Trump ist der Auffassung, dass er eine Truppe von hundertprozentigen Loyalisten braucht. Im Nachhinein betrachtet er es als Fehler seiner ersten Amtszeit, Politikerinnen und Politiker aus dem Establishment mit reingeholt zu haben. Jetzt hat er nur noch Leute dabei, die gut aussehen, die sich im Fernsehen zu verkaufen wissen, die laut sind. Mit denen glaubt er, das Land am deutlichsten umkrempeln zu können. Und darum geht es ihm. Er hat ein Mandat bekommen, um einen Wandel zu erzielen, und jetzt pickt er sich die Leute heraus, die er braucht, um das durchzusetzen.

Im Fall von Pete Hegseth gibt es große Zweifel, ob er in der Lage sein wird, eine so große Behörde wie das Pentagon zu führen…

Van de Laar: Zu Recht. Aber wäre ich Trumps Pressesprecher, würde ich argumentieren: Schauen Sie sich an, wie der Laden aktuell geführt wird! Wir sehen überall „woke-ism“ in den Institutionen, überall wird Geld zum Fenster rausgeworfen – schlechter als jetzt geht es doch gar nicht mehr, lasst uns den Vorschlaghammer ansetzen. Hegseth ist immerhin ein dekorierter Kriegsveteran und hat zwei Spitzenuniversitäten besucht. Dass jemand wie er, mit einer Geschichte von Alkoholismus und sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen, nicht qualifiziert ist, eine Behörde zu leiten, die 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verschlingt, 900 Milliarden Dollar, das steht außer Frage. Aber: In den vergangenen zehn Jahren konnte jeder sehen, wofür Trump steht und mit welchen Leuten er sich umgibt. Er hat die Wahl gewonnen. Deshalb kann er jetzt natürlich reklamieren: Ich will genau dieses Team haben.

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Wie stehen die Chancen, dass jemand wie Hegseth tatsächlich vom Senat bestätigt wird?

Van de Laar: Man braucht 50+1 Stimme, also 50 und die des Vizepräsidenten. Das Spannende ist das sogenannte recess appointment. Dabei kann man Personalien in Abwesenheit des Senates durchsetzen, basierend auf einem Urteil des Obersten Gerichts von 2014. Die Idee dahinter ist, dass der Präsident handlungsfähig sein muss, auch wenn die Senatoren über einen längeren Zeitraum nicht in Washington sind. Das ist eigentlich nie der Fall. Trump sagt nun, er möchte, dass der Senat zu Beginn seiner Amtszeit zehn Tage nicht anwesend ist. Er spekuliert darauf, dies den Republikanern im Senat abringen zu können, sodass er in dieser Phase seine Leute durchdrücken kann. Ob das notwendig ist? Man weiß es nicht. Manche seiner Kandidaten wird er ohne diesen Schritt durchsetzen können.

Wie ist Trumps Verhältnis zu Musk aktuell zu bewerten? Es ist ja binnen weniger Monate fast zu einer familiären Beziehung geworden…

Van de Laar: Ja, er hat zu Thanksgiving in Mar-a-Lago mit Trump, Melania und Barron an einem Tisch gesessen. Dahinter steckt ein Kalkül: Musk weiß, dass er von Trump profitieren kann. Man sieht es an seinen Aktiengewinnen – da waren die 200 Millionen Dollar Wahlkampf-Hilfe ein relativ kleiner Preis. Auch Trump weiß, was er an Musk hat. Nicht nur, dass der Tesla-Mann ihn finanziell unterstützt hat – Trump konnte die Erfolgsgeschichte Musks als seine eigene verkaufen. Jetzt gibt es eine pragmatische Herangehensweise: Musk könnte qua Posten störende Regulierungen aufheben, sowohl für SpaceX als auch für Tesla, also etwa mehr Tunnel bohren oder das autonome Fahren ausbauen. Damit würde er seine technologische Herrschaft ausweiten. Trump sagt seinerseits: Wenn es Musk gelingt, die angekündigten 2000 Milliarden US-Dollar aus dem Haushalt rauszukürzen, dann ist das eine Erfolgsgeschichte. Er hat ihm zwei Jahre dafür gegeben, bis zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli 2026. Wenn Musk scheitert, kann Trump sagen: Selbst er hat es nicht hinbekommen, ich muss ihn feuern. Gelingt es Musk, wird Trump sicher einen weiteren Job für ihn finden.

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Welche Optionen hat Musk, sein Schrumpf-Ziel zu erreichen?

Van de Laar: An manche Posten im Haushalt kommt er nicht ran. Etwa 55 Prozent des Budgets sind fest verplant, die Renten und Pensionen, Ausgaben für die Verteidigung, Botschaften im Ausland… Musk und sein Mit-Berater Vivek Ramaswamy haben aber teilweise kreative und zugleich krude Ideen, wie man solche Behörden dennoch reduzieren kann.

Zum Beispiel?

Van de Laar: Ramaswamy schlug vor, all diejenigen Mitarbeiter zu entlassen, deren Sozialversicherungsnummer mit einer ungeraden Zahl endet. Kein Witz! Außerdem wollen sie die Axt an die Corona-Privilegien setzen – kein Homeoffice mehr. Für viele Leute könnte das ein echtes Problem werden. Und, ein letztes Beispiel: Sie denken darüber nach, Behörden aus Washington weg zu versetzen. Was macht jemand, der vor die Wahl gestellt wird, mit der ganzen Familie von Washington nach Montana oder Iowa zu ziehen? Vermutlich wird er kündigen.