Berlin. Wenigstens die Außenministerin hat den Mut: Höchste Zeit, über die deutsche Rolle zur Friedenssicherung in der Ukraine zu reden.
Müssen Bundeswehr-Soldaten bald zum Friedenseinsatz in der Ukraine ausrücken? Außenministerin Baerbock hat das zwar nicht ausdrücklich gefordert. Aber sie hat klargemacht, was eher früher als später auf Deutschland zukommen dürfte: Die Erwartung, dass wir uns zusammen mit anderen Staaten nach Kriegsende an der Sicherung eines Waffenstillstands beteiligen. Damit löst die Ministerin nun heftige Reaktionen aus. Verantwortungslosigkeit wirft ihr CDU-Chef Merz vor. Der Kanzler tut so, als habe Baerbock nur aus Versehen eine Debatte losgetreten. Beides ist falsch.
Die Kritik an der Außenministerin ist unfair, in der Sache daneben, sie nährt Zweifel am Niveau der sicherheitspolitischen Diskussion hierzulande. Über eine internationale Friedensmission wird in Berlin und anderen Hauptstädten schon länger nachgedacht und inzwischen intensiver gesprochen. Als Baerbock vor Wochen im Expertenkreis erstmals den Vorstoß wagte, erhielt sie deshalb auch nur Zuspruch. Zu Recht. Gewiss, niemand weiß, wann die Waffen in der Ukraine schweigen. Aber durchaus denkbar, dass dieser Krieg zügig am Verhandlungstisch beendet wird, wenn ein US-Präsident Trump die Daumenschrauben anzieht.
Kiew wird womöglich vorübergehend auf Gebiete verzichten müssen. Ein schweres Opfer, das halbwegs akzeptabel nur wäre, wenn die Ukraine wenigstens Sicherheitsgarantien für das Überleben als souveräner Staat bekommt: Es braucht Gewissheit, dass Russland nicht nach einer Atempause seine Angriffe fortsetzt. Nato-Mitglied wird die Ukraine so schnell wahrscheinlich nicht werden, deshalb muss es auch andere Lösungsansätze geben. Wie genau sie aussehen, hängt von den Verhandlungen ab. Aber ein Element könnte eine Friedensmission unter dem Dach, zum Beispiel der Vereinten Nationen, sein. Eine Überwachung an der Kontaktlinie? Eine Truppenstationierung in der Pufferzone? Russland müsste zustimmen.
Und möglichst viele Staaten sollten mit ins Boot, auch solche aus dem globalen Süden, Indien etwa oder die Golfstaaten. Der Anspruch Europas muss es aber gleichzeitig sein, bei der Konfliktlösung an seiner Ostflanke eine wichtige Rolle zu spielen, statt den USA das Feld zu überlassen. Ein Platz am Verhandlungstisch bekommt die EU indes nur, wenn sie einen eigenen Beitrag anbieten kann – drückt sie sich, wäre dies das Ende aller geopolitischen Ambitionen.
Dass die Bundeswehr nicht in einen Einsatz geschickt werden darf, der in einen Krieg mit Russland mündet, ist selbstverständlich. Aber genauso klar ist: Deutschland als größter EU-Staat kann sich nicht wegducken. Die Kritiker etwa aus der Union wissen das. Sie nehmen Baerbock nur übel, dass sie das jetzt öffentlich ausspricht. Seltsam: Es ist bald Bundestagswahl – und eine zentrale Frage der Sicherheitspolitik soll zum Tabu erklärt werden? Umgekehrt wird ein Schuh daraus.
Wir sollten jetzt eine offene Debatte über das führen, was da auf uns zukommt. Mit einem Waffenstillstand in der Ukraine ist Deutschlands Verantwortung nicht zu Ende. Die Friedenssicherung in Osteuropa, mit einem aggressiven Russland vor der Tür, wird über viele Jahre eine Herausforderung bleiben. Die Frage, welchen Beitrag die Bundeswehr leisten kann und welche Bedingungen erfüllt sein müssten, könnte sich sehr schnell stellen. Deutschland muss sich zügig ehrlich machen. Dafür braucht es eine aufgeklärte Öffentlichkeit, nicht ängstliche Geheimniskrämerei. Gut, dass wenigstens die Außenministerin den Mut hat, Klartext zu sprechen.
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