Berlin. Der Einsatz nordkoreanischer Soldaten an Russlands Seite ist gegen die Interessen Chinas. Wie lange lässt sich Xi Jinping das gefallen?
Der G20-Gipfel in Rio de Janeiro ist ein Desaster für die Ukraine. In den Sitzungen sprachen viele Länder den Krieg in Europa nicht an, in der Abschlusserklärung wird die Ukraine nur ein einziges Mal erwähnt. Eine Verurteilung des russischen Angriffskriegs findet sich in dem Text nicht. Die Unterstützer der Ukraine um Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden konnten mehr nicht ausrichten, sie sind in der Runde in der Minderheit. Wichtige Staaten wie Gastgeber Brasilien, Südafrika und Indien verhalten sich neutral und die asiatische Supermacht China unterstützt Russlands Staatschef Wladimir Putin.
Nach inzwischen 1000 Tagen Krieg häufen sich die schlechten Nachrichten für die Ukraine. Die ukrainischen Truppen sind militärisch in der Defensive. US-Präsident Biden ist nur noch wenige Wochen im Amt, die politische Zukunft von Bundeskanzler Scholz ist ungewiss. Die Unterstützung des Westens droht durch die Wahl von Donald Trump in den USA drastisch einzubrechen, während Russland militärische Hilfe von Iran und Nordkorea erhält. Zudem mehren sich die Hinweise, dass auch China entgegen öffentlicher Beteuerungen Putin stärker unterstützt als bisher befürchtet.
Nordkoreas Soldaten für Putin: Scholz spricht mit Xi darüber
Die Partner der Ukraine kritisieren schon lange, dass China Russland mit Produkten beliefert, die neben einem zivilen Zweck auch kriegerischen Zielen dienen können. Der jüngste Verdacht: Russland setzt in China hergestellte Drohnen gegen die Ukraine ein. „Das muss und wird Konsequenzen haben“, warnte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Scholz kam am Dienstag am Rande des Gipfels in Rio zu einem rund halbstündigen Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping zusammen. Im Vorfeld hatte Scholz angekündigt, Xi abermals auf die Lieferung von militärisch nutzbaren Gütern anzusprechen.
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Der Bundeskanzler brachte nach Angaben aus Regierungskreisen zudem den Einsatz nordkoreanischer Soldaten an der Seite der russischen Truppen gegen die Ukraine zur Sprache und warnte abermals vor einer „Eskalation“. Nordkoreas Diktator Kim Jong-un soll rund 10.000 Soldaten nach Russland geschickt haben, um seinen Waffenbruder Putin zu unterstützen. Im Gegenzug soll Kim aus Russland Geld, Waffen und Unterstützung etwa bei der Entwicklung von Raketen erhalten.
Kriegspakt mit Kim: Verspielt Putin damit Chinas Unterstützung?
Die Bundesregierung sieht in der Entsendung der Nordkoreaner eine brandgefährliche Entwicklung, weil sich der Kreis der aktiv an dem Krieg in Europa beteiligten Staaten damit auf Asien ausweitet. „Das kann und darf nicht sein“, sagte Scholz in Brasilien. Dies sei eine Entwicklung, „auf die es eine klare Gegenäußerung geben muss“. Das war als Aufforderung an Xi zu verstehen, denn möglicherweise geht Putin mit dem Einsatz der nordkoreanischen Soldaten selbst nach dem Geschmack des Verbündeten China zu weit.
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Auf dem Gipfel wurde nicht nur die Entscheidung von US-Präsident Biden, der Ukraine den Einsatz von Raketen des Typs ATACMS gegen militärische Ziele weit auf russischem Gebiet einzusetzen, als Reaktion auf den Einsatz der nordkoreanischen Kämpfer gedeutet. US-Außenminister Antony Blinken hatte wenige Tage vor der Entscheidung der Regierung in Washington eine „harte Antwort“ angekündigt. Der Regierung in Moskau zufolge feuerte die Ukraine am Dienstag erstmals sechs
ATACMS-Raketen auf russisches Territorium.
Experten: Nordkoreas Beteiligung am Ukraine-Krieg verstößt gegen Chinas Interessen
Die aktive Beteiligung der Atommacht Nordkorea an dem russischen Krieg in der Ukraine verstößt nach Einschätzung von Beobachtern auch massiv gegen Pekings Interessen. Dass Wladimir Putin und Kim Jong-un dennoch diesen Pakt eingingen, kratzt an Xis Autorität. China galt lange als Schutzmacht und einziger Verbündeter der international isolierten Diktatur auf der koreanischen Halbinsel. Mithilfe Putins befreit sich Kim nun aus dieser Lage und gewinnt auch militärisch an Gewicht.
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Die Hilfe aus Nordkorea war von den Verbündeten der Ukraine als Zeichen der Schwäche Russlands interpretiert worden. Dass der Machthaber im Kreml den Ärger Chinas in Kauf nimmt, könnte ein weiterer Hinweise sein, wie ernst die Lage ist.
China könnte Russland und Nordkorea mit Lieferstopp bestrafen
Obwohl China Russlands Krieg in der Ukraine unterstütze, könne die Regierung in Peking die Entwicklung „nicht im Geringsten“ gutheißen, heißt es in einer aktuellen Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Zum einen sieht sich die Volksrepublik derzeit ganz offensichtlich mit der Realität konfrontiert, dass sie Einfluss auf Pjöngjang verliert, während Russland an Einfluss gewinnt.“ Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Zuspitzung der Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel eine noch stärkere militärische Präsenz der USA und ihrer Verbündeten in der Region nach sich ziehe.
Putin und Kim sorgen mit ihrem gemeinsamen Waffengang also möglicherweise für Unruhe in einer Region, die China als ihr Einflussgebiet sieht. „Dennoch war Pekings Reaktion auf Nordkoreas aktive Mitwirkung an Russlands Krieg bis dato sehr zurückhaltend“, analysiert die Stiftung Wissenschaft und Politik weiter. „Dies könnte sich jedoch ändern, sollte die Kooperation zwischen Nordkorea und Russland dazu führen, dass China den Status quo auf der koreanischen Halbinsel bedroht sieht.“ In einem ersten Schritt könnte Peking demnach kein Petrolkoks mehr nach Nordkorea und Russland liefern, das zur Herstellung von Munition verwendet werden kann.
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