Berlin. Die EU feiert sich als großer Ukraine-Unterstützer. Gleichzeitig füllt sie durch Gasimporte Putins Kriegskasse. Das grenzt an Heuchelei.
Politik ist oft eine Sache des Timings, der Krieg ebenso. Fast zwei Wochen nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat Kremlchef Wladimir Putin seine Kriegsmaschinerie noch einmal hochgefahren. In der Nacht zum Sonntag gab es die heftigsten Luftangriffe gegen die Ukraine seit Beginn der russischen Invasion. 120 Raketen und 90 Drohnen nahmen Städte sowie Energieanlagen ins Visier. Dass Polen an der Grenze zur Ukraine vorsichtshalber Kampfjets aufsteigen ließ, zeigt, wie massiv die Attacken waren.
Putins Brutalo-Logik ist klar: Er will den Durchhaltewillen der Ukrainer brechen. Das Land soll ihm wie eine reife Frucht zufallen. Die Minimalziele: Anerkennung der fünf annektierten Gebiete als russisches Territorium, keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, Installierung eines moskauhörigen Regimes in Kiew.
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Putin bombardiert die Ukraine noch brutaler und nimmt riesige Verluste in Kauf
Putin will die Gunst der Stunde nutzen. In der Erwartung, dass Trump bei den Militärhilfen für die Ukraine den Stecker zieht und die Europäer nicht voll einspringen, bombardiert er noch brutaler und noch flächendeckender. Putins Kalkül könnte aufgehen. Die russischen Verbände erobern im Donbass ein Dorf nach dem anderen. Die riesigen Verluste nimmt er kalt lächelnd in Kauf.
Der Kremlchef weiß: Die Zeit läuft für ihn. Dass ihn Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich per Telefon aufforderte, seine Truppen zurückzuziehen und in einen „gerechten und dauerhaften Frieden“ einzuwilligen, ist in Putins Polit-Zynismus bestenfalls naiv. Scholz kämpft derzeit um sein politisches Überleben. Sein Anruf in Moskau gut drei Monate vor der Bundestagswahl hat wohl eher mit dem Versuch zu tun, sein angekratztes Image mit dem Nimbus des „Friedenskanzlers“ aufzupolieren.
Die traurige Wahrheit ist: Nicht nur Scholz, auch die Staats- und Regierungschefs in den USA, Frankreich und Großbritannien haben es versäumt, der Ukraine zu erlauben, die militärischen Ziele in Russland anzugreifen, von denen sie selbst attackiert wird. Putins Dampfwalze des Krieges ist somit unaufhaltbar.
EU-Sanktionspolitik: Es gibt viele gegenläufige Geschäftsinteressen
Die Europäische Union unterstützt die Ukraine – aber nicht so, dass sie den Krieg gegen den Aggressor gewinnen oder zumindest aus einer Position der Stärke verhandeln kann. Sie geißelt Putin mit harscher Rhetorik. Sie verhängte eine Vielzahl von Sanktionspaketen. Die Ukraine bekam Waffen für viele Milliarden Euro. Russland soll international isoliert, Putins Kriegskasse leergebrannt werden, lautet die knallharte Botschaft aus Brüssel.
Es hört sich alles gut an, ist aber leider inkonsequent. Hinter der moralisch unterfütterten Russlandpolitik der EU verbirgt sich ein Schattenreich gegenläufiger Geschäftsinteressen. Nicht nur, dass die Gemeinschaft ein halbherziges Ölembargo gegen Russland verhängt hat – mit Ausnahmen etwa für Ungarn oder die Slowakei.
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Europäische Länder füllen Putins Kriegskasse mit Gasimporten
Beim Gas gibt es überhaupt keinen Einfuhrstopp. Länder wie Belgien, Spanien, Ungarn oder Frankreich beziehen seit Kriegsbeginn weiter große Mengen Gas aus Russland, das dann auch nach Deutschland fließt. Moskau verdient dadurch viele Milliarden Euro – Geld, das vermutlich auch für die Militäraktion in der Ukraine eingesetzt wird.
Es ist wohl richtig, dass viele Gasverträge bereits vor dem russischen Einmarsch abgeschlossen worden sind. Aber gäbe es bei der EU den politischen Willen für ein flächendeckendes Gas-Importverbot, würde Brüssel das durchziehen. Da dies nicht geschieht, ist Europas Sanktionspolitik gegen Putin nicht glaubwürdig. Die Gasgeschäfte haben mehr als ein Gschmäckle. Sie grenzen an Heuchelei. Die EU ist nicht die moralische Großmacht, die sie vorgibt zu sein.
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