Madrid. Spanien ist beliebt bei deutschen Rentnern, das ist bekannt. Dass seit geraumer Zeit viele Polen dazu kommen, hat einen besonderen Grund.
Sorge ums Geld, Sorge um die Sicherheit: Spätestens mit Beginn des Ukraine-Kriegs ist Spanien zum bevorzugten Investitionsziel für Immobilienkäufer aus Polen geworden. Das polnische Interesse an Haus- und Wohnungskäufen auf der iberischen Halbinsel hat sich vervielfacht. Besonders beliebt sind die Costa Blanca und die Costa del Sol am Mittelmeer sowie die Kanarischen Inseln im Atlantik. In diesen Regionen, die für ihre Strände und ihre vielen Sonnentage berühmt sind, gehört Polen mittlerweile zu den wichtigsten internationalen Kundenmärkten.
„In den letzten beiden Jahren sind Polen und Käufer aus Osteuropa stark in Erscheinung getreten, sicherlich als Reaktion auf den Krieg“, heißt es im Marktbericht der Immobilienagentur Panorama in der Costa-del-Sol-Stadt Marbella. Hinzu komme der Wunsch nach einem Ortswechsel aus dem kühlen Osten in ein wärmeres Klima „am südlichsten Zipfel Europas und weit entfernt von den Problemen und potenziellen Gefahren Mitteleuropas“.
Marcin Borski, Chef der polnischen Immobilienagentur Casa En Sol in Warschau sieht dies ähnlich. Der Ukraine-Krieg sei ein wichtiges Motiv für das große Interesse seiner Landsleute an einem Eigenheim in Spanien, aber auch das schöne Wetter spiele eine Rolle. Borski war früher in Polen ein prominenter Profi-Schiedsrichter und pfiff bei der Fußball-EM 2012. „Hier ist es das halbe Jahr lang kalt und düster, daher war es eine Frage der Zeit, dass die Polen anfangen würden, ihre Zweitwohnungen in Südeuropa zu kaufen“, bekannte er gegenüber der polnischen Sportzeitung „Przegląd Sportowy“.
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Spanien: Immobilienpreise überraschen – und animieren Osteuropäer
„Spanien ist angesichts der Unsicherheit in Mittel- und Osteuropa zu einem sicheren Hafen geworden“, begründet das polnische Maklerbüro Agnes Inversiones in Marbella die Kauflust. Viele Polen wollten ihr Vermögen geografisch verteilen. Auch das Homeoffice habe polnische Bürger dazu ermutigt, eine Wohnung oder ein Haus am Mittelmeer zu kaufen – nicht nur als Feriendomizil, sondern auch als neuen, dauerhaften Wohnort.
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Spanien sei eine gute Wahl, um Ersparnisse anzulegen, sagen die polnischen Experten. Die iberischen Haus- und Wohnungspreise seien, verglichen mit dem polnischen Immobilienmarkt, recht günstig. Laut Eurostat stiegen die Immobilienpreise in Polen innerhalb eines Jahres um 13 Prozent, in Spanien hingegen nur um 4,3 Prozent. Mit dem Ergebnis, dass der Quadratmeter in Warschau oftmals schon mehr koste als an Spaniens Küsten.
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„Die Hälfte der Kunden sagt uns, dass sie über zwei Dinge nachdenken: Wo man sicher Geld investieren und wohin man im Kriegsfall fliehen kann“, berichtet der Warschauer Makler Sebastian Pawlak in Polens nationaler Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Sein Kollege Alfredo Izquierdo sagt: Früher hätten vor allem wohlhabende und ältere Polen nach Immobilien in Spanien gesucht. Jetzt kämen auch mehr jüngere Leute mit einem kleineren Budget: „Sie haben 150.000 Euro gespart und fragen, ob ich dafür etwas finden kann.“
„Immer mehr Menschen in Polen haben das Gefühl, dass es besser ist, das Geld im Ausland anzulegen“, bestätigt ein polnischer Insider, der schon vor Jahren nach Spanien auswanderte. Denn wenn der Krieg doch noch auf Polen überspringe, dürfte auch der dortige Immobilienmarkt leiden. Zudem gebe es inzwischen viele und tägliche Flugverbindungen zwischen Polen und Spanien, was den Erwerb einer Immobilie in Südeuropa zusätzlich interessant mache.
Die Kapitalflucht und die Suche nach „Fluchtimmobilien“ in Spanien, das rund 2000 Kilometer Luftlinie von Warschau entfernt liegt, spiegelt sich in der Statistik. 2021, vor Kriegsbeginn in der Ukraine, wurden 1309 spanische Immobilien von polnischen Bürgern erworben. 2023 waren es dann schon 3120 Häuser und Wohnungen, also mehr als zweimal so viel – Tendenz weiter stark steigend. Gegenüber 2018, als 752 spanische Immobilienobjekte an polnische Investoren veräußert wurden, hat sich das Interesse mehr als vervierfacht.
Spanien: Polen und Ukrainer kaufen Immobilien – kurioser Effekt
Seit Polen vor 20 Jahren in die EU aufgenommen wurde, hat das Land wirtschaftlich aufgeholt. Es ist inzwischen – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – nach Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden die sechstgrößte Wirtschaftsmacht der EU. „Die polnische Gesellschaft ist in den letzten Jahren reicher geworden“, bestätigt Immobilienfachmann Borsk.
So wundert es wenig, dass die Polen laut spanischem Grundbuchregister mittlerweile 3,57 Prozent aller nicht-spanischen Käufer stellen. Damit rücken polnische Bürger im Ranking ausländischer Immobilieninvestoren auf Platz neun. Vorn liegen immer noch Briten mit 9,5 und Deutsche mit 7,3 Prozent. Auf Platz zehn dieser Rangliste befinden sich gleich hinter den Polen die Russen. Und dies trotz EU-Sanktionen, mit denen Geldabflüsse aus Russland erschwert, Oligarchen-Konten blockiert und Visahürden errichtet wurden.
Den Russen folgen dicht die Ukrainer, die ebenfalls auf intensiver Suche nach Immobilien in Spanien sind – in jenem Land, das 300.000 ukrainische Flüchtlinge aufnahm. Die große Nachfrage nicht nur aus Polen, sondern aus dem gesamten Osten hat mancherorts kuriose Folgen: In nicht wenigen spanischen Ferienorten wie etwa in der Osteuropa-Hochburg Torrevieja (Costa Blanca) mit 100.000 Einwohnern leben heute Tausende Polen, Ukrainer und Russen Tür an Tür.
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