Rom. Die Regierung Meloni macht ernst: Subventionen für Solaranlagen werden gekürzt, neue Kernkraftwerke sollen entstehen. Für Italien ist es ein Tabubruch.
Dass Italienerinnen und Italiener generell skeptisch gegenüber der Atomkraft sind, lässt sich nach zwei nicht bindenden Volksabstimmungen kaum bestreiten: 1987 stimmten im Nachgang des Tschernobyl-GAU 80 Prozent gegen den Neubau von Kernkraftwerken, 2011 waren es gar 90 Prozent. In Umfragen überwiegt noch immer eine Abwehrhaltung gegenüber Nuklearenergie. Dennoch wächst in der italienischen Wirtschaft und in der Politik der Druck für eine Umkehr.
Die Industriellen sprechen klare Worte. „Energie ist ein wesentlicher Aspekt für ein Land und Italien muss seine Energieautonomie erhöhen. Erneuerbare Energien sind zwar willkommen, aber eine Mischung der Energiequellen ist der richtige Weg, den wir beschreiten müssen. Wir müssen wieder über die Kernenergie sprechen, denn wenn wir heute damit anfangen, werden wir erst in elf, oder zwölf Jahren in der Lage sein, Atomenergie zu erzeugen“, fordert der Chef des Industriellenverbands Confindustria Emanuele Orsini.
Italiens Industrielle wollen zurück zur Atomenergie – und verweisen auf Kosten
Italienische Großunternehmen seien bereit, Platz in ihren Konzernen für Mikroreaktoren der neuen Generation zu schaffen. Denn inzwischen sind einige Industriesektoren aufgrund des Anstiegs der Energiepreise in Schwierigkeiten geraten. „Unsere Wettbewerbsfähigkeit hängt von der Energie ab. Die Kosten sind in einigen Sektoren von zentraler Bedeutung“, sagte der Industriellenchef und verwies auf den Kostenunterschied zwischen Italien und Spanien, etwa 80 Euro pro Kilowattstunde gegenüber 16 Euro.
Erneuerbare Energien sind laut Italiens Industriellen nicht die Lösung. „Sie hängen von Sonne und Wind ab, während es einen ständigen Bedarf an konstanter Energie gibt“, fügte Orsini hinzu. Diese könne von der Atomenergie garantiert werden.
Regierung von Meloni will Atom-Bann aufheben
Die letzten Atomkraftwerke wurden in Italien 1990 nach einem Referendum stillgelegt. 2009 hatte der damalige Regierungschef Silvio Berlusconi angekündigt, wieder in die Kernkraft einsteigen zu wollen, legte sein Vorhaben nach der Katastrophe von Fukushima aber auf Eis. 2011 sprachen sich rund 94,5 Prozent der Italiener in einem weiteren Referendum gegen den Bau neuer Atomkraftwerke aus.
Der Wind hat sich aber seit dem Amtsantritt der Rechtspopulistin Giorgia Meloni vor zwei Jahren und dem Ukraine-Konflikt gedreht. Im Mai 2023 stimmte das Parlament in Rom einer Vorlage der Regierung Meloni zu, die den Bann der Kernenergie aufheben möchte, um den CO2-Ausstoß zu senken. Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin äußerte sich kürzlich über die Aussicht, bereits in zehn Jahren SMR-Kleinreaktoren einsetzen zu können. Diese sollen mehr Sicherheit und eine dezentrale Versorgung gewährleisten.
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Subventionen für Solarstrom gekürzt, Bann für Atomenergie soll fallen
Zwei Monate zuvor hatte Melonis Regierung die Subventionen für Solaranlagen – insbesondere auf landwirtschaftlichen Flächen – gekürzt. Erneuerbare Energien könnten keine Beständigkeit in der Stromproduktion garantieren, sagt Energieminister Fratin: „Wir müssen eine Quote für die Kernenergie einführen“.
Die rechte Regierungspartei Lega setzt sich inzwischen für ein Referendum zum Wiedereinstieg Italiens zur Produktion von Atomenergie ein. Damit könne Italien zur „sauberen Kernenergie der neuesten Generation“ zurückkehren, sagte Matteo Salvini, der Vizepremier und Chef der Lega ist.
Italien sei von Nachbarländern umgeben, die Energie durch Kernkraftwerke erzeugen und damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber italienischen Unternehmen hätten. So sieht es ebenfalls der stellvertretende Ministerpräsident und Außenminister Antonio Tajani, der auch auf eine Harmonisierung der europäischen Regeln im Bereich Stromproduktion drängt. „Wir müssen die saubere Kernenergie vorantreiben, sonst steuern wir in Italien auf einen schrittweisen Niedergang zu“, warnt Tajani.
Folge des Ukraine-Kriegs: Italien muss Energieversorgung diversifizieren
Italien bemüht sich seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts sehr, seine Abhängigkeit von russischen Gasimporten zu verringern und seine Energiequellen zu diversifizieren. So will das Land immer mehr zum Knotenpunkt für Gas- und Ölimporte aus Nordafrika werden. Dies soll über Energiehubs in Tunesien und Ägypten erfolgen, mit denen Italien Partnerschaften abgeschlossen hat, wie aus dem sogenannten Mattei-Plan hervorgeht.
Inhaltlich geht es um die Strategie der Regierung Meloni, die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern zu stärken. Der Plan, der nach dem Gründungspräsidenten des staatlich kontrollierten Öl- und Gaskonzerns Eni, Enrico Mattei (1906-1962), benannt ist, zielt darauf ab, Italien zu einem wichtigen Energieknotenpunkt zu machen, der Gas aus Nordafrika und dem Mittelmeerraum auf den Rest Europas verteilt.
Deutschland und Italien kooperieren bei Wasserstoffprojekten
Auch Wasserstoff soll eine immer wichtigere Rolle für die Energieunabhängigkeit Italiens spielen. Davon will auch Deutschland profitieren. Bundeskanzler Olaf Scholz und Meloni unterzeichneten Ende 2023 in Berlin einen gemeinsamen „Aktionsplan“, mit dem Deutschland und Italien neue Gas- und Wasserstoffpipelines über Österreich sowie eventuell die Schweiz vorantreiben wollen. Die Gaspipeline-Infrastruktur nach Nordafrika soll ausgebaut und die Einfuhr von 10 Millionen Tonnen Wasserstoff bis 2030 realisiert werden.
Italien will auch Erneuerbare Energien stärker fördern. Das Land erhält dank des von der EU finanzierten Wiederaufbauplans 194 Milliarden Euro zu 63 Prozent als zinsgünstige Darlehen. Das Land hat nun damit sieben neue Reformen einzuleiten, darunter schnellere Genehmigungen für erneuerbare Energieprojekte, Subventionsabbau für umweltschädliche Vorhaben und Kostensenkung für den Anschluss an Biomethan-Netzwerke.
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