Berlin. Die Operation „Zitadelle“ war die letzte Großoffensive der Wehrmacht im Osten. Die Schlacht spielt auch im aktuellen Krieg eine Rolle.
Die Kursk-Offensive ist ein Überraschungserfolg für die Ukraine – und eine schwere Schlappe für Putin. Doch der Einmarsch der ukrainischen Armee in die russische Region folgt nicht nur den Regeln der militärischen, sondern auch der psychologischen Kriegsführung. Für Russland ist dies ein Gebiet von höchster symbolischer Bedeutung.
Hier scheiterte im Sommer 1943 der letzte Versuch der deutschen Wehrmacht, im Russlandfeldzug noch einmal in die Offensive zu kommen. Es war ein strategischer Wendepunkt, von dem an sich die Deutschen nur noch im Rückzug und die Rote Armee nur noch im Vormarsch befand. Hier ist der Mythos der Unbesiegbarkeit der sowjetischen Streitkräfte entstanden.
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Dass Russland nun ausgerechnet hier vor den ukrainischen Soldaten zurückweichen muss, dürfte den in großen historischen Dimensionen denkenden Präsidenten Wladimir Putin besonders treffen. Man darf davon ausgehen, dass die Strategen in Kiew ihre Pläne auch in Kenntnis dieser Zusammenhänge entwickelt haben.
Ukraine: Kiew weiß, warum Putin hier besonders empfindlich ist
Wer in Deutschland in den 1950er-, 1960er-Jahren geboren ist, wird sich womöglich noch an Begriffe wie den Kursker Bogen erinnern, die in Erzählungen der Väter aus dem Krieg vorkamen. Er bezeichnete die Stellung der Roten Armee, die hier einen Frontbogen weit in das von den Deutschen besetzte Gebiet getrieben hatte. Der deutsche Plan mit dem Decknamen „Unternehmen Zitadelle“ sah vor, die sowjetischen Verbände dieses Bogens in einer großen Zangenbewegung vom Hinterland abzuschneiden und anschließend zu vernichten.
Nach dem desaströsen Untergang der 6. Armee der Wehrmacht in Stalingrad im vorangegangenen Winter 1943 sollte dies ein letzter Versuch sein, das Blatt an der Ostfront noch einmal zu wenden.
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Für Adolf Hitler ging es bei dem Unternehmen um das Ansehen der deutschen Wehrmacht überhaupt, hier sollte sie zeigen, dass sie noch siegen kann. In seinem Operationsbefehl hieß es: „Die besten Verbände, die besten Waffen, die besten Führer, große Munitionsmengen sind an den Schwerpunkten einzusetzen. Jeder Führer, jeder Mann muss von der entscheidenden Bedeutung dieses Angriffs durchdrungen sein. Der Sieg von Kursk muss für die Welt wie ein Fanal wirken.“ In den Morgenstunden des 5. Juli gab er den Angriffsbefehl.
Kursk-Offensive: Hier tobte die größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs
In den kommenden Wochen entwickelte sich die Schlacht am Kursker Bogen zur größten Panzerschlacht der Geschichte und zur größten Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Knapp 800.000 deutsche Soldaten von Wehrmacht und SS mit fast 2500 Panzern, 7500 Artilleriegeschützen und 1400 Flugzeugen sollten die Entscheidung erzwingen. Doch ihnen standen doppelt so viele Sowjetsoldaten mit fast 5000 Panzern und Sturmgeschützen sowie 3600 Flugzeugen gegenüber.
Zwar verfügten die Deutschen über bessere Waffen und eine ausgeklügelte Taktik, doch die Übermacht der sowjetischen Streitkräfte mit ihren tief gestaffelten Stellungen und Minenfeldern verhinderten ein zügiges Vorankommen der deutschen Soldaten. Lediglich an einer Stelle im Süden gelang es ihnen, die sowjetische Front etwa 50 Kilometer tief einzudrücken.
Bei dem Ort Prochorowka fand dann am 11. und 12. Juli die größte Panzerschlacht des Krieges statt. Um die größere Reichweite und Durchschlagskraft der deutschen Panzerkanonen zu unterlaufen, fuhren die sowjetischen Panzerkommandanten mit hohem Tempo auf die deutschen Tanks zu, um sie in Nahkämpfe zu verwickeln. Nach Augenzeugenberichten umkreisten sich gegnerische Panzer auf engstem Raum, rammten sich und schossen sich gegenseitig ab. In der sowjetischen Propaganda wurde die Panzerschlacht von Prochorowka als Sieg der Roten Armee verklärt, die tatsächlich aber verheerende Verluste erlitt. Doch trotz ihrer Überlegenheit gelang es auch den deutschen Verbänden nicht, hier den Kursker Frontbogen wie geplant abzuschneiden.
Hitlers Armee musste sich zurückziehen – der Wendepunkt des Krieges
Zeitgleich durchbrachen sowjetische Soldaten im Norden des Bogens die deutschen Linien und starteten eine Großoffensive in Richtung Donezk, was auf deutscher Seite zum Abbruch des ganzen Unternehmens führte. Ihre Truppen mussten den Rückzug antreten, der schließlich erst am 8. Mai 1945 mit der Kapitulation in Berlin endete.
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So wurde das Fanal von Kursk zum Gegenteil dessen, was Hitler erhofft hatte, es wurde ein Fanal für die siegreiche Rote Armee. Wenn nun die ukrainischen Truppen ausgerechnet auf diesem Boden den Ruhm der in dieser Tradition stehenden russischen Armee ankratzen, könnte man auch das als eine Art Fanal in Richtung Moskau verstehen.
Insgesamt verloren auf den Schlachtfeldern am Kursker Bogen und der folgenden deutschen Rückzugsgefechte 1,2 Millionen sowjetische und 200.000 deutsche Soldaten ihr Leben. Während diese Männer in der Sowjetunion und in Russland als Helden verehrt wurden und werden, verband sich in deutschen Familien mit dem Begriff Kursker Bogen, wenn überhaupt, die Erinnerung an grauenhaftes Leiden in einer monströsen Schlacht und Niederlage.
In der DDR sahen Millionen in den 1950ern den eindringlichen Kinofilm „Feuersturm“ über die Schlachten am Kursker Bogen, eine Co-Produktion der DDR, Polens, Italiens und der Sowjetunion. Auch das mag eine Erfahrung sein, die die unterschiedliche Sichtweise vieler Ost- und Westdeutscher auf den neuerlichen Krieg in genau diesen Gebieten erklären hilft.
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