Hamburg. Zweite Bürgermeisterin geht hart mit Scholz, Lindner und Habeck ins Gericht. Sie verrät neue Grünen-Strategie – und will Medien retten.
- Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank kritisiert im Gespräch das Verhalten der FDP
- Außerdem spricht die Grünen-Politikerin über die Reibereien im rot-grünen Hamburger Senat
- Zudem bereitet ihr die Entwicklung bei Presse und Medienunternehmen Sorge
Nein, optimal läuft es derzeit wirklich nicht für die Grünen. Das Chaos in der Ampel-Bundesregierung, der Abwärtstrend in den Umfragen und der gleichzeitige Aufwind für die AfD wird auch in Hamburg mit wachsendem Unbehagen beobachtet. „Streitende Regierungen sind nicht gut für die Demokratie, da wenden sich die Menschen eher ab“, sagte die grüne Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank jetzt im Gespräch mit dem Abendblatt mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen.
„Was ich stark kritisiere, ist das ständige Schlechtreden vom eigenen Koalitionspartner in Berlin. Das schadet dem Vertrauen, weil keine Geschlossenheit gezeigt wird, und in meinen Augen ist es ein richtiges Foulspiel der FDP, was da wiederholt passiert bei unterschiedlichen politischen Fragen, die wir gerade in Berlin diskutieren. Davon profitiert die AfD.“
Ampelchaos: „Olaf Scholz spielt keine gute Rolle. Er lässt all das einfach so laufen“
Mit Blick auf das öffentliche Erscheinungsbild der Dreierkoalition spiele SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz „keine gute Rolle“, sagte Fegebank. „Man fragt sich mittlerweile, welche Rolle er eigentlich hat und wie verantwortlich er sie wahrnimmt und warum er all das so laufen lässt – auch zu dem Preis, dass man als zerschnittener Haufen dasteht.“
Dabei nimmt Fegebank auch die eigenen Parteifreunde in der Bundesregierung von der Kritik nicht gänzlich aus. „Es stimmen ja grundsätzlich alle zu, dass wir den Klimawandel stoppen müssen. Aber wenn es konkret wird, dann muss man mehr erklären und die Leute mehr mitnehmen und ihnen vor allem auch die Sorge davor nehmen, dass eine notwendige Veränderung im Sinne des Klimaschutzes nicht sozialen Abstieg bedeutet.“ Zugleich profitiere die AfD „auch von einer CDU, die zuletzt offen rechte Sprüche und Narrative aufgreift und diese damit salonfähig macht“.
Rot-Grün in Hamburg: „Wir rudern in dieselbe Richtung, auch wenn es mal scheppert“
Zur Frage, ob es klug sei, dass auch die rot-grüne Hamburger Koalition immer wieder Meinungsverschiedenheiten öffentlich austrage, sagte Fegebank: „Nein, das ist nicht klug, aber mein Eindruck ist, dass wir in Hamburg etwa im Vergleich zur Ampel in Berlin recht eingeschwungen und harmonisch miteinander arbeiten. Wir sind in den letzten Jahren hier auch als rot-grüner Senat sehr gut gefahren, auch wenn es hin und wieder mal gescheppert hat. Wir wissen, dass wir in einem Boot sitzen und rudern doch auch meistens in dieselbe Richtung.“
Allerdings seien SPD und Grüne „natürlich nicht symbiotisch miteinander verschmolzen, denn als Parteien haben wir unterschiedliche Traditionen und Schwerpunkte“, so Fegebank. „Richtig ist: Die Leute haben keinen Bock darauf, dass sich ihre Regierung auf offener Bühne streitet, und wenn, dann doch lieber Florett statt Säbel.“ Die Menschen erwarteten von ihrer Regierung, „dass sie sich mit ihren Problemen auseinandersetzt und nicht mit den eigenen Befindlichkeiten“.
Fegebank zur Bürgerschaftswahl: „Hamburg braucht dringend Veränderungsimpulse“
Auf die Frage, ob sie 2025 erneut als Bürgermeisterkandidatin antreten wolle, äußerte sich Fegebank nicht. Sie ließ aber durchblicken, dass es unabhängig von der Person der Kandidatin aus ihrer Sicht sinnvoll sei, auch 2025 mit dem Ziel in die Bürgerschaftswahl zu gehen, stärkste Partei in Hamburg zu werden. Das seien „strategische Überlegungen, die man als Partei gemeinsam anstellt“, so Fegebank. „Das werden wir auch zur gegebenen Zeit tun.“
Ihr Eindruck sei, „dass wir gerade hier in Hamburg auch mit der Stärke, die wir haben, die Veränderungsimpulse setzen, die eine Metropole wie Hamburg dringend braucht“, so Fegebank. „Auch Hamburg durchlebt einen Strukturwandel. Der ist nicht so offenkundig wie in der Lausitz oder in Nordrhein-Westfalen, wo man statt auf Kohle jetzt auf neue Technologien setzt. Aber das müssen wir in Hamburg ganz genauso tun. Und da sind es die Grünen, die dann wirklich auch die Kraft für Veränderungen haben.“
Grüne werden wohl auch 2025 gegen die SPD um den Platz 1 in Hamburg kämpfen
Gerade „bei der größten Menschheitsaufgabe, dem Kampf gegen den Klimawandel“, seien die Grünen diejenigen, die vorangingen, so die Zweite Bürgermeisterin. „Deshalb sage ich: Grün und auch noch mehr Grün tut der Stadt gut, und deshalb werden wir uns aus einem Wettbewerb nicht verabschieden.“
Strategisch sei es für die Grünen wichtig, „noch stärker auch als Vollsortimenter wahrgenommen zu werden und die gesamte Bandbreite an Themen abzudecken“. Ihre Partei müsse „eine starke Verankerung in der Mitte der Gesellschaft haben, also ein glaubwürdiger Ansprechpartner für alle Themen und Probleme der Zeit sein“.
Sehr besorgt äußerte sich Fegebank über die Krise der Medien. „Ich sehe es mit großer Sorge, wie gerade in einer Medienstadt wie Hamburg Medienhäuser noch stärker als bisher unter Druck geraten“, sagte Fegebank. Zu Jahresbeginn hatte der Kahlschlag bei Gruner+Jahr für Entsetzen in der Branche gesorgt. Mittlerweile hat die „Bild“-Zeitung die faktische Schließung ihrer Hamburger Regionalredaktion angekündigt, und bei der „Hamburger Morgenpost“ gibt es Pläne, nur noch einmal pro Woche gedruckt zu erscheinen.
Existenzkampf der Medien sei auch für Politik und Demokratie bedrohlich, so Fegebank
Auch für Politik und Demokratie sei die Entwicklung und der wachsende Druck auf die ums Überleben kämpfenden Publikationen bedrohlich. „Ich befürchte, dass der wirtschaftliche Druck dazu führt, dass es immer mehr Crime- oder Society-Berichte geben wird. Und dass weniger Kapazität, Platz und Zeit für gut recherchierte Geschichten oder Beiträge bleibt, die auch mal einen längeren Hintergrund und verschiedene Gespräche zur Grundlage haben“, so Fegebank. „Das erfüllt mich mit ganz großer Sorge, denn wir brauchen eine freie, starke, unabhängige Presse, die aus den verschiedenen Perspektiven – Online wie Print, Radio, und Fernsehen, wirklich auch eine möglichst große Anzahl an Menschen in der Bevölkerung erreicht.“
Der wirtschaftliche Existenzkampf der Medien sei „ein Thema, das mich und uns in der Politik insgesamt umtreibt“, sagte die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin. „Journalisten wie auch Politiker müssen sich zum einen mit dieser neuen Situation auseinandersetzen, sich ein Stück weit auch anpassen. Aber gleichzeitig braucht es natürlich auch Kompass und Orientierung, und ich glaube, das ist die Suchbewegung, in der man sich gerade befindet.“
Medien in der Existenzkrise: „Wir müssen über neue Modelle nachdenken“
Da vor allem politische Berichterstattung es immer schwerer habe, treibe auch Politiker „die Frage um, ob man auch andere Formen der politischen Darstellung finden muss, um auch darüber eine Reichweite zu erreichen oder auch Informationen anders zu transportieren“, so Fegebank. „Wahrscheinlich muss man Politik und politische Verfahren, Prozesse, Entscheidungen ein bisschen niedrigschwelliger, ein bisschen weniger voraussetzungsvoll gestalten, einfacher Dinge erklären.“ Einfach immer mehr Postings bei Social Media abzusetzen sei jedenfalls keine Lösung.
Auf die Frage, ob es angesichts der zuletzt dramatischen Entwicklung bei den privaten Medien irgendwann womöglich andere Modelle zur Finanzierung von Berichterstattung geben müsse, Stiftungen etwa oder eine Teilhabe von Zeitungen und ihren Online-Portalen am Gebührenmodell, sagte Fegebank: „Nicht umsonst werden die Medien ja als vierte Gewalt bezeichnet, und wenn diese vierte Gewalt ihrer Kraft beraubt wird oder nur noch amputiert ihre Arbeit machen kann, dann kann das für eine ohnehin von vielen Seiten angegriffene Demokratie in dieser Zeit nicht gut sein. Deshalb bin ich aufgeschlossen, auch über neue Modelle nachzudenken.“