Hamburg. Die Verbrechenszahlen sind in Hamburg in den ersten fünf Monaten 2023 besorgniserregend gestiegen. Ein Bezirk sticht heraus.

Schon im Vorjahr hatte die Zahl der Straftaten in Hamburg wieder etwas über der der Zeit vor der Corona-Pandemie gelegen. Jetzt nimmt die Kriminalität offenbar noch deutlich stärker zu. So verzeichnet die Hamburger Polizei allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres einen Anstieg um 21,8  Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Jahres 2022.

Insgesamt wurden von Januar bis Mai 2023 in der Hansestadt 104.122 Taten erfasst. Das sind 18.648 Fälle mehr als vor einem Jahr. Betroffen sind nahezu alle Bereiche. Mit einem Plus von 180 Prozent ist der Anstieg bei Sexualstraftaten besonders groß – diese Zahl hat sich demnach beinahe verdreifacht.

Intern hatte die Polizei bereits mit einer derartigen Entwicklung gerechnet. Die Kriminalitätsstatistik ist eine sogenannte „Ausgangsstatistik“. Das heißt: Die Fälle werden zu dem Zeitpunkt gezählt, an dem sie „durchermittelt“ und an die Staatsanwaltschaft übergeben werden. So werden im ersten Quartal in der Regel noch Taten mitgezählt, die bereits im Vorjahr begangen wurden.

Polizei Hamburg: 30 Prozent mehr Straftaten im ersten Quartal

Das bildet sich auch in der Statistik ab, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt. Allein im ersten Vierteljahr 2023 – also von Januar bis März – wurden fast 30 Prozent mehr Taten erfasst als ein Jahr zuvor. Wobei wiederum fast die Hälfte aller im ersten Quartal 2022 verbuchten Straftaten schon in der vermeintlich „ruhigeren“ Corona-Zeit 2021 begangen worden waren.

Der Anstieg hat sich laut Polizei im April und Mai abgeflacht. Dennoch liegen die Zahlen bis Ende Mai weiter auf teilweise deutlich höherem Niveau als vor einem Jahr.

Raub, Körperverletzung, Autoaufbruch – alle Delikte nehmen zu

Bei Mord und Totschlag hat sich die Zahl der Fälle auf 46 mehr als verdoppelt. Die Zahl der schweren Sexualdelikte wie Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung stieg um 72,4 Prozent von 76 auf 131 Fälle. Außerdem wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 818 Raube angezeigt. Das sind 170 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres – eine Steigerung um 26,2  Prozent. Bei den gefährlichen Körperverletzungen notierte die Polizei eine Zunahme um 17,1 Prozent auf 2305 Fälle.

Es wird auch wieder mehr gestohlen. In den ersten fünf Monaten wurden 759 Autos entwendet. Das sind 227 mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der Autoaufbrüche stieg im gleichen Zeitraum um 47,6  Prozent auf 6583 Taten. Bei den Wohnungseinbrüchen verzeichnet die Polizei einen Anstieg um 21,9 Prozent.

In diesem Hamburger Bezirk steigt Kriminalität am stärksten

Besonders stark ist der Anstieg im Bezirk Mitte. Hier nahm die Zahl der angezeigten Straftaten bis Ende Mai um 11.593 auf 39.309 Taten zu. Das entspricht einer Steigerung um 41,8 Prozent im Vergleich zu den Monaten Januar bis Mai 2022. Nach oben kletterte im Bereich Mitte insbesondere die Zahl der schweren Sexualstraftaten: Hier wurden 38 Fälle gezählt – 137,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Eine starke Zunahme in Mitte gab es auch beim Raub im öffentlichen Bereich (plus 47,6 Prozent), beim Widerstand gegen Polizeibeamte (plus 96 Prozent), beim Autoaufbruch (plus 84,1 Prozent) und beim Taschendiebstahl – hier gab es mit 3822 Taten mehr als doppelt so viele.

Mehr Präsenz bringt mehr Kriminalität ans Licht

„Das öffentliche Leben hat in den vergangenen Monaten wieder deutlich an Fahrt aufgenommen“, sagt Polizeisprecherin Sandra Levgrün. „Das führt zu mehr Tatgelegenheiten und damit zu mehr Straftaten.“ Zudem sei man in dem besonders krimina­litätsträchtigen Bereich rund um den Hauptbahnhof seit Sommer vergangenen Jahres verstärkt unterwegs.

„Die Lebenswirklichkeit zeigt, dass diese Präsenz mehr Kriminalität ans Licht bringt. Wir haben dort eine Szene, die zwar einen Beamten anspricht, der an ihnen vorbeigeht, aber selbst bei schweren Straftaten sonst nicht zur Wache gehen würde, um Anzeige zu erstatten“, so Levgrün. Selbst das spielt eine Rolle: Im Landeskriminalamt (LKA) gab es dieses Jahr die „Crash-Days“, bei denen 7300 Fälle bearbeitet wurden, die bislang auf Halde lagen. Auch sie flossen in die Statistik ein.

Polizei Hamburg fehlt Personal, sagt Gewerkschafter

„Die Bevölkerungszahl Hamburgs und der Metropolregion nimmt stetig zu, und damit auch die Kriminalität“, sagt Jan Reinecke, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Der Personalkörper der Kriminalpolizei schrumpft hingegen stetig bei immer mehr und komplexeren Aufgaben. Man muss sich also nicht wundern, dass die Kripo ihrer originären Aufgabe, der Aufklärung und Vermeidung von Straftaten, schon lange nicht mehr gerecht werden kann.“

Hamburg steht mit der Entwicklung nicht allein da: Bundesweit ist die Kriminalität in diesem Jahr in dem bereits ausgewerteten Zeitraum um 15 Prozent gestiegen.