Hamburg. Am Freitag fuhr die erste U-Bahn automatisiert auf dem Testgleis zwischen Farmsen und Berne. Welche Aufgabe den Fahrern bleibt.
Es ist ein wichtiger Meilenstein im Projekt „U-Bahn 100“, weil es die technischen Voraussetzungen für den 100-Sekunden-Takt schafft: In Hamburg verkehrte am Freitag die erste U-Bahn automatisiert auf dem Hochbahn-Testgleis an der U1 zwischen den Haltestellen Farmsen und Berne. Das Ziel ist ein massiver Kapazitätsausbau im öffentlichen Nahverkehr durch die Automatisierung.
Auf Schienen ist das Fahren per Computer viel einfacher als im Straßenverkehr, wo Autos, Radfahrer und Fußgänger kreuzen. Automatisiert können Züge auch in viel kürzeren Abständen hintereinander fahren, etwa im 100-Sekunden-Takt. Kleinste Verspätungen bringen so nicht mehr den ganzen Fahrplan durcheinander. Der Computer fährt präzise, und das Fahrpersonal sitzt nur noch zur Überwachung auf dem Führerstand. Es muss nach dem Türenschließen nur noch auf einen Startknopf drücken, und den Rest der Fahrt bis zur nächsten Haltestelle erledigt die Technik.
HVV: Der Computer steuert die U-Bahn, der Fahrer überwacht
Das Ganze funktioniert so: Nach der Abfertigung und dem Schließen der Türen setzt sich der U-Bahn-Zug selbstständig in Bewegung, beschleunigt in wenigen Sekunden auf 50 Stundenkilometer, bevor er nach rund 600 Metern abbremst und ohne weitere Eingriffe durch den Fahrer zum Halt kommt. Was hier schon im Testbetrieb funktioniert, soll in wenigen Jahren in der Realität den Fahrgastkomfort deutlich erhöhen, so die Hochbahn. Sie präsentierte die Ergebnisse auf dem Testgleis gemeinsam mit den Projektpartnern Alstom und Siemens Mobility
„Was auf dem Testgleis nur eine kurze Fahrt ist, wird die Hamburger U-Bahn nachhaltig verändern. Von den deutlich engeren Takten, die mit der Automatisierung möglich sind, profitieren unsere Fahrgäste. Bei einem 5-Minuten-Takt benötige ich als Fahrgast keinen Fahrplan mehr“, sagte Jens-Günter Lang, Technik-Vorstand der Hochbahn.
Neue Technologie wird in Hamburg zuerst auf U2 und U4 eingesetzt
„Ein 100-Sekunden-Takt heißt, dass ich keiner U-Bahn mehr hinterherlaufen muss. Zuerst einsetzen werden wir die Technik auf der U2 und U4, wo wir sehr hohe Fahrgastzahlen haben. Auf dem östlichen Ast wird mit der U4-Verlängerung auf die Horner Geest die Nachfrage nochmals deutlich ansteigen.“ Wichtig sei ihm: „Die Zugfahrerinnen und Zugfahrer sind im teilautomatisierten Betrieb auch künftig unverzichtbar. Denn es geht hier nicht um eine Kostenfrage, sondern um eine Verbesserung des Angebots.“
Alle 100 Sekunden eine U-Bahn: Die Fahrerinnen und Fahrer seien im automatisierten Betrieb weiterhin für den Fahrgastwechsel verantwortlich sein und greifen im Bedarfsfall sein, so die Hochbahn. Die Fahrt selbst werde vollautomatisch und über Rechner gesteuert erfolgen. Nur so sei der 100-Sekunden-Takt möglich.
Im heutigen Betrieb liegt der engstmögliche Regeltakt bei 2,5 Minuten. Wo heute rund 20.000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung mit der U-Bahn fahren können, sind es künftig mit der neuen Technik bis zu 30.000. Das bedeutet 50 Prozent mehr Angebotskapazität, so die Hochbahn.
Für 100-Sekunden-Takt werden alle sechs Stellwerke auf der Strecke aufgerüstet
Die neue Technik soll in die Breite gehen: Im Rahmen des Hochbahn-Projekts „U-Bahn100“ wird die komplette U4 von den Elbbrücken über die Innenstadt und die Horner Rennbahn bis zur Haltestelle Horner Geest, die Ende 2026 in Betrieb geht, automatisiert, so das Unternehmen. Die U2 werde bis 2026 zwischen den Haltestellen Christuskirche und Horner Rennbahn auf- und ausgerüstet. Bis Ende 2029 sei die Verlängerung bis Mümmelmannsberg geplant.
Für den 100-Sekunden-Takt müssen alle sechs Stellwerke entlang der Strecke aufgerüstet werden. Diese Aufgabe übernimmt Siemens Mobility. Guido Rumpel, Leitung Rail Infrastructure Deutschland von Siemens, sieht die erfolgreichen Fahrtests als Meilenstein für die Mobilitätswende in Hamburg. Das Unternehmen lity stellt auch die entsprechende Technik für den Einbau in die U-Bahnen. Das Zugsteuerungssystem sei bereits bei zahlreichen Betreibern weltweit im Einsatz, so in Paris, Peking, New York, London, Hongkong oder Buenos Aires.
Sechs U-Bahn-Fahrzeuge stehen für automatisierten Betrieb bereit
Auch die U-Bahn-Fahrzeuge müssen digital aus- und aufgerüstet werden. Künftig verfügen alle 163 DT5-Fahrzeuge der Hochbahn über ein neues System gesteuert, das die Kommunikation zwischen Fahrzeug- und Streckenausrüstung nutzt. Alstom zeichnet auch für die Integration und Inbetriebsetzung des bereitgestellten CBTC-Systems (Communication Based Train Control) verantwortlich. „Sechs U-Bahn-Fahrzeuge sind ready für den automatischen Betrieb“, sagte Christoph Klaes, Vice President Customer Management bei Alstom.
Die Umrüstung der Fahrzeuge wird in zwei Schritten erfolgen. Die sechs aufgerüsteten Prototypen sollen bis Ende 2023 getestet und in Betrieb genommen werden. Im kommenden Jahr folgen dann weitere 157 U-Bahn-Fahrzeuge. Die Fahrzeugumrüstung erfolgt am Alstom-Standort in Salzgitter. Die DT4-Fahrzeuge, deren Umrüstung sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt und die in der Zukunft schrittweise vom DT6 abgelöst werden, kommen auf den automatisierten Strecken deshalb nicht zum Einsatz.
HVV: Bis 2029 werden in Hamburg 200 Millionen Euro in das Projekt investiert
Das neues Zugsicherungssystem soll den 100-Sekunden-Takt ermöglichen. Die Züge sollen künftig miteinander kommunizieren, um einen festgelegten Sicherheitsabstand zwischen den Bahnen zu gewährleisten. Das soll die Häufigkeit von Störungen verringern und einen stabilen, verlässlichen Betrieb ermöglichen.
„Für unsere Fahrgäste bedeutet der enge Takt vor allem, dass immer eine U-Bahn bereitsteht oder innerhalb von anderthalb Minuten eine neue U-Bahn in die Haltestelle einfährt“, sagte Jan Frederik Bremen, „U-Bahn100“-Projektleiter der Hochbahn. „Besser geht es nicht.“
Das neue System CBTC werde – das zeigen die Erfahrungen auf der Elizabeth Line in London oder der S-Bahn in Kopenhagen – Störungen verringern und einen stabileren und verlässlicheren Betrieb ermöglichen. Das Investitionsvolumen für das Projekt „U-Bahn100“, das bis 2029 abgeschlossen sein wird, beträgt rund 200 Millionen Euro.