Hamburg. Serienkriminelle in Hamburg sind heute deutlich gewaltbereiter – und haben überwiegend dieselbe Staatsbürgerschaft.

  • Intensivtäter in Hamburg sind laut Polizei überwiegend männlich
  • Die meisten von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft
  • Eine EU-Vorgabe macht es der Polizei Hamburg im Umgang mit ihnen schwerer

Intensivtäter beschäftigen die Polizei Hamburg in besonderem Maße; sie bekommen es immer wieder mit den Strafverfolgungsbehörden zu tun. Neue Zahlen der Polizei, die der Hamburger Senat auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion veröffentlichte, werfen nun ein Schlaglicht darauf, wer in der Hansestadt als Intensivtäter auffällig wird. Diese sind zumeist männlich – bei lediglich 14 der 253 erfassten Täter handelt es sich um Mädchen oder Frauen.

Und sie sind überwiegend jung: So waren im April dieses Jahres 196 der Intensivtäter in Hamburg unter 21 Jahren – also in einer Altersgruppe, in denen in Hamburg fast immer das Jugendstrafrecht angewendet wird. Drei dieser Intensivtäter kann man sogar überhaupt nicht bestrafen. Sie sind noch Kinder und somit strafunmündig.

Polizei Hamburg: Welche Staatsbürgerschaft die meisten Intensivtäter haben

Interessant: Der größere Teil der Intensivtäter in Hamburg hat die deutsche Staatsbürgerschaft oder verfügt neben einer anderen zusätzlich auch über die deutsche Staatsbürgerschaft. Das trifft auf 153 der erfassten Täter zu. Danach folgen als Nationalitäten Afghanistan und Syrien. Hier stammen jeweils 13 Intensivtäter her. Jeweils sieben Intensivtäter haben die irakische und die marokkanische, fünf die algerische Staatsbürgerschaft.

In acht Fällen kennt man zwar den Intensivtäter, weiß aber nicht, aus welchem Land er kommt. Aus der Türkei, das ist bemerkenswert, weil in Hamburg sehr viele Türken leben, kommt lediglich ein als Intensivtäter eingestufter Krimineller.

Im Langzeitvergleich ist die Zahl der Intensivtäter zurückgegangen. 2008 wurden noch um die 700 Kriminelle in Hamburg als Intensivtäter eingestuft. Der Anstieg hatte einen Grund. In den Jahren davor waren lediglich Jugendliche und Heranwachsende in dieser Kategorie erfasst worden.

Intensivtäter laut Polizei heute deutlich gewaltbereiter

Weitere wesentliche Änderung: Intensivtäter sind heute deutlich gewaltbereiter. So haben sich die Delikte, die den Kriminellen angelastet und wegen derer sie als Intensivtäter eingestuft wurden, stark gewandelt. In den 1990er-Jahren spielte Beschaffungskriminalität wie Autoaufbruch, Ladendiebstahl oder Einbruch eine große Rolle. Das ist vorbei.

„Der Intensivtäter von heute ist ein anderer Typ als der um das Jahr 2000“, sagt ein Beamter. „Heute dominieren Gewaltdelikte.“ Aktuell seien Körperverletzungen und Raub die Haupt-Straftaten der Intensivtäter.

Eigene Polizeiprogramme und Fallkonferenzen für Intensivtäter

Die Polizei hatte bereits in den 1990er-Jahren ein Konzept entwickelt, um solche Täter besser zu „betreuen“ zu können. 2007 folgte die Justiz nach. Der damalige Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) stellte das Programm „Protäkt“ vor. „Es wurde entwickelt, um eine besonders täterorientierte Strafverfolgung von solchen Tätern sicherzustellen, die wiederholt in qualitativ oder quantitativ gravierender Weise mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten sind“, heißt es auf den Internetseiten der Stadt.

2008 wurden die „Fallkonferenzen“ eingeführt, mit denen behördenübergreifend auf solche Täter reagiert werden soll. 2011 wurde das „Obachtverfahren Gewalt unter 21“ aufgelegt. Es ist so etwas wie eine Weiterentwicklung der „Fallkonferenzen“. Immer ging es darum, Intensivtäter besonders eingehend und zeitnah zu betreuen und so auf sie einzuwirken.

EU-Vorgabe verhindert spontane Geständnisse bei jungen Straftätern

Doch diese „Manndeckung“, wie es polizeiintern genannt wurde, bröckelt. Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) wundert das nicht. „Jugendliche Intensivtäter wurden früher von einem für sie zuständigen Beamten bearbeitet, der genau wusste, mit wem er zu tun hatte und auch oft Zugang zu den jungen Tätern fand“, sagt Reinecke. Das sei vorbei.

„Heute ist so ein Vorgehen schon personell gar nicht mehr möglich“, sagt der Landesvorsitzende des BDK. Dazu kämen neue rechtliche Rahmenbedingungen, die die Polizeiarbeit gerade in diesem Sektor deutlich schwerer gemacht hätten.

Reinecke spielt damit auf Vorgaben der EU für den Umgang mit jugendlichen Straftätern an. Sie haben zur Folge, dass in der Praxis Polizisten mit den meisten jungen Straftätern nur noch im Beisein eines Anwalts sprechen dürfen.

Das gilt insbesondere für die schweren Fälle wie Raubdelikte. „Man darf mit ihnen über das Wetter oder sonst was sprechen, aber nicht über ihre Straftat“, sagt ein Beamter. Sollte ein Täter nach seiner Festnahme spontan ein Geständnis oder gar eine „Lebensbeichte“ ablegen wollen, ist das nicht möglich. Die Polizisten müssen ablehnen, bis ein Anwalt da ist. Damit ist aber in der Regel jedes Gespräch beendet.

Polizei Hamburg: Immer weniger erwachsene Intensivtäter

Erwachsene Intensivtäter spielen im Übrigen eine immer geringere Rolle. Waren 2010 noch rund 30 Prozent der Intensivtäter Erwachsene, so ging deren Anteil mittlerweile auf rund 22 Prozent zurück. Bei den über 25-Jährigen findet man kaum noch Intensivtäter. Gerade 19 sind bei der Polizei erfasst. Das ist ein Anteil von 7,5 Prozent.

„Es ist bedauerlich, dass wir personell nicht mehr in der Lage sind, Intensivtäter so intensiv wie früher zu betreuen“, sagt BDK-Mann Reinecke. „Gerade bei dem extrem hohen Anteil von Jugendlichen und Heranwachsenden würde dass Sinn machen.“