Kiel (dpa/lno). Ein betrügerisches Dating-Portal hat mit für den Anstieg der Straftaten im Norden gesorgt. Nach Ende der Corona-Beschränkungen gab es mehr Raubtaten, Körperverletzungen und Messerangriffe. Der Rückgang in Bereich täusche, warnte die Innenministerin.
Mit 61,1 Prozent der Fälle hat die Polizei in Schleswig-Holstein 2022 so viele Verbrechen aufgeklärt wie nie zuvor seit Beginn der Datenerfassung 1963. Das hat maßgeblich mit dem Fall eines Dating-Portals im Internet zu tun, der mit 33 738 Opfern zu Buche schlug, wie aus der am Donnerstag vorgestellten Polizeilichen Kriminalstatistik hervorgeht. Selbst ohne diesen Komplex würde die Quote bei 54,1 Prozent liegen und damit nur etwas geringer ausfallen als 2019 (54,7 Prozent) vor der Corona-Pandemie.
„Im Vergleich zum Vorjahr haben wir 2022 einen deutlichen Anstieg der Kriminalität um 25 Prozent auf insgesamt 221 183 Straftaten zu verzeichnen“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Ohne das Dating-Portal aus dem nördlichen Schleswig-Holstein hätte der Anstieg rund sechs Prozent betragen. Das Portal wurde nicht nur bundesweit, sondern auch aus dem Ausland genutzt.
In dem Verfahren hatten Opfer einen Euro pro Chatnachricht gezahlt. „Während die Internetseite sie in dem Glauben ließ, Kontakt mit Menschen zu haben, die sie auch außerhalb der Plattform kennenlernen könnten, tauschten sie in Wahrheit Chatnachrichten mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens aus“, sagte Sütterlin-Waack. Der Gesamtschaden liegt bei mehr als 17,7 Millionen Euro durch zwölf Tatverdächtige.
Ein Schwerpunkt bildete der Bereich Kinderpornografie. Zwar sind die Fallzahlen für Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet zuletzt um 80 auf 955 Fälle gesunken. Sütterlin-Waack warnte aber, die Zahlen täuschten, weil nur abgeschlossene Ermittlungen in die Statistik einflössen.
„Im Bereich des sexuellen Missbrauchs und der anschließenden Verbreitung dieser schrecklichen Taten im Internet geht es in allererster Linie darum, laufende Missbrauchstaten zu verhindern“, sagte Sütterlin-Waack. Die Ermittler bekommen auch aus dem Ausland viele zu sichtende Daten. Vor allem im zweiten Halbjahr gingen viele neue Vorgänge ein. „Es türmen sich bei uns Datenberge“, sagte der Leitende Kriminaldirektor Rolfpeter Ott. Mit 30 zusätzlichen Stellen und dem Einsatz von Bilderkennungssoftware will die Koalition die Ermittler entlasten. Ihnen stehen auch vier Psychologinnen und Psychologen zur Seite.
Einen deutlichen Anstieg gab es bei Messerangriffen, die seit 2020 bundeseinheitlich erfasst werden. 2022 gab es im Norden 909 Messerangriffe, 100 mehr als 2021. 14 Menschen wurden getötet, 62 schwer und 239 leicht verletzt. Es gab 1148 Opfer. Mehr als ein Drittel der 811 Tatverdächtigen hatten keine deutsche Staatsangehörigkeit (37 Prozent). Wurden zu einer Straftat aber mehrere Tatverdächtige erfasst, kann derzeit nach Angaben der Ministerin keine Aussage darüber getroffen werden, welcher dieser Tatverdächtigen ein Messer eingesetzt hat. „Wir wollen zukünftig wissen, wer genau bei einem Messerangriff auch tatsächlich ein Messer dabei hatte.“ Sie setze sich im Rahmen der Innenministerkonferenz dafür ein.
Deutliche Anstiege gab es bei Raub (24 Prozent) und Körperverletzung (14,5 Prozent). Der Anstieg bei den Rohheitsdelikten um insgesamt 16,2 Prozent sei vor allem auf das Ende der Corona-Beschränkungen zurückzuführen, sagte Ott. Im Vergleich zu 2019 habe es aber weniger Raubtaten (minus 1,7 Prozent) und weniger Körperverletzungen (minus 2,7 Prozent) gegeben.
Ein ähnliches Bild zeigte sich bei Wohnungseinbrüchen: Die Zahl der Fälle stieg um 426 oder 18,9 Prozent auf 2675 Delikte an. Das waren aber 40 Prozent weniger als 2019. Nur 15 Prozent wurden aufgeklärt. In knapp der Hälfte der Fälle (48,5 Prozent) blieb es beim Versuch. Das führte Ott auf mehr Einbruchschutz zurück. „Auch diese Zu- und Abnahmen lassen sich unter anderem mit den Corona-Beschränkungen, beziehungsweise deren Ende erklären.“
Bei der Rauschgift-Kriminalität sind die Fallzahlen nach dem Zehn-Jahres-Hoch 2021 wieder um 6,5 Prozent auf 11 080 gesunken. Erstmals seit 2012 gab es dort einen Rückgang.