Hamburg. Senat beschließt Entwurf für verschärftes Klimaschutzgesetz. Damit verbunden sind neue Pflichten – vor allem für Immobilienbesitzer.

Über die verschärften Ziele beim Klimaschutz hatten sich SPD und Grüne bereits im vergangenen Jahr geeinigt. Nun zeigt sich, was diese konkret für die Menschen in Hamburg bedeuten werden: Am Dienstag hat der Senat den Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes beschlossen.

Darin werden zum einen die neuen Ziele festgeschrieben, nach denen Hamburg bis 2030 bereits 70 Prozent weniger CO2 ausstoßen soll als im Vergleichsjahr 1990 – bisher waren nur 55 Prozent geplant. Zudem soll Klimaneutralität bereits 2045 und nicht erst 2050 erreicht werden.

Energie: Klimaschutz – Hamburg führt Solargründach-Pflicht ein

Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, erlässt die Stadt massive neue Pflichten vor allem für Immobilienbesitzer. So müssen künftig beim Heizungstausch deutlich mehr erneuerbare Energien zum Heizen eingesetzt werden; es wird eine Solargründach-Pflicht eingeführt, für offene Stellplatzanlagen gilt eine Pflicht zur Errichtung von Photovoltaikanlagen (PV).

Zudem soll die Infrastruktur für Strom, Wasserstoff und öffentliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge massiv ausgebaut werden. Durch diese ordnungsrechtlichen Vorgaben erwartet der Senat nach eigenen Angaben eine Einsparung von drei Millionen Tonnen CO2 bis 2030.

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„Nachdem wir im Dezember das Eckpunktepapier zur Zweiten Fortschreibung des Klimaplans mit verschärften Klimazielen für Hamburg vorgelegt haben, gehen wir nun den zweiten Schritt und schaffen den rechtlichen Rahmen, indem wir diese Ziele im Gesetz verankern", sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs.  Mit dem heutigen Senatsbeschluss starte der Novellierungsprozess des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes.

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Neuer Klimaplan: 2045 soll ganz Hamburg CO2-neutral leben

"Und wir bleiben ehrgeizig: Der CO2-Ausstoß soll bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, wir sind damit noch etwas ehrgeiziger als der Bund", so Kerstan. 2045 – und damit fünf Jahre schneller als bislang vorgesehen – soll ganz Hamburg CO2-neutral leben und wirtschaften.

„Die Begrenzung des Klimawandels ist eine herausragende politische und gesellschaftliche Verantwortung“, sagte Kerstan. „Der Klimawandel schreitet immer spürbarer voran. Die Prognosen des IPCC sind alarmierend, Extremwetterereignisse nehmen weltweit und auch in Deutschland zu. Wir in Hamburg wollen und müssen beim Klimaschutz und bei der Klimaanpassung Vorreiter sein und bleiben. Mit der vorgelegten Novelle des Klimaschutzgesetzes stellen wir jetzt konsequent die Weichen.“

Neues Klimaschutzgesetz in Hamburg – die wesentlichen Neuerungen:

  • Beim Heizungstausch wird der Anteil der erneuerbaren Energien von 15 auf 65 Prozent erhöht. Die Verpflichtung wird ab 2027 gelten. Bis dahin will der Senat ab 2024 ein umfangreiches Förderprogramm aufsetzen.
  • Der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Strom- und Wasserstoffverteilernetze und der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sollen in Hamburg vorangetrieben werden und fortan im überragenden öffentlichen Interesse liegen.
  • Wärmenetze in Hamburg sollen stufenweise spätestens ab 2030 50 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien und bis 2045 vollständig Wärme aus erneuerbaren Energien transportieren.
  • Im Gebäudebereich sollen mehrere Maßnahmen ergriffen werden, um den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen. Die Pflicht zur Nutzung und Errichtung von Photovoltaik-Anlagen wird um die Vorgabe einer Mindestbelegungsfläche von 30 Prozent der Bruttodachfläche mit Photovoltaik ab 2024 ergänzt.
  • Die PV-Pflicht für Bestandsgebäude wird auf 2024 vorgezogen. Auch soll die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen auf Stellplatzanlagen ab 2024 eingeführt werden.
  • Die kombinierte Nutzung von Dächern für Photovoltaik-Anlagen und Begrünung als Solargründach wird ab 2027 verpflichtend. Alternative Erfüllungsoptionen, etwa durch Nutzung der Fassaden und Gebäudehülle statt des Daches, bleiben möglich.
  • Der passive bauliche Wärmeschutz bei Bestandsgebäuden soll die Regel sein, um den Energieverbrauch für Kühlung im Gebäudebereich zu verringern.
  • Die Vorbildfunktion der Stadt Hamburg im Klimaschutz selbst soll ausgeweitet werden; auch bei öffentlichen Unternehmen des Privatrechts soll nun auf eine Vorbildfunktion hingewirkt und damit auch mehr Klimaschutz verpflichtet werden. Die Stadt soll darüber hinaus konkret bei der Errichtung öffentlicher Gebäude die Verwendungsmöglichkeit klimafreundlicher Baustoffe prüfen.

Kerstan: "Politik, Wirtschaft und Bürger müssen an einem Strang ziehen"

Die Klimaschutznovelle sei „ausgewogen und technologieoffen“, sagte Kerstan. „Bei der Umsetzung müssen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger gemeinsam an einem Strang ziehen." Denn wirksamer Klimaschutz gelinge nur, wenn sich alle beteiligten. "Wir werden die gesetzlichen Anforderungen weiterhin durch Information, Beratung, Förderung und Ausnahme-Etatbestände flankieren. Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung mit den Verbänden und Fachkreisen.“

Nach der nun also anstehenden Beratung mit den Vertretern der Interessenverbände (Grundeigentümer, Mieter etc.) soll das Gesetz noch vor der Sommerpause mit möglichen Änderungen im Senat beschlossen und in die Bürgerschaft eingebracht werden. Das letzte Wort haben dann die Abgeordneten. In Kraft treten soll das Gesetz in seiner neuen Form am 1. Januar 2024.

Hauptlast werden wohl die Mieter zu tragen haben

Auf Nachfrage machte Kerstan deutlich, dass es am Ende in wohl die Mieter sein werden, die einen Großteil der  Kosten für die nun verpflichtenden Modernisierungen der Gebäude zahlen müssen. Diese würden allerdings in der Folge auch deutlich weniger Energiekosten zu tragen haben. Einen wenig sicheren Eindruck machten der Senator und seine Mitstreiter bei Nachfragen zu bestehenden PV-Anlagen in der Stadt oder anderen Details.

„Hamburg bekommt ein Klimaschutzgesetz, dessen Umsetzung schon bei einfachsten Nachfragen auf der Pressekonferenz völlig schwimmt“, twitterte der Hamburger Landeschef des Umweltverbandes BUND, Lucas Schäfer. „Deshalb fordern wir, im neuen Klimaschutzgesetz auf Landesebene die Befugnis einer Klagemöglichkeit für Bürgerinnen  und Bürger und Umweltverbände zu verankern, so wie sie zur Verletzung von Naturschutzbelangen bereits auf Bundes- und europäischer Ebene vorliegt.“ Erst im Jahr 2030 zu erkennen, „dass leider die Klimaziele nicht erreicht wurden, können wir uns unter keinen Umständen mehr leisten“.

Kritik von Klimaschützern und Opposition

Nabu-Chef Malte Siegert monierte, dass das Wort „Natur“ nicht ein einziges Mal in dem neuen Gesetz vorkomme – obwohl etwa Moore oder der Baumbestand für den Klimaschutz eine immense Bedeutung hätten.  Und Annika Rittmann von Fridays for Future resümierte: „Ein weiteres Mal unzulängliche Ziele gesetzlich zu verankern und damit ein weiteres Eskalieren der Klimakrise in Stein zu meißeln, ist an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten.“

Kritik kam auch von der Opposition. „Das Klimaschutzgesetz bedeutet vor allem eins: Hohe Sanierungskosten für Hamburgs Bevölkerung und weitere Auflagen für Unternehmen, während die Stadt und öffentliche Unternehmen seit Jahren in den eigenen Ansprüchen zurückhängen“, sagte CDU-Energiepolitiker Stephan Gamm. „Der Senator spricht von Verschärfungen und Maßnahmen, um völlig willkürliche Einsparungsziele zu erreichen. So ist eine verpflichtende Dachbegrünung nichts anders als grüne Zwangspolitik. Hier wird Eigentümern schlicht vorgeschrieben, wie diese zu bauen haben und wie sie mit ihrem Eigentum umgehen müssen.“

AfD spricht von "quasireligiösem Klimafanatismus"

Die Linke kritisierte die mangelnde Überwachung der Umsetzung. „Dass die Stadt ambitionierte Ziele braucht, ist unbestritten“, sagte Linken-Umweltpolitiker Stephan Jersch. „Aber wenn wir bei der Umsetzung beim bisher vorgelegten Tempo bleiben und der Senat nicht mal ein zeitnahes Monitoring zusagen kann, sehe ich dem neuen Klimaschutzgesetz sehr kritisch entgegen.“ AfD-Umweltpolitiker Thomas Reich warf Kerstan einen „quasireligiösen Klimafanatismus auf Kosten der Hamburger Bürger und Unternehmen“  vor. Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sagte, das Gesetz beruhe auf „nicht validen Schätzungen und politischen Wunschvorstellungen“.