Hamburg. Bisher waren Clubbesuche am Karfreitag und anderen Feiertagen verboten. Doch das soll sich ändern. Was die Regierungsfraktionen planen.

„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins. Ob du’n Mädel hast oder ob kein’s. Amüsierst du dich“, so besang zumindest Hans Albers 1936 das nächtliche Hamburger Kieztreiben. Und das gilt bis heute: Wer gerne feiert und tanzt, der kann das fast nirgendwo besser als in der Kulturmetropole Hamburg. Doch eben auch nur fast.

Karfreitag, Buß- und Bettag, Volkstrauertag und Totensonntag sind nämlich sogenannte stille Feiertage, an denen das Tanzen laut Feiertagsverordnung verboten ist. Und das bereits seit 1957. So lange gilt die Verordnung nun schon, die „Unterhaltung dienende öffentliche Veranstaltungen“ und „musikalische Darbietungen jeder Art in Gaststätten“ untersagt. Zumindest zwischen zwei Uhr morgens bis zwei Uhr des folgenden Tages an Karfreitag und zwischen sechs und 17 Uhr am Totensonntag.

Feiertagsverordnung Hamburg: Koalition will das Tanzverbot aufweichen

Doch das könnte sich nun ändern. Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion Hamburg, findet: „In einer Zeit, in der immer mehr Menschen den christlichen Kirchen den Rücken kehren, stellt sich die Frage, inwiefern ein generelles Tanzverbot noch zeitgemäß ist. Hamburg ist eine bunte Stadt, in der diverse Glaubensgemeinschaften miteinander leben.“ Ein striktes ganztägiges Tanzverbot oder ein Verbot anderer Musikveranstaltungen für die gesamte Stadtgesellschaft scheine demnach überholt. „Es ist an der Zeit, diese Regelung zu prüfen.“ Dazu trete die rot-grüne Koalition nun unter anderem mit den Kirchen in den Dialog.

Auch Michael Gwosdz, religionspolitischer Sprecher der Grünen Fraktion, sieht die Notwendigkeit dafür: „In einer immer säkulareren und multireligiösen Gesellschaft ist es sinnvoll, tradierte Regelungen, die das religiöse Leben betreffen, immer wieder anzusehen und zu überprüfen.“ Deshalb erscheine es Gwosdz auch angemessen, „in einen Dialog mit Kulturschaffenden und Kirchen zu treten, um zu besprechen, welche Möglichkeiten es gibt, die wechselseitigen Bedürfnisse besser zu vereinbaren, als es aktuell der Fall ist.“ Denkbar ist für die Regierungsfraktionen SPD und Grüne offenbar eine deutliche Aufweichung der Regelung. So könnte das Verbot ähnlich wie in Bremen erst ab 5 oder 6 Uhr früh am Karfreitag und dann bis 21 Uhr gelten, heißt es. In dieser Zeit werde ja in der Regel nicht in den Clubs getanzt, daher wäre das Verbot dann in der Praxis kaum noch zu spüren.

Auch CDU und Linke für Überprüfung des Verbots

Auch Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion, schlägt vor, Bremen mit seiner Regelung von morgens um 6 bis 21 Uhr am selben Tag als Vorbild zu nehmen. „Wir halten aber ein Tanzverbot generell für zweifelhaft.“ Zum einen sei es dem Linken-Politiker zufolge fragwürdig, ob diese Form des Purismus noch zeitgemäß sei. Zum anderen sieht Hackbusch „eine Benachteiligung von andersgläubigen und konfessionslosen Menschen“ durch das Verbot. Die Fraktion bereite deshalb bereits einen Antrag für die kommende Bürgerschaftssitzung vor, in der sie das Thema auf die Tagesordnung setzen will.

Und auch die Oppositionsfraktion mit dem C im Namen stellt infrage, ob ein generelles Tanzverbot noch zeitgemäß ist, und zeigt sich offen für Gespräche mit den anderen Bürgerschaftsfraktionen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der christdemokratischen Fraktion, Anke Frieling, sagt: „Für uns als CDU sind die kirchlichen Feiertage nach wie vor von hoher Bedeutung. Jedoch hat es bereits in der Vergangenheit allmähliche Veränderungen im Umgang mit diesen Feiertagen gegeben.“ Die Zeiten, in denen im Radio noch ‚gedeckte‘ Musik gespielt wurde, seien lange vorbei.

Hamburger FDP gespalten in Umgang mit Verbot

Anna von Treuenfels-Frowein, fraktionsloses Mitglied der Bürgerschaft für die FDP, ist hingegen „der Respekt vor den höchsten christlichen Feiertagen sehr wichtig“, weswegen die Liberale an dem Abend vor und am Karfreitag selbst nicht auf Partys gehen würde. Zwar könne Treuenfels-Frowein verstehen, dass viele Menschen das anders sehen. Eine Beschränkung des Tanzverbots auf die Tageszeit des Karfreitags und anderer Feiertage hält die FDP-Politikerin aber für einen „akzeptablen Weg“ – „Religion ist und bleibt Privatsache eines jeden Einzelnen.“

Sonja Jacobsen, Vorsitzende der FDP Hamburg, plädiert hingegen ebenfalls wie Rot-Grün, Linke und CDU für eine Überprüfung des Verbots. In einem ersten Schritt könne der Senat Jacobsen zufolge beispielsweise die Verordnung an die Regelungen des Sonntagsgebotes angleichen. „Entscheidend ist, ob die Ausübung des Gottesdienstes gestört wird. Es ist nicht plausibel, dass ein nächtlicher Clubbesuch hinter verschlossenen Türen die freie Religionsausübung einschränkt.“

Die einzige Fraktion, die sich bis dato gegen eine Überprüfung des Verbots ausspricht, ist die AfD. Fraktionschef Dirk Nockemann sieht aktuell „keine Notwendigkeit, an der bestehenden Regelung etwas zu verändern“.

Kontrollaktion der Polizei am Karfreitag

Die Forderung des Interessenverbands Clubkombinat, das Tanzverbot abzuschaffen, hatte die Diskussion kürzlich angeheizt. Vor zwei Wochen, am Karfreitag, war es laut Berichten des Clubkombinats erstmals seit den Zeiten von Innensenator Ronald Schill 2003 in den Bezirken Altona und Mitte zu einer breitflächigen Kontrollaktion durch die Polizei inklusive Schließungen von Clubs gekommen. „Wir sehen es als nicht mehr zeitgemäß, einen so starken Einschnitt in die Rechtsgüter Dritter zu rechtfertigen“, so Vorstandsmitglied Claudia Mohr.

Feiertagsverordnung Hamburg: SPD-Senatoren scheinen sich nicht einig

Prominente Unterstützung für die Forderung bekam der Verband prompt von Kultursenator Carsten Brosda (SPD), welcher die Frage aufwarf, ob das Verbot „wirklich noch zu einer offenen und diversen Gesellschaft passt“. Zwar sei Karfreitag für Christen ein hoher Feiertag. „Aber man kann die Würde dieses Tages auch wahren und es trotzdem jedem überlassen, zu entscheiden, ob er feiern oder Kultur erleben will.“

Innensenator Andy Grote (SPD) hingegen ließ die Aussagen seines Parteikollegen unkommentiert. Gegenüber dem Abendblatt dementierte ein Sprecher der Innenbehörde jedoch, dass es sich bei den Kontrollen um eine Ausnahme gehandelt habe. Die Polizei habe auch in den vergangenen Jahren am Karfreitag kontrolliert. Wie aus einer Antwort der Behörde auf eine Schriftliche Anfrage der Linken-Fraktion hervorgeht, hat die Polizei insgesamt vier Ordnungswidrigkeitenanzeigen an Clubbetreiber gestellt und sechs Berichte an das Bezirksamt Hamburg-Mitte weitergeleitet.