Hamburg. Aufstellung des Haushalts 2023/24 hat begonnen. Rot-Grün will „Personalkostenbremse“ und neue Investitionsgesellschaften durchsetzen.

Der 9. November ist bekanntlich in vielerlei Hinsicht ein besonderer Tag für dieses Land. An die „Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft“, die Anfang der Woche mit diesem Datum im Briefkopf von einem Ende des Rathauses ans andere geschickt wurde, werden sich die Historiker dagegen vermutlich nicht so lange erinnern.

Der Inhalt, die „Finanzplanung 2021 bis 2025“, wäre zwar grundsätzlich für die eine oder andere Debatte geeignet. Aber man kann das Ganze auch getrost gleich wieder vergessen, da es vermutlich in Kürze Makulatur sein wird. Denn nicht nur die Hamburger Finanzpolitiker warten derzeit gespannt auf drei Weichenstellungen, die ihnen viel mehr darüber sagen werden, mit wie viel Geld sie künftig planen können.

Dressel fordert mehr Geld für Klimaschutz

Da ist erstens die Bildung der Ampelkoalition im Bund, die am 6. Dezember mit der Wahl von Olaf Scholz (SPD) zum neuen Bundeskanzler abgeschlossen werden soll. Was SPD, Grüne und FDP vereinbaren, hat natürlich auch Auswirkungen auf die Haushalte der Länder. Und die sind bislang wenig begeistert.

„Ich bin finanzpolitisch noch nicht zufrieden mit dem Sondierungsergebnis für die Länder“, hatte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) seinen Bundes-Genossen vor zwei Wochen via Abendblatt-Interview mitgeteilt – und daran hat sich seitdem auch nicht viel geändert. So fordert er weiterhin mehr Bundesunterstützung für den coronabedingt darbenden Nahverkehr oder für den Klimaschutz – schließlich würden die Länder mithelfen, dass der Bund seine Ziele erreiche.

Beim Geld hört die Freundschaft auf“

Dass Ex-Bürgermeister Scholz als Kanzler aus alter Verbundenheit zu Hamburg die Länder finanziell besserstellt, glauben an der Elbe aber nicht mal seine Parteifreunde. „Beim Geld hört die Freundschaft auf“, sagt einer. Zweitens schauen die Haushälter auf die Steuerschätzung für Hamburg, die am 23. November veröffentlicht werden soll.

Hier deuten sich zwar gute Nachrichten an: Noch-Bundesfinanzminister Scholz teilte am Donnerstag mit, dass bis 2025 insgesamt rund 180 Milliarden Euro mehr in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen fließen könnten als bislang gedacht. Doch was das für Hamburg bedeutet, müssen die Experten in der Finanzbehörde erst noch ausrechnen.

Aufstellung des 2023/24 hat schon begonnen

Drittens steht die Finanzplanung unter dem Vorbehalt der Tarifverhandlungen für die Länder-Beschäftigten, die Ende November abgeschlossen werden sollen. Der Finanzsenator hatte klargestellt, dass er die Forderung der Gewerkschaften nach fünf Prozent mehr Lohn als „eindeutig zu hoch“ empfinde. Die Mehrkosten würden bei 250 bis 300 Millionen Euro pro Jahr liegen. „Das übersteigt unsere Möglichkeiten“, so Dressel.

Einfach mal abwarten, was bei diesen drei Terminen so herauskommt, geht allerdings auch nicht. Denn hinter den Kulissen von Rathaus und Behörden hat bereits die Aufstellung des Etats 2023/24 begonnen, und es zeichnet sich ab, dass das eine schwere Geburt wird – weil infolge der Corona-Krise weniger Geld zur Verfügung stehen wird, als Rot-Grün mal angenommen hatte. „Es wird sehr, sehr schwierig“, hatte der Finanzsenator die Stadt kürzlich eingestimmt. Bei den jüngsten Gesprächen über die „Eckwerte“ für die Behördenetats sollen etliche Senatsmitglieder daher lange Gesichter gemacht haben.

„Personalkostenbremse“ steht im Raum

Da sich die Lage lange abzeichnete, gibt es aber bereits Überlegungen, wie sich einerseits Kosten drücken und andererseits Wege finden lassen, trotz Schuldenbremse doch etwas mehr Geld ausgeben zu können. In der Rubrik Sparpotenzial kursieren vor allem die Begriffe „Raumkostenbremse“ und „Personalkostenbremse“. Bei Ersterer geht es darum, die Ausgaben für angemietete Flächen im Zaum zu halten, indem zum Beispiel Mitarbeiter enger zusammenrücken. Den Ansatz hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in seiner Zeit als Finanzsenator schon gewählt, das Einsparpotenzial ist aber überschaubar.

Ganz anders sieht es beim Personal aus. Auf Vollzeitkräfte umgerechnet ist die Zahl der städtischen Mitarbeiter unter Rot-Grün seit 2015 von unter 60.000 auf mehr als 65.500 angestiegen. Dass das nur zum Teil mit dem starken Bevölkerungswachstum begründet werden kann, zeigt das Verhältnis von Beschäftigten zu Einwohnern: Kamen 2015 noch 33,5 Mitarbeiter auf 1000 Einwohner, waren es Ende 2020 schon 35,4. Entsprechend stiegen die Ausgaben: Machten die Personalkosten 2016 noch 33,6 Prozent des Haushalts aus, waren es 2019 schon 37 Prozent, Tendenz weiter steigend. Im Haushalt 2021 sind 6,5 Milliarden Euro nur für Personal eingeplant.

Bisher keine Corona-Prämie in Hamburg

Der Senat hat daher das Ziel ausgegeben, neue Personalbedarfe „grundsätzlich“ durch Effizienzsteigerungen und Aufgabenkritik in anderen Bereichen auszugleichen. Als Tabu gelten dabei nur die Innere Sicherheit und die Schulen. Der Finanzsenator hat den Gewerkschaften daher bereits nahegelegt, im Tarifstreit Maß zu halten: „Den Beschäftigten wäre ja auch nicht damit gedient, wenn wir zusätzliche Kürzungsprogramme auflegen müssen.“

Auf Gewerkschaftsseite ist man empört: „Im Gegensatz zu Millionen anderen Arbeitnehmern haben die Beschäftigten der Stadt Hamburg noch keine Corona-Prämie erhalten“, sagt die stellvertretende Vorsitzende von Ver.di Hamburg, Sieglinde Frieß. „Und statt Anerkennung gibt es nun die Drohung mit Kürzungen und Personalabbau.“ Darauf werde es nämlich hinauslaufen. Wenn der Senat einerseits sage, der Personalbestand solle „stabil“ bleiben, und sich gleichzeitig auf Bereiche festlege, an denen nicht gespart und wo das Bevölkerungswachstum nachvollzogen werden soll wie etwa Schulen, Polizei und Feuerwehr, dann müsse automatisch an anderer Stelle gespart werden.

SPD und Grüne beantragen Klimaprojektgesellschaft

Am anderen Ende des Handlungsspek­trums wird derzeit die Gründung einer Investitionsgesellschaft sowie einer „Klimaprojektgesellschaft“ geprüft. Letztere, so haben SPD und Grüne es bereits beantragt, könnte helfen, die öffentlichen Unternehmen der Stadt in ihrem Ziel zu unterstützen, bis 2040 klimaneutral zu werden – indem sie sie berät, aber gegebenenfalls auch selbst direkt investiert.

Dahinter steckt die vor allem bei den Grünen verbreitete Sorge, dass das Geld im Haushalt nicht ausreichen wird, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Am liebsten würden sie daher auch die Klimakrise zur Notsituation erklären und die Schuldenbremse analog zur Corona-Bekämpfung dafür aussetzen.

In was solle eine neue Klimagesellschaft investieren?

Weil das derzeit keine Mehrheit findet, denken auch die Ampel-Partner in Berlin über Investitionsgesellschaften nach – wobei oft auf das Beispiel Hamburg verwiesen wird. Denn hier nehmen seit Jahrzehnten Dutzende öffentliche Unternehmen wie die Saga oder die Hochbahn im großen Stil Kredite für ihre Projekte auf. Eine weitere Investitionsgesellschaft wäre also keine Weltneuheit, aber es stellt sich die Frage, in was sie eigentlich investieren soll: Solar- und Gründächer? Radwege? Wohnungen?

Mutmaßungen, dass sich Rot-Grün nur ein Vehikel für eine versteckte Verschuldung schafft, weist SPD-Haushaltsexperte Milan Pein zurück: „Der Zweck einer neuen Investitions- oder Projektgesellschaft darf nicht darin liegen, einfach nur Kredite außerhalb des Haushalts aufzunehmen. Sie muss auch ein Geschäftsmodell haben und eigene Einnahmen generieren, um Kredite bedienen zu können. Wenn das der Fall ist, können wir uns das vorstellen.“

Haushaltsplanung: Ringen um mehr Geld für Klimaschutz

Sein Pendant bei den Grünen, Dennis Paustian-Döscher, stellt klar: „Eine Vertagung der notwendigen Investitionen zum Erreichen der Pariser Klimaziele ist für uns keine Option.“ Da das aber weder direkt über Schulden möglich sei noch über den Weg der „Notsituation Klimakrise“, brauche es Lösungen im bisherigen gesetzlichen Rahmen.

„Eine realistische Alternative ist die Klimainvestitionsgesellschaft im Konzern Hamburg“, so der Haushaltspolitiker der Grünen, „um hier die Klimaneutralität der öffentlichen Unternehmen und der Gebäude der Stadt voranzutreiben und die Mobilitätswende auf Kurs zu halten.“ Das Ringen um mehr Geld für den Klimaschutz ist also eröffnet. Beendet wird es Erst Ende 2022 mit Beschluss des neuen Haushalts – der wird übrigens nicht am 9. November erfolgen, sondern erst einen Monat später.