Hamburg. Wer nützt im Bürgerschaftswahlkampf mehr? Merz, Kramp-Karrenbauer oder Spahn? Und wer wird Spitzenkandidat?


Wer nützt den Hamburger Christdemokraten im Bürgerschaftswahlkampf 2020 mehr? Ein ­Bundesvorsitzender Friedrich Merz, der frühere Unions-Fraktionschef im Bundestag? CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer oder doch Jens Spahn, der Bundesgesundheitsminister? „Angesichts der Hamburger Wählerschaft stecken wir da in einem Dilemma“, sagt ein ranghoher hiesiger Christdemokrat. Soll wohl heißen: Die Frage ist nicht leicht zu entscheiden.

Nun werden die 17 Hamburger CDU-Delegierten zwar vermutlich nicht ausschlaggebend sein, wenn die insgesamt 1001 Delegierten des Bundesparteitags am 7. Dezember in den Messehallen über die Nachfolge von Angela Merkel an der Spitze der CDU entscheiden. Vom Ausgang der Wahl hängt dennoch für die Elb-CDU einiges ab.

Wie die Bundes- Einfluss auf die Landespolitik nimmt

Denn es ist unbestritten, dass die Bundespolitik einen enormen Einfluss auf Landtags- und Bürgerschaftswahlen haben kann, auch wenn die Wahlkämpfer in den Ländern das meist gern anders hätten.

Beispiel: In Hessen regierte die schwarz-grüne Koalition vier Jahre lang konfliktfrei, nach Einschätzung vieler erfolgreich und hatte mit dem Christdemokraten Volker Bouffier einen in der Bevölkerung geschätzten Ministerpräsidenten. Dennoch stürzte die CDU vor drei Wochen mit Bouffier an der Spitze um 11,3 Prozent ab. Man muss keinen Politikwissenschaftler bemühen, um zu erkennen, dass die Chaos-Tage in Berlin, das Hickhack zwischen CDU und CSU, zwischen Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer ein entscheidender Faktor für die deutliche Niederlage gewesen sind.

Hamburger CDU ist auf Rückenwind aus Berlin angewiesen

Die Hamburger CDU, deren Ausgangslage mit dem historischen Tief von 15,9 Prozent bei der Wahl 2015 äußerst bescheiden ist, ist auf Rückenwind aus Berlin geradezu angewiesen, Gegenwind jedenfalls wäre eine Katastrophe. Wer als Parteichef oder -chefin in der CDU den Kurs bestimmt, ist in diesem Zusammenhang durchaus von erheblicher Bedeutung – noch dazu, wenn er oder sie möglicherweise nach einem vorzeitigen Aus der Großen Koalition die Kanzlerkandidatur ins Visier nimmt.

Vor allem in wirtschaftsliberalen, unionsnahen Milieus ist angesichts der Aussicht, dass Merz die Merkel-Nachfolge antreten könnte, beinahe Euphorie ausgebrochen. Der Sauerländer steht nun einmal für eine klare ordnungspolitische, marktwirtschaftliche Orientierung. Das kommt auch in der Hamburger Wirtschaft gut an. Das Problem: So mag in CDU-Kreisen in Blankenese, Nienstedten, in den Walddörfern und im Alstertal gedacht werden. Die Mehrheit der Wähler, auch der CDU-Wähler, lebt in anderen Stadtteilen.

Kann „Anti-Merkel“ Merz Stimmen von der AfD zurückholen?

Aber da ist ja noch Merz’ forsche Ansage am Donnerstag auf der CDU-Regionalkonferenz in Lübeck, er traue sich als Bundesvorsitzender zu, den Wähleranteil der AfD zu halbieren. Schon berichten Christdemokraten von Info-Veranstaltungen in bürgerlichen Gegenden der Stadt, auf denen Besucher sagen: „Ich habe beim letzten Mal AfD gewählt, weil ich wollte, dass ihr einen Denkzettel bekommt. Aber wenn Friedrich Merz Parteivorsitzender wird, wähle ich euch wieder.“ Auch wenn die AfD in Hamburg im Ländervergleich bislang eher bescheidene Ergebnisse erzielt hat, könnte Merz als „Anti-Merkel“ auch hier ein paar Prozentpunkte ziehen.

„Ich halte es für möglich, dass die AfD ganz aus der Bürgerschaft verschwindet, wenn Friedrich Merz CDU-Bundesvorsitzender ist“, sagt der Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß aus Winterhude sogar, zugleich stellvertretender CDU-Landeschef. Ploß, der auch Delegierter des Bundesparteitags ist, hat sich schon auf den Kandidaten Merz festgelegt. Auch Ploß’ Einschätzung ist ziemlich forsch, selbst wenn die AfD in Hamburg bei Weitem nicht an die Ergebnisse der Partei im Süden und Osten der Republik heranreicht. Bei der Bürgerschaftwahl 2015 kam die AfD auf 6,1 Prozent, bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 waren es 7,8 Prozent.

AKK als Parteichefin: Ein attraktives Angebot für die Städte?

Bei einer CDU-Parteichefin Kramp-Karrenbauer wäre die strategische Ausgangslage völlig anders. Mit „Merkels Mädchen“ wäre selbstverständlich kein „Anti-Merkel-Effekt“ zu erzielen. Dafür könnte AKK, wie Kramp-Karrenbauer parteiintern genannt wird, als Parteichefin allerdings ein attraktives Angebot für die urbanen Milieus der Stadt sein, die sonst eher die Grünen oder auch SPD wählen. Ohne eine solche Öffnung zur Mitte hin gibt es für die Union im weltoffenen, liberalen Hamburg nicht besonders viel zu holen.

„Mit einem Bürgermeisterkandidaten, der das politische Profil von Friedrich Merz hat, würden wir in Hamburg bei maximal 20 Prozent landen“, sagt ein einflussreicher Christdemokrat. Die Erkenntnis, dass der Spitzenkandidat oder die -kandidatin „anschlussfähig“ mindestens in das grüne Milieu hinein sein muss, ist in der Elb-Union Allgemeingut. Davon zeugte auch der Plan, die frühere niedersächsische Sozialministerin aus Hamburg, Aygül Özkan, zur Spitzenkandidatin zu küren. Özkan musste bekanntlich wegen einer schweren Erkrankung absagen.

Und wer wird Hamburger CDU-Spitzenkandidat?

Unvergessen ist in der CDU ein kurzes Scharmützel während des Sommers. André Trepoll, CDU-Oppositionschef in der Bürgerschaft, hatte öffentlich für eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP geworben, als die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, mittlerweile Spitzenkandidatin der Grünen, Trepolls ausgestreckte Hand prompt und ziemlich brüsk zurückwies.

Im Abendblatt-Interview gab Fegebank zu Protokoll, dass sie „in der CDU mit André Trepoll einfach keinen interessanten Gesprächspartner“ finde. Auch Trepoll hat ein eher konservatives Profil. Das war zweifellos ein politischer Tiefschlag. Trepolls Entscheidung, selbst nicht als Spitzenkandidat bei der Bürgerschaftswahl anzutreten, stand danach noch unumstößlicher fest.

Heintze und Trepoll wollen erst im Frühjahr entscheiden

CDU-Landeschef Roland Heintze und Trepoll wollen sich, nachdem mit Ex-Staatsrat Nikolas Hill ein weiterer möglicher Spitzenkandidat krankheitsbedingt absagen musste, bis zum Frühjahr Zeit nehmen, um der Partei einen neuen Vorschlag zu machen. Die Kandidaten stehen nicht Schlange. „Das Pro­blem ist ja, überhaupt jemanden zu finden, der dazu bereit ist“, sagt ein Christdemokrat aus der Führungsspitze der Partei.

Die von Heintze und Trepoll selbst verordnete Auszeit bei der Suche hält die CDU-Mitglieder nicht ab, sich ihrerseits Gedanken zu machen. So ist in den vergangenen Tagen häufiger der Name der stellvertretenden Fraktionschefin Birgit Stöver als denkbarer Spitzenkandidatin zu hören. Die Harburgerin, die sich selbst nicht zu möglichen Ambitionen äußern wollte, hat aber keine eigene Hausmacht in der Union.

Ärger wegen zu wenig Frauen ist für die Hamburger CDU nicht neu

Aufmerksamen Parteifreunden ist allerdings nicht entgangen, dass Stöver bei einer Sitzung der Frauen-Union schon einmal vorsorglich ihr Interesse an einer Bundestagskandidatur anmeldete, falls die Große Koalition in Berlin vorzeitig scheitere. Frauenpower gewissermaßen – für die Hamburger CDU sitzen derzeit vier Männer im Bundestag.

Die Aufstellung der Landesliste ohne eine Frau auf einem aussichtsreichen Platz hatte vor der Bundestagswahl für mächtigen Ärger gesorgt. Ein gewisser Ehrgeiz ist Birgit Stöver also nicht abzusprechen. Die Unterstützung für eine mögliche Spitzenkandidatur ist aber (noch) überschaubar.