Hamburg. Senat zieht Konsequenzen aus eskalierten Massenpartys im Stadtpark. Zudem wurden weitere Lockerungen für Hamburg verkündet.

Auf die Frage, wie das funktionieren solle, hatte SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher am Dienstag im Rathaus auch keine überzeugende Antwort parat. Es könne in der Tat „schwierig in der praktischen Handhabung“ werden, bei Tanzveranstaltungen mit 250 Menschen immer das „im Grunde weiter geltende allgemeine Abstandsgebot“ zu wahren, räumte der Senatschef ein.

Anlass dieser Analyse war die Frage einer Journalistin bei der Pressekonferenz zu den vom Senat vorgestellten Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Danach sind Tanzveranstaltungen zumindest unter freiem Himmel von Freitag an wieder erlaubt – sofern die maximal 250 Besucher sich anmelden, negativ getestet wurden, sich registrieren und auch sonst alle Hygienevorschriften beachtet werden.

Bedürfnis jüngerer Hamburger entgegenkommen

Auf die Frage, wo denn solche Freiluft-Partys auch mit Blick auf den Lärmschutz stattfinden könnten, zeigten sich Tschentscher und sein Innensenator Andy Grote (SPD) überzeugt, dass sich viele Orte und Veranstalter in der Stadt finden würden. Es sei allerdings nicht Sache des Senats, das zu organisieren.

Mit der Erlaubnis zum kontrollierten Massentanz an der frischen Luft will der Senat offenbar dem Bedürfnis vor allem jüngerer Hamburger entgegenkommen, endlich wieder gemeinsam zu feiern. Zuletzt hatten angesichts der wiederholten Ausschreitungen im Stadtpark auch Polizei-Gewerkschafter gefordert, mehr legale Möglichkeiten zum Feiern zu schaffen.

Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß forderte weitere Lockerungen

Der Senat machte am Dienstag deutlich, dass er die Gewalt bestimmter Gruppen im Stadtpark nicht dulden werde. „Wir haben eine zweigeteilte Lage in der Stadt“, sagte Innensenator Grote. „Im überwiegenden Teil ist die Lage entspannt. Jeder hat Verständnis für das Bedürfnis der jungen Leute.“

Im Stadtpark träfen sich aber auch gezielt Gruppen, die sich über die Social Media verabredeten, Böller mitbrächten und Flaschen auf Polizisten würfen. Es komme zu Straftaten wie Körperverletzungen, Landfriedensbruch und Sexualdelikten. „Alkohol ist der entscheidende Treiber für die Eskalation“, so Grote. Deswegen sei ein Alkoholverbot hier sinnvoll, das künftig an Freitagen und Sonnabenden von 21 bis 6 Uhr des Folgetages gilt.

Polizei-Gewerkschaft begrüßt Alkoholverbot im Stadtpark

Die Gewerkschaft der Polizei begrüßte diese Maßnahme. „Die Hamburger Polizei bekommt dadurch die notwendige Rückendeckung, um Corona-Regeln flächendeckend, konsequent und rechtssicher durchzusetzen“, sagte der Landesvorsitzende Horst Niens. Das temporäre Alkoholverbot im Stadtpark sei „ein probates Mittel, um hier gefahrenabwehrend tätig werden zu können“.

Sein Stellvertreter Lars Osburg äußerte allerdings Bedenken, dass die legalen Tanzveranstaltungen das Problem lösten: „Es dürfte ein Irrglaube sein, dass sich die Straftäter der vergangenen Wochenenden nun regelkonform verhalten, sich anmelden, regelmäßig testen lassen und diese legalen Angebote wahrnehmen.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß forderte weitere Lockerungen – aber auch ein strengeres Vorgehen der Polizei. „Wir haben volles Verständnis dafür, dass Jugendliche feiern möchten“, sagte Ploß. „Daher schlagen wir als CDU vor, dass Hamburg sich an anderen Bundesländern orientiert und Jugendlichen in ausgewiesenen Partyzonen im Freien die Möglichkeit eröffnet, feiern zu gehen.“

Antigenschnelltests jetzt für 48 statt bisher 24 Stunden gültig

 Als Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Nord/Alstertal setze er sich aber auch dafür ein, „dass die Sorgen der Anwohner in Eppendorf und Winterhude endlich vom rot-grünen Senat gehört werden“, so Ploß. „Wenn Grünanlagen zerstört werden, wenn in Hauseingänge gepinkelt wird und Anwohner wegen des Dauerlärms nicht mehr schlafen können, dann hat das mit berechtigten Anliegen von Jugendlichen nichts mehr zu tun. Um solche Zustände in Zukunft zu verhindern, fordern wir stärkere Kontrollen. Die Hamburger Grünanlagenverordnung muss endlich auch im Stadtpark, an der Alster und am Winterhuder Kai umgesetzt werden.“

Neben der Erlaubnis für Tanzveranstaltungen hat der Senat weitere Lockerungen beschlossen. So sind Antigenschnelltests jetzt für 48 statt bisher 24 Stunden gültig.  Für das Boarding von Kreuzfahrtschiffen reichen Antigentests. Kontakt- und Mannschaftssport ist wieder ohne Beschränkung der Personenzahl erlaubt – in Innenräumen gelten dabei weiterhin Auflagen. Auch für öffentliche Sportveranstaltungen wurden die Regeln gelockert, sodass mehr Zuschauer sie besuchen können (siehe Seite 1).

 Kritik Tschentschers an den Regelungen des Bunds für Reiserückkehrer

Bürgermeister Tschentscher erneuerte bei der Vorstellung der Beschlüsse seine Kritik an den aus seiner Sicht zu lockeren Regelungen des Bunds für Reiserückkehrer. „Ich habe den Eindruck, dass wir einen Fehler wiederholen, den wir im Herbst schon einmal gemacht haben“, so Tschentscher. Es gehe darum, Gastronomie, Kultur und Schulen zu öffnen, da verstehe er nicht, warum die Bundesverordnung „in dieser laxen Weise formuliert“ worden sei. „Wir sollten alles daransetzen, keinen Rückfall zu erleiden“, so Tschentscher. „Es ist nicht nötig, Infektionen von A nach B zu tragen.“

Bürgermeister Peter Tschentscher
Bürgermeister Peter Tschentscher © picture alliance | Unbekannt

Er gebe „die dringende Empfehlung, nicht in Risikogebiete zu reisen“. Mit Blick auf mögliche neuerliche Einschränkungen im Herbst sagte Tschentscher, dies sei eine „Abwägungsfrage“. Sollten die Infektionszahlen wieder ansteigen, „müssten wir ja was tun“, so der Bürgermeister. Dann müsse man sehen, ob man wieder einen Lockdown für alle oder nur für Nicht-Geimpfte einführe. Das sei eine „weitreichende“ und noch nicht abgeschlossene Überlegung, denn die Impfung sei ja freiwillig. „Man leistet damit aber einen Dienst für die Allgemeinheit, und ich bin dafür, darüber nachzudenken, ob vollständig Geimpfte von bestimmten Beschränkungen ausgenommen werden“, so der Senatschef.

7-Tage-Inzidenz stieg in Hamburg minimal an

Am Dienstag stieg die 7-Tage-Inzidenz in Hamburg minimal an, blieb aber mit 9,8 weiter einstellig. Die Sozialbehörde meldete 27 Neuinfektionen, acht mehr als am Dienstag vergangener Woche. In Hamburger Krankenhäusern wurden zuletzt 36 Patienten wegen  einer Corona-Infektion stationär behandelt,  17 davon werden auf Intensivstationen behandelt. Die Sozialbehörde meldete keinen neuen Todesfall, bisher sind 1590 infizierte Hamburger gestorben. Laut Senat  wurde die Deltavariante in 62 Fällen in Hamburg nachgewiesen, zudem gebe es 45 Verdachtsfälle.

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51,7 Prozent der Hamburger sind mindestens einmal und 34,7 Prozent bereits vollständig geimpft. Es seien mittlerweile auch alle Obdachlosen geimpft worden, die Interesse an einer Impfung gezeigt hätten, teilte die Sozialbehörde mit.

Zwischen 1800 und 2000 Menschen hätten das Angebot angenommen. „Um das möglich zu machen, haben viele zusammengearbeitet“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). „Gemeinsam ist es sehr rasch gelungen, viele der gesundheitlich oft eingeschränkten Menschen auf der Straße wirksam vor einer Covid-Erkrankung zu schützen.“

Diese Maßnahmen hat der Senat neu beschlossen:

  • Tanzveranstaltungen im Freien sind mit bis zu 250 Personen unter Auflagen möglich (insbesondere Hygiene- und Schutzkonzept, Abstandsgebot, Testpflicht, Voranmeldung, (digitale) Kontaktnachverfolgung).
  • Das Mitführen und der Verzehr von Alkohol sind im Stadtpark am Freitag und Sonnabend sowie an Tagen, auf die ein Feiertag folgt, von 21 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages nicht gestattet.
  • Die Gültigkeit von Antigenschnelltests wird von 24 auf 48 Stunden erweitert. Das Boarding einer Kreuzfahrt ist nun auch mit Antigenschnelltests möglich.
  • Die Sitzplätze von Zuschauerinnen und Zuschauern bei Sportveranstaltungen dürfen künftig auch im Schachbrettmuster angeordnet werden. Stehplätze müssen weiterhin mit Abstand von 1,5 Metern zueinander angeordnet werden.
  • Im Freien und in geschlossenen Räumen ist Mannschaftssport und Kontaktsport unabhängig von der Personenzahl zulässig. In geschlossenen Räumen gilt eine Begrenzung der Personenzahl in Abhängigkeit von der Raumgröße (eine Person je zehn Quadratmeter Fläche). Die bisherigen Auflagen bleiben bestehen  – insbesondere die Testpflicht in geschlossenen Räumen.