Hamburg. Im Schatten der Corona-Pandemie entscheiden die Hamburger Parteien, wer für die Bundestagswahl kandidiert. Ein Zwischenstand.
Es ist eher ungewöhnlich, dass der Wechsel an der Spitze eines Verwaltungsamts per Pressemitteilung des Senats bekannt gemacht wird. Aber Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) war es in dieser Woche wichtig mitzuteilen, dass Franziska Hoppermann – Christdemokratin und Landesvorsitzende Frauen-Union – vom 1. April an Leiterin des Zentralamts wird und damit verantwortlich für Haushalt, Verwaltung, Personal und IT der Behörde.
„Franziska Hoppermann kennt die Strukturen und Abläufe im Zentralamt, die vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen sowie die Stärken und Herausforderungen sehr gut“, sagte Gallina. Hoppermann sei auf allen Ebenen mit den wichtigsten Akteuren auch in der Justiz vernetzt. „Sie wird deshalb auch das Zentralamt sehr gut führen, Akzente setzen und die Behörde als Ganzes weiter voranbringen“, so die Senatorin.
Amtsleiterin Hoppermann wird für Bundestag kandidieren
Die hoffnungsfrohe Erwartung Gallinas überrascht denn doch ein wenig, weil sie von der neuen Amtsleiterin, die bislang dort Abteilungsleiterin war, voraussichtlich nicht viel haben wird. Hoppermann wird – daraus hat sie nie einen Hehl gemacht – für den Bundestag kandidieren.
Die bisherige CDU-Fraktionschefin in der Bezirksversammlung Wandsbek ist die weibliche Hoffnungsträgerin der Männer-dominierten Elb-CDU und soll auf dem als sicher geltenden Listenplatz zwei für die Wahl am 26. September antreten. Vor vier Jahren hatte es bei den Frauen in der Elb-CDU einen Aufstand gegeben, weil alle aussichtsreichen Listenplätze mit Männern besetzt waren.
Wahlkampf während Einarbeitung
Hoppermann, die auch als Direktkandidatin im Wahlkreis Wandsbek antritt, wird nun parallel zur Einarbeitung in den neuen Job Wahlkampf führen. Letztlich werden sich Gallina und Justizstaatsrätin Katja Günther (Grüne) im Herbst eine neue Amtsleiterin suchen müssen.
CDU-Landeschef Christoph Ploß hat mit Blick auf die Aufstellung der Landesliste, die erst am 29. Mai erfolgen soll, ein ganz anderes Problem. Aufgrund einer Wahlrechtsänderung, die die Hamburger CDU benachteiligt, gelten nur noch drei statt wie bisher vier Listenplätze als sicher. Dadurch wird es nun voraussichtlich zu einer Kampfkandidatur um Platz drei kommen: zwischen den Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse und Christoph de Vries. Dabei werden de Vries bessere Chancen eingeräumt, auch wegen seiner eher konservativen Ausrichtung, die er mit Ploß teilt.
Der Landeschef wird voraussichtlich auf Platz eins antreten. Als wahrscheinlich gilt, dass die Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling auf Platz fünf kandidiert, sodass auf den ersten fünf Positionen zwei Frauen vertreten wären. Die politische Zukunft des Bundestagsabgeordneten und Spitzenkandidaten bei der Bürgerschaftswahl 2020, Marcus Weinberg, ist sehr offen. Weinberg tritt nur als Direktkandidat in seinem Wahlkreis Altona an und geht so mit seinem eher liberalen Profil dem Gerangel um die Listenplätze aus dem Weg.
Bei der SPD gibt es in Hamburg-Mitte vier Bewerber
Die SPD setzt im Wesentlichen auf Kontinuität. Die Abgeordneten Niels Annen (Eimsbüttel), Matthias Bartke (Altona), Dorothee Martin (Nord/Alstertal), Aydan Özoguz (Wandsbek) und Metin Hakverdi (Harburg/Bergedorf) wollen in ihren Wahlkreisen wieder antreten. Nur in Mitte ergibt sich nach dem abrupten Abgang des langjährigen Zampanos Johannes Kahrs eine Zäsur.
Falko Droßmann, Bezirksamtsleiter in Mitte und enger Kahrs-Weggefährte, geht als Favorit ins Rennen um die Direktkandidatur, hat aber drei Mitbewerber: Yannick Regh, Vize-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte, Meryem Dagmar Celikkol, Präsidentin der Bezirksversammlung und bis 2020 Grünen-Politikerin, sowie Mahmut Cinar aus dem SPD-Distrikt Hamm-Borgfelde.
Turbulenzen beim SPD-Kreisverband Mitte
Seit dem Abgang von Kahrs ist der SPD-Kreisverband Mitte, einst straff geführt, in Turbulenzen. Geprägt ist die Lage von der Animosität zwischen Droßmann und Innensenator Andy Grote, der die Kandidatur von Regh unterstützt. Der neue Kreisvorsitzende, der Bürgerschaftsabgeordnete Hansjörg Schmidt, wird dem Grote-Lager zugerechnet.
Wie die CDU entscheidet auch die SPD sehr spät erst am 29. Mai über die Listenaufstellung. Angesichts der Stärke der Grünen ist es keinesfalls mehr sicher, dass die SPD wie 2017 fünf Direktmandate erringen kann, sodass der Listenfolge diesmal eine große Bedeutung zukommt. Nach Lage der Dinge dürfte Annen als Staatssekretär auf Platz eins antreten, gefolgt von Aydan Özoguz. Danach ist die Reihenfolge noch offen.
Eine wenig heikle Personalie haben die Sozialdemokraten übrigens auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben: die erneute Wahl von Sozialsenatorin Melanie Leonhard zur Landesvorsitzenden, obwohl die Wahlperiode eigentlich schon im Sommer 2020 beendet war.
Wahlerfolge machen die Lage bei den Grünen kompliziert
Bei den Grünen ist die Lage nicht trotz, sondern wegen der jüngsten Wahlerfolge etwas unübersichtlich. Die Partei ist auch an Zahl der Mitglieder deutlich gewachsen und muss und will sich in Teilen neu orientieren. Doch zumindest in einem Punkt herrscht bislang Klarheit: Einzige Bewerberin um Listenplatz eins, den die langjährige Abgeordnete Anja Hajduk frei macht, ist Katharina Beck.
Die Finanzbetriebswirtin, die bislang in der Partei nicht in der ersten Reihe steht, ist Senior Managerin für Nachhaltigkeitsstrategien und Sprecherin der Grünen-Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen. Beck tritt auch als Direktkandidatin im Wahlkreis Nord-/Alstertal an und damit gegen Christoph Ploß und Dorothee Martin.
Wer übernimmt den Landesvorsitz bei den Grünen?
Ex-Justizsenator Till Steffen geht als Favorit ins Rennen um Platz zwei und trifft auf den Mitte-Fraktionschef Manuel Muja. Emily Fester von der Grünen Jugend könnte es auf Platz drei mit der früheren Bürgerschaftsabgeordneten Linda Heitmann zu tun bekommen. Der Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin will auf Platz vier antreten. Weitere Namen könnten hinzukommen.
Da Anna Gallina als Senatorin grünem Brauch folgend nicht erneut als Landesvorsitzende kandidieren kann, muss eine Nachfolgerin bestimmt werden. Bislang haben die beiden Bürgerschaftsabgeordneten Maryam Blumenthal und Sina Demirhan ihre Kandidaturen erklärt. Die Grünen wollen über die Liste sowie den Landesvorstand am 17. und 18. April entscheiden und haben für die Mitgliederversammlung das Tennisstadion am Rothenbaum angemietet.
Für die FDP steht eine Runderneuerung an
Eine Runderneuerung an der Spitze steht für die FDP an, nachdem Katja Suding ihren Rückzug aus der Politik angekündigt hat. Mit Ex-Bürgerschaftsfraktionschef Michael Kruse, der am vergangenen Wochenende seinen Hut in den Ring geworfen hat, und dem Bundestagsabgeordneten Wieland Schinnenburg gibt es zwei Bewerber um Platz eins, den Suding frei macht. Zudem wird damit gerechnet, dass auch Ria Schröder, Ex-Chefin der JuLis, auf dem Platz kandidieren wird. Anna von Treuenfels-Frowein, Spitzenkandidatin bei der Bürgerschaftswahl, hat sich noch nicht festgelegt.
Als möglicher Nachfolger von Suding an der Spitze des Landesverbandes hat der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Daniel Oetzel nun mit Michael Kruse, der eine Kombi-Bewerbung gestartet hat, weitere Konkurrenz bekommen. Auch Schinnenburg ist bereit für eine Kandidatur als Landesvorsitzender. Derzeit gilt Oetzel, der sich auf das Parteiamt beschränken will, als Favorit. Die Liberalen wollen am 24. und 25. April über Liste und Landesvorstand entscheiden.
Lesen Sie auch:
- Die schmerzhaften Lehren aus der Pandemie
- Corona: Schnelltests und halbierte Klassen – so öffnen Hamburgs Schulen
- Cum-Ex-Affäre: Olaf Scholz und Peter Tschentscher sollen aussagen
Wer nach de Masis Rückzug bei den Linken kandidiert
Nach dem angekündigten Rückzug des Linken-Bundestagsabgeordneten Fabio de Masi wird seine Parlamentskollegin Zaklin Nastic auf Platz eins antreten. Derzeit ist noch offen, wer auf dem zweiten Platz kandidiert. Viel Zeit bleibt nicht mehr, die Linken wollen ihre Landesliste am 26. und 27. März aufstellen.
Die einzige Partei, die ihre Entscheidung schon getroffen hat, ist die AfD. Die Delegierten wählten den Bundestagsabgeordneten und früheren Bürgerschaftsfraktionschef Bernd Baumann, der Erster Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion ist, bereits im November erneut auf Platz eins.
Dem aktuellen Bundestag gehören 16 Hamburger Abgeordnete an. Aufgrund von vier Überhang- und Ausgleichsmandaten waren es so viele wie nie zuvor. Viel spricht dafür, dass es nicht noch einmal so kommen wird. Derzeit sind fünf Abgeordnete Frauen, das entspricht einem Anteil von nur 30 Prozent. Und es ist nicht sicher, dass sich das verbessern wird. Noch ist es ein fast lautloser Kampf um die Tickets nach Berlin – die Pandemie überschattet alles.