Hamburg. Die Prognose sei aber “mit hoher Unsicherheit behaftet“ – wegen des Ukraine-Kriegs und wegen der unklaren Corona-Entwicklung.

In den kommenden Jahren könnte Hamburg insgesamt bis zu vier Milliarden Euro an Mehreinnahmen erhalten – das geht aus der Mai-Steuerschätzung hervor, die Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Dienstag im Rathaus vorgestellt hat. Allein für 2022 erwartet die Behörde 793 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen gegenüber der November-Steuerschätzung im Jahr 2021, wonach die Behörde von 829 Millionen an Mehreinnahmen für 2022 ausgegangen war. Nimmt man das nun erwartete zusätzliche Plus hinzu, könnte Hamburg in diesem Jahr insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro mehr einnehmen.

Auch für das Jahr 2023 rechnet die Finanzbehörde mit Mehreinnahmen von 793 Millionen Euro gegenüber der November-Steuerschätzung. In den darauffolgenden Jahren könnten sich Mehreinnahmen von 785 Millionen Euro (2024), 760 Millionen Euro (2025) und 820 Millionen Euro (2026) ergeben, so die Behörde.

Steuerschätzung: Hamburg könnte knapp vier Milliarden Euro mehr einnehmen

Daraus folgt, dass sich die Einnahmeerwartungen bis 2026 um insgesamt 3,9 Milliarden Euro erhöhen. Zur Einordnung: 2021 hatte Hamburg insgesamt 14,031 Milliarden Euro Steuereinnahmen – im Jahr 2026 könnte die Hansestadt 15,5 Milliarden erhalten. Die Abweichung zur November-Schätzung ergebe sich etwa aus einer guten Entwicklung der Steuereinnahmen im ersten Quartal dieses Jahres, sagte Dressel. Die Erholung am Arbeitsmarkt schlage sich im Lohnsteueraufkommen nieder.

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Der üppige Schätzwert für 2022 hängt wohl mit einem besonderen Effekt zusammen: So erwartet die Finanzbehörde in diesem Jahr einen Zuwachs von mehr als 130 Prozent bei der Kapitalertragssteuer, der zum großen Teil auf das enorme Wachstum der Reederei Hapag-Lloyd zurückzuführen sein dürfte. Die Stadt hält 13,9 Prozent an der Reederei.

Hamburg ist bisher gut durch die Corona-Krise gekommen – auch finanziell

Der Finanzsenator bemühte sich am Dienstag allerdings, eventuell aufkommende Euphorie zu bremsen – so, wie er es schon bei der November-Schätzung getan hatte. Hamburg sei zwar wirtschaftlich gut aus der Corona-Krise gekommen; es gebe „starke Erholungstendenzen“ bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt der Hansestadt.

„Zu den positiven Nachrichten gehört auch, dass die geringere Inanspruchnahme von Konjunktur- und Corona-Krediten sich positiv auf die Neuverschuldung der Stadt auswirken wird“, sagte Dressel. Insgesamt dürfte diese bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode um fünf Milliarden Euro weniger ansteigen als es einem Worst-Case-Szenario zufolge während der Corona-Krise zu befürchten gewesen war. Die weitere Entwicklung der Pandemie sei jedoch unklar. Auch angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und gestörter Lieferketten sei die jüngste Steuerschätzung „nur eine Momentaufnahme in einer Phase großer Unsicherheit“, so Dressel.

Senat setzt auf Steuertrend

Wegen Hamburgs hoher Exportorientierung etwa durch den Hafen sei ein kriegsbedingter Einbruch der Steuereinnahmen möglich. „Wir sind auch dieses Mal in der Ableitung der Bundeszahlen für Hamburg besonders vorsichtig vorgegangen und haben Risikoabschläge vorgenommen“, sagte Dressel. Noch unberücksichtigt seien Vorhaben des Bundes wie das Steuerentlastungsgesetz 2022 und der Entwurf eines vierten Corona-Steuerhilfegesetzes. Sie führten bis 2026 zu einem Minus von 629 Millionen Euro im Hamburger Haushalt.

Davon abgesehen bleibt der Senat bei seinem Vorgehen, für die Finanzplanung nicht kurzfristige Erwartungen als Maßstab zu nehmen, sondern einen langfristigen Steuertrend, der sich aus einem 14-jährigen „Stützzeitraum“ ergibt. Mit Ausnahme des Jahres 2022 liegen die aus der Mai-Schätzung errechneten Einnahmen unter dem langfristigen Steuertrend.

Lieber an den Ausgaben, statt dem Personal

Schon bei der November-Schätzung hatte Dressel erklärt, er könne keine Entwarnung für kommende Haushalte geben. „Spielräume für neue Projekte bestehen nicht.“ Am Dienstag sagte er, es gehe vielmehr darum, die „städtischen Grundfunktionen sicherzustellen“. Dressel verwies etwa auf Kostensteigerungen für Personal und die „Personalkostenbremse“ des Senats.

Wie berichtet, ist die Zahl der städtischen Mitarbeiter seit 2015 von unter 60.000 auf mehr als 65.500 angestiegen. Entsprechend stiegen die Ausgaben: Machten die Personalkosten 2016 noch 33,6 Prozent des Haushalts aus, waren es 2019 schon 37 Prozent. Auf Nachfrage am Dienstag, ob der Senat Personal einsparen muss, sagte Dressel: Viel wichtiger als ein „Streichkonzert“ sei, das Wachstum der Ausgaben zu begrenzen.

CDU warnt vor Inflationsgewinnen

Die Opposition reagierte mit unterschiedlichen Erwartungen auf die Steuerschätzung. Inflation und steigende Preise führten zu höheren Steuereinnahmen, sagte der CDU-Abgeordnete Thilo Kleibauer. „Hier darf der Staat keine Inflationsgewinne machen, während die Steuerzahler von hohen Mehrbelastungen betroffen sind.“ Es sei unverständlich, dass der Senat „ausgerechnet in diesem Umfeld die Grunderwerbsteuer erhöht“.

Nach Ansicht des Linken-Abgeordneten David Stoop entfallen durch die höheren Einnahmeerwartungen Argumente für Einsparungen etwa bei Investitionen. „Das Signal müsste jetzt sein: Hamburg investiert jetzt nachhaltig und sozial, etwa in einen besseren und günstigeren ÖPNV oder in bezahlbares Wohnen.“ Die AfD forderte eine Entlastung der Bürger bei den Energiekosten. Für Haushaltsdisziplin plädierte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. „Das Millionenplus ist überhaupt kein Anlass, um im Interesse des rot-grünen Koalitionsfriedens Steuermehreinnahmen zu verteilen.“

So berechnet die Finanzbehörde die Steuerschätzung

Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle des städtischen Haushalts. Eine möglichst genaue Schätzung, welche Summe mittelfristig zusammenkommen könnte, dient dem Senat als wesentliche Grundlage für die Planung der künftigen Haushalte. Abhängig davon, ob die Steuereinnahmen hoch, niedrig oder auf dem bisherigen Niveau sein werden, kann die Stadt in den kommenden Jahren mehr oder weniger Geld ausgeben.

Die Finanzbehörde berechnet die Steuerschätzung anhand zweier Prognosen. Die erste liefert der Arbeitskreis Steuerschätzung, der zum Bundesfinanzministerium gehört. Dabei muss allerdings jedes Bundesland – auch Hamburg – seine finanz- und wirtschaftspolitischen Besonderheiten berücksichtigen. In der Hansestadt hat etwa die Wirtschaftskraft des Hafens einen sehr großen Einfluss auf die gesamte wirtschaftliche Lage Hamburgs.