Berlin. Wahlkampf-Experte Julius van de Laar über Biden-Bilder, die Trump ausschlachten wird, und den 27. Juni, der alles verändern könnte.
Nur der US-Präsident schaut in eine andere Richtung: Wahlkampf-Experte Julius van de Laar erklärt, warum Joe Bidens Alter und seine Gesundheit wieder Thema werden.
Was war in der vergangenen Woche das prägendste Ereignis in den USA?
Julius van de Laar: Die Woche wurde dominiert von den Bildern von Joe Biden, der sehr viel unterwegs war und ist. Er war in der Normandie zum D-Day, dann zurück im Weißen Haus und jetzt ist er in Italien beim Treffen der G7. Für einen Mann in einem so fortgeschrittenen Alter ist das ein sehr anspruchsvolles Programm. Es war eine Woche, in der viele Bilder produziert wurden, auf denen Joe Biden einmal mehr an vielen Stellen sehr alt gewirkt hat. Deshalb taucht die Frage wieder auf: Ist er zu alt für eine zweite Amtszeit?
Ich erinnere an das Foto neben dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron oder an das Bild aus dem Weißen Haus, als er neben Kamala Harris stand. Oder ganz besonders auffällig jetzt beim G7-Gipfel, als Biden bei der Landung von Fallschirmspringern wie eingefroren — in Teilen sogar verwirrt wirkt. Alle blickten auf die Szenerie, nur Biden schaute in die entgegengesetzte Richtung, wo auch ein Fallschirmspringer seinen Schirm zusammenfaltete. Man hatte den Eindruck, dass Biden nicht wusste, wo er war. Er wirkte tapsig. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat das dann bemerkt und ihn zur Gruppe zurückgeholt.
Ein gefundenes Fressen für die Trump-Kampagne?
So ist es. Das schlachten Donald Trump und viele Republikaner natürlich sofort aus. Sie sagen den Wählerinnen und Wählern einmal mehr: Ihr habt die Wahl. Biden ist alt und schwach. Trump steht für Stärke!
Wie wirkt sich das denn aus? Wo stehen Trump und Biden in den Umfragen?
Nach dem Urteil gegen Donald Trump als Straftäter gab es Umfragen, die zeigten, dass Biden zwei Prozentpunkte aufholen konnte. Doch inzwischen liegt in den nationalen Umfragen Trump wieder leicht vorn. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Deshalb ist die erste Präsidentschaftsdebatte zwischen Trump und Biden am 27. Juni so wichtig.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Die Debatte läuft so früh wie noch nie. Wird sie denn stattfinden?
Davon gehe ich fest aus. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner haben sich bisher noch nicht wirklich dem Wahlkampf gewidmet. Sie haben sich bisher gewundert, wie es sein kann, dass sie wieder mit diesen beiden Typen konfrontiert sind. Sie hatten vielleicht die Hoffnung, dass einer noch ausgetauscht wird. Aber am 27. Juni wird ihnen klar werden: Das sind jetzt die zwei Kandidaten, die auf dem Stimmzettel stehen werden. Dann werden sie anfangen, sich ein Bild zu machen, deshalb ist die erste Debatte sehr wichtig. Danach könnten sich die Umfragen wirklich drehen.
Wird Hunter Biden zur Belastung für seinen Vater?
Das jetzige Urteil hat sich nicht so stark ausgewirkt wie von Trump erhofft. Medial gab es eine kurze Welle – jetzt ist das Thema aber weitestgehend durch, zumindest außerhalb des Trump-Orbits. Biden hat sich nicht in die Rechtsprechung eingemischt. Er erkennt anders als Trump den Rechtsstaat und das Justizsystem an. Doch es gibt noch einen zweiten Prozess gegen den Sohn von Biden. Er beginnt im September und es wird um Steuerhinterziehung gehen. Fünf oder sechs Wochen vor der Wahl könnte das einen Unterschied machen, könnte Hunter Biden zur Belastung für seinen Vater werden.
- Gut informiert: Aktuelle Nachrichten rund um die US-Wahl 2024 im Newsblog
- Supreme Court: Reaktionen auf Trump-Urteil – „Todesstoß” für US-Demokratie
- Erfolg vor Gericht: Supreme Court gesteht Trump Immunität zu – teilweise
- Nach TV-Schlappe: Joe Biden gibt nicht auf – US-Präsident als „Comeback-Kid“?
- Hintergrund erklärt: Hinter Trumps Nähe zum MMA-Kampfsport steckt ein Kalkül
Der ehemalige Sonderermittler Nathan Wade in Georgia meint, auch wenn Trump Präsident wäre, könnten Ermittlungen gegen ihn weiterlaufen. Ist das tatsächlich möglich?
Als Präsident genießt Trump Immunität. Gegen einen amtierenden Präsidenten kann zwar ermittelt werden, dann aber in Form eines politischen Prozesses – das sogenannte Impeachment-Verfahren, das Verfahren zur Amtsenthebung. Das hat Trump schon zwei Mal durchgemacht. Schlussendlich wird es aber (sollte es zum Impeachment-Verfahren kommen) mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Senat nicht geben.
Lesen Sie auch: Supreme Court muss entscheiden: Steht Trump über dem Gesetz?