Berlin. Am 6. Juni 1944 gelang der D-Day, heute verwendet die FDP den Begriff für ihr Strategiepapier. Was passierte damals? Ein Überblick.
Am 6. Juni 1944 landeten alliierte Truppen in einer streng konzertierten und geheim gehaltenen Aktion am Strand der nordfranzösischen Normandie. Ihr Ziel: Nazi-Deutschland besiegen und Europa befreien. Die sogenannte „Operation Overlord“ gilt als einer der Wendepunkte im Zweiten Weltkrieg – und als eines der aufwändigsten Militärmanöver der jüngeren Geschichte. Nach dem Aus der Ampel-Koalition wurde der historische Begriff 2024 plötzlich wieder publik, nachdem die FDP ihr Ausstiegsszenario danach benannt hatte. Aber wie kam es zum eigentlichen D-Day? Und welche Auswirkungen hat er konkret gehabt? Ein Überblick.
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Was war der D-Day und warum ist er ein entscheidender Moment in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs?
Die amerikanische Bezeichnung „D-Day“ steht für „Day-Day“, laut US-Armee einfach eine Alliteration ohne besondere Bedeutung. Bei den Franzosen heißt es Jour J. Das Wort bezieht sich auf den 6. Juni 1944, als die Westalliierten erstmals an der nordwestlichen Küste Frankreichs nahe Cherbourg landeten. Oftmals hört man, das „D“ stehe für „débarquement“ (Anlandung) oder „decision“ (Entscheidung). Rund 150.000 Soldaten betraten französischen Boden. Bis zum 12. Juni 1944 gingen 326.000 Mann an Land, 54.000 Fahrzeuge und 104.000 Tonnen Material. Es handelte sich um einen absoluten Überraschungsmoment im Zweiten Weltkrieg: Denn wenn die Alliierten aus dem Westen europäisches Festland betreten würden, so nahmen die Nationalsozialisten an, dann würden sie das an einer ganz anderen Stelle tun, nämlich am Pas-de-Calais, wo der Ärmelkanal enger ist.
Dass es dazu nicht kam, lag am raffinierten Täuschungsmanöver, das die Alliierten fast ein Jahr lang geplant hatten. Im Rahmen dieser „Operation Fortitude“ wurden Funksprüche gefälscht, Soldaten wurden an unbedeutende Orte im Südosten Englands gelegt, fiktive Befehlshaber wurden erfunden und Baseballspiele in den USA wurden zwischen den Einheiten per Funk übertragen. Man kreierte ganze Phantomdivisionen, um die Deutschen über den tatsächlichen Ort und Zeitpunkt des Angriffs zu täuschen.
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Welche alliierten Streitkräfte waren am D-Day beteiligt und wie wurden die Landungen an der Küste der Normandie durchgeführt?
Hauptakteur waren die USA. Auch Großbritannien, Kanada, Frankreich mit General Charles de Gaulle (der zu dem Zeitpunkt eine Exilregierung anführte) und zahlreiche andere Länder (darunter Australien, Norwegen und Belgien) waren beteiligt. Eine polnische Division kam ebenfalls zum Einsatz. Die Landungstruppen bestanden sowohl aus Boden-, Marine- als auch Luftstreitkräften. Die Operation, die auch als „Neptune“ bekannt ist, war die amphibische Phase der „Operation Overlord“.
Vorab wurden detaillierte Karten erstellt, amphibische Landefahrzeuge und spezielles Gerät entwickelt, und es gab ausgedehnte Trainingsoperationen. Die alliierten Streitkräfte führten sorgfältige Aufklärungsmissionen durch, einschließlich Luftbildfotografie, um genaue Informationen über die deutschen Verteidigungsanlagen zu sammeln.
Vor und während der Landungen führten alliierte Bomberflugzeuge und Schiffe massive Bombardierungen durch, um die deutschen Verteidigungsstellungen, Kommunikationszentren und Nachschublinien zu schwächen. Die Normandieküste wurde in fünf Hauptabschnitte unterteilt: Utah und Omaha (US-Streitkräfte), Gold (britische Armee), Juno (kanadische Armee) und Sword (ebenfalls britische Armee). Jeder Strand hatte spezielle Einheiten zugeordnet, die für die Einnahme und Sicherung des Gebiets verantwortlich waren.
In den frühen Morgenstunden des 6. Juni landeten Luftlandetruppen schließlich hinter den Stränden, um Schlüsselpositionen zu sichern und die Bewegungen der deutschen Truppen zu behindern. Kurz darauf folgte der Hauptangriff mit amphibischen Truppen, die in einer koordinierten Aktion an den zugeteilten Stränden landeten.
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Wie viele Soldaten kamen bei der Operation ums Leben?
Laut der Commonwealth War Graves Commission kamen am D-Day selbst mehr als 4000 alliierte Soldaten ums Leben. Auf deutscher Seite sowie aus von den Nationalsozialisten besetzten Ländern belief sich die Zahl der getöteten Soldaten auf etwa 9000. Die Zahl der in den folgenden Wochen ums Leben gekommenen Soldaten indes variiert je nach Quelle, da die Aufzeichnungen aus den 1940er-Jahren nicht immer vollständig sind. Die „Operation Overlord“ begann mit dem D-Day und endete Ende August 1944, als Paris befreit war und die meisten Teile Nordfrankreichs von den Alliierten eingenommen waren.
Schätzungen zufolge beläuft sich die Zahl der Toten, Vermissten und Verwundeten während der Schlacht in der Normandie auf 210.000 bis über 400.000. Zirka 37.000 bis 45.000 Angehörige der Bodentruppen wurden getötet. Zu den Toten der Luft- und Seestreitkräfte kommen zusätzliche Verluste hinzu. Dies sind allerdings nur die Zahlen aus der Normandie – bei den Kampfhandlungen in Westeuropa, nach erfolgreicher Anlandung, kamen zahlreiche weitere Soldaten ums Leben.
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Welche strategischen Ziele verfolgten die Alliierten mit der Invasion in der Normandie?
Schon seit 1941 hatten die Sowjets von den Westalliierten gefordert, eine zweite Front in Westeuropa zu eröffnen, um den Druck von der Ostfront zu nehmen. Dort hatte die Sowjetunion den Großteil der Wehrmachtskräfte gebunden. Durch die Invasion in der Normandie wollten die Alliierten Deutschland zwingen, Truppen aus dem Osten abzuziehen und zweigleisig kämpfen zu müssen.
Ein zweites, sehr wichtiges Ziel war die Befreiung Europas von der Nazi-Herrschaft, beginnend mit Frankreich. Von dort aus wollte man sich den Weg ebnen, um weiter nach Deutschland vorzustoßen und Hitlers Regime zu stürzen.
Außerdem wollten die Alliierten die sogenannten Achsenmächte schwächen, also Hitler und seine Vebündeten Italien und Japan. Die militärische Wucht des „D-Day“ sollte den Achsenmächten zeigen: Wir meinen es ernst. Die Achsenmächte zu schwächen, sollte durch die Errichtung einer sicheren Basis in Westeuropa gelingen – denn damit konnten die Alliierten Direktangriffe auf deutsche Truppen und das besetzte Europa durchführen, was wiederum Hitlers Kriegsanstrengungen schwächen sollte. Die Normandie zu kontrollieren, bot den Alliierten weitere Vorteile. So konnten sie die dortigen Häfen nutzen, um Nachschub und Verstärkung nach Europa zu bringen.
Um die Invasion zum Erfolg zu führen, mussten die Alliierten die Lufthoheit in Westeuropa erringen. Sie mussten sicherstellen, dass sie den Himmel für Aufklärungsflüge, Bombermissionen und zur Unterstützung der Bodentruppen frei nutzen konnten.
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Welche Herausforderungen mussten die Alliierten überwinden?
Es ist nicht so, dass die Nazis die Alliierten gar nicht erwartet hätten. Im Gegenteil: Entlang der westeuropäischen Küsten hatten sie massive Verteidigungsanlagen errichtet, den sogenannten Atlantikwall, einschließlich Bunkern, Landminen, Hindernissen, Artilleriestellungen und Maschinengewehrnestern, die darauf ausgelegt waren, jede amphibische Landung abzuwehren.
Eine weitere Herausforderung waren das Wetter und die Gezeiten. Schlechte Bedingungen verzögerten die Invasion um einen Tag und beeinflussten die ersten Phasen der Landung. Bei den nächtlichen Anlandungen hatten die alliierten Streitkräfte Schwierigkeiten bei der Navigation und mussten nicht nur die stark verteidigten Strände ansteuern, sondern auch bei starker Strömung und schlechter Sicht präzise Manöver durchführen. Gleichzeitig kämpften die Militärs damit, die verschiedenen Streitkräfte (Land, Luft und See) effizient zu koordinieren, was auch an den Kommunikationsmöglichkeiten der damaligen Zeit lag.
Die Gegebenheiten vor Ort waren mitunter sehr unterschiedlich. Vor allem Omaha Beach, wo die US-Truppen anlandeten, war von den Deutschen extrem gut verteidigt. Dies führte zu hohen Verlusten auf amerikanischer Seite. Hatten sie die deutschen Stellungen erst eingenommen, kam es darauf an, rasch für Nachschub zu sorgen und temporäre Häfen (sogenannte Mulberry-Häfen) zu errichten.
Die Nationalsozialisten gaben indes nicht auf – sie wehrten sich erbittert und setzten Gegenoffensiven ein, oft unter Einsatz von Elite-Panzereinheiten wie den SS-Panzerdivisionen, was zahlreiche zusätzliche Gefechte erzwang und das Vorrücken der Alliierten verlangsamte.
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Welche langfristigen Auswirkungen hatte der D-Day auf den Verlauf des Zweiten Weltkriegs?
Das Ziel der Alliierten, eine zweite Front gegen die Deutschen aufzumachen, ging voll auf. Die Landung in der Normandie teilte die Kräfte der deutschen Wehrmacht und führte zu einer strategischen Entlastung der Sowjetunion an der Ostfront. Die Deutschen mussten Schlüsselressourcen abzweigen und erlitten Kontrollverluste über kritische Gebiete. Allgemein führte der D-Day dazu, dass die Nazis weniger Offensivoperationen durchführten. Die Initiative wechselte immer stärker zu den Alliierten.
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Doch auch ein anderes Kernziel der Alliierten wurde erreicht, nämlich der Anfang vom Ende der nationalsozialistischen Vorherrschaft in Westeuropa. In den Monaten nach dem D-Day wurden Länder wie Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande befreit.
Schlussendlich bedeutete der D-Day auch einen Motivationsschub für die alliierten Truppen: Die Tatsache, dass die aufwändige Operation so erfolgreich verlaufen war, stärkte die Moral der Beteiligten und der von Deutschland besetzten Gebiete. Plötzlich wurde klar: Die Mittel und der politische Wille, die Nationalsozialisten zu besiegen, sind vorhanden.
Man kann auch festhalten, dass im Erfolg des D-Day moderne Militärbündnisse wie die Nato ihren Kern haben. Denn bei der konzertierten Militäraktion haben etliche Länder vertrauensvoll miteinander kooperiert. Die Vereinten Nationen wurden im Oktober 1945 gegründet, 1949 folgte die Nato-Gründung.
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Anmerkung: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Zahl der am D-Day ums Leben gekommenen Soldaten sei nicht genau bekannt. Die Stelle wurde präzisiert. Ebenso wurde die Bedeutung der Bezeichnung „D-Day“ richtiggestellt, über die unterschiedliche Erklärungen kursieren.