Berlin. Vielen Menschen scheint die EU kompliziert, das Bündnis hat viele Regeln und Besonderheiten. Das Glossar zur Europawahl – von A bis Z.

  • Die Europawahl 2024 läuft, in Deutschland sind die Wahllokale seit 8 Uhr geöffnet
  • Rund 370 Millionen Menschen sind aufgerufen, mit ihrer Stimme die EU mitzugestalten
  • Was muss man über das Bündnis wissen? Der große Überblick – von A bis Z

Das Europaparlament ist einzigartig: Außer ihm gibt es weltweit keine weitere supranationale, direkt gewählte Volksvertretung. In diesen Tagen findet wie alle fünf Jahre die Europawahl statt. In Deutschland können die Bürger am Sonntag ihre Stimme abgeben. Wir haben von A bis Z zusammengetragen, was man über das Parlament und den europäischen Politikbetrieb wissen sollte.

Europawahl 2024: Das große EU-Glossar – von A wie Abgeordnete bis Z wie Zahnarzt

Abgeordnete: Gewählt werden jetzt 720 Parlamentarier aus den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die größte Gruppe stellt das bevölkerungsreiche Deutschland mit 96 Abgeordneten. Aus dem kleinen Malta werden sechs Abgeordnete kommen.

Brüssel:Belgiens Hauptstadt ist auch die informelle EU-Hauptstadt. Das Parlament hat seinen Sitz allerdings im französischen Straßburg, wo das Plenum zwölf Mal im Jahr tagt. Der größte Teil der Parlamentsarbeit findet gleichwohl in Brüssel statt.

Christdemokraten: Europas Mitte-Rechts-Parteien, darunter CDU und CSU, sind seit jeher die dominierende Kraft im Europaparlament. Das dürfte auch nach dieser Wahl wieder so sein. Weil es für eine absolute Mehrheit nie reicht, müssen informelle Koalitionen eingegangen werden.

Diäten: Wie viel Geld erhalten die Abgeordneten nach der Europawahl?

Diäten: Das monatliche Grundgehalt der Abgeordneten liegt bei etwas mehr als 10.000 Euro brutto. Hinzu kommt eine Kostenpauschale in Höhe von fast 5.000 Euro pro Monat und ein Tagesgeld von 350 Euro für jeden Tag, an dem sich der Abgeordnete dienstlich im Parlament aufhält. Reisekosten werden zusätzlich erstattet.

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Umfrage: Union mit Abstand stärkste Kraft bei Europawahl

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    EU-Institutionen: Neben dem Parlament wirken drei weitere Organe an der Beschlussfassung in der Union mit. Das sind die EU-Kommission als Exekutive, der Rat der Europäischen Union, in dem die nationalen Fachminister zusammenkommen und entscheiden, sowie der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs.

    Fraktionen: Nach jeder Wahl organisieren sich die EU-Abgeordneten in länderübergreifenden Fraktionen. Im bisherigen Parlament gibt es sieben Fraktionen, von ganz links bis ganz rechts.

    Gesetzgebung: Das Parlament ist hier einer von drei Akteuren. Die Vorschläge kommen von der EU-Kommission. Die eigentlichen Gesetzgeber sind Parlament und Rat. Sie müssen immer Kompromisse finden.

    EU-Haushalt: Parlament mit eingeschränkten Befugnissen

    Haushalt: Das Budgetrecht ist das Königsrecht freier Parlamente. Das EU-Parlament muss sich in Sachen Geld allerdings mit den Mitgliedstaaten ins Benehmen setzen. Es gibt einen jährlichen EU-Haushaltsplan und den Mehrjährigen Finanzrahmen. Letzterer hat gegenwärtig ein Gesamtvolumen von rund 1200 Milliarden Euro. Hinzu kommen Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds in Höhe von mehr als 800 Milliarden Euro. Nach den Wahlen dürfte die Debatte über den Finanzrahmen ab 2028 an Fahrt gewinnen.

    Interessenvertreter: In Brüssel arbeiten Schätzungen zufolge 50.000 Lobbyisten. Alle versuchen, Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen.

    Jugendliche: Bei dieser Europawahl dürfen in Deutschland mehr als eine Million junge Leute, die noch nicht volljährig sind, erstmals ihre Stimme abgeben. Die Ampelkoalition hat das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt.

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    EU-Kommission: So beeinflusst die Europawahl die „Regierung“ der Union

    Kommission: Deren Präsident oder Präsidentin wird von den Staats- und Regierungschefs nominiert. Danach muss diese Person aber eine absolute Mehrheit im Europaparlament hinter sich bringen. Amtsinhaberin Ursula von der Leyen (CDU) gelang das 2019 nur knapp. Sie möchte ihr Amt weitere fünf Jahre ausüben. Auch das Gremium der 27 EU-Kommissare muss vom Parlament bestätigt werden.

    Ursula von der Leyen bemüht sich um eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin, doch die Wiederwahl ist ihr keineswegs sicher.
    Ursula von der Leyen bemüht sich um eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin, doch die Wiederwahl ist ihr keineswegs sicher. © AFP | JANA RODENBUSCH

    Luxemburg: Hier sitzt das Generalsekretariat des Europaparlaments, also die zentrale Verwaltung.

    Maison Antoine: Belgiens berühmteste Frittenbude. Sie liegt inmitten des Brüsseler Europaviertels, nur ein paar Schritte vom Parlament entfernt.

    Networking: Das ist eine Tätigkeit, der die gesamte Brüsseler EU-Szene permanent nachgeht. Ständig geht es darum, sich neue Zugänge zu verschaffen. Dem dienen unter anderem abendliche Empfänge.

    Politiker nach Europa abschieben? Von wegen!

    Opa nach Europa: In vergangenen Jahrzehnten entsorgten deutsche Parteien gern verdiente Kräfte ins Europaparlament. Das hat sich grundlegend geändert. Heute beginnen viele Karrieren in Brüssel und Straßburg oder werden dort fortgesetzt.

    Parlamentspräsident: Ein sehr prestigeträchtiger Posten. Der Amtsinhaber leitet den Parlamentsbetrieb und vertritt das Haus nach außen. Derzeit hat die konservative Politikerin Roberta Metsola aus Malta den Posten inne.

    Quästoren: Das sind Mitglieder des Parlamentspräsidiums, die sich um Verwaltungs- und Finanzfragen kümmern. Alle zweieinhalb Jahre werden fünf Quästoren gewählt. Die Fraktionen nutzen das als Verhandlungsmasse bei anderen Personalien.

    Reisezirkus: Zwischen Brüssel und Straßburg liegen rund 430 Kilometer. Für die monatlichen Plenarwochen in Straßburg muss der ganze Betrieb umziehen. Das kostet viel Zeit und Geld und ist klimaschädlich. Eine Änderung scheitert am Widerstand Frankreichs.

    Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Bundestagsabgeordnete, ist oft in Talkshows zu Gast. In Brüssel wird sie eine zentrale Rolle in der liberalen Fraktion spielen.
    Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Bundestagsabgeordnete, ist oft in Talkshows zu Gast. In Brüssel wird sie eine zentrale Rolle in der liberalen Fraktion spielen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

    Sprachen: In der EU gibt es 24 Amtssprachen. Die Dokumente des Parlaments werden in sämtlichen Amtssprachen veröffentlicht. Die Parlamentarier können in der Amtssprache ihrer Wahl sprechen und schreiben. In der täglichen Arbeit dominieren Englisch und – mit Abstrichen – Französisch.

    Termine: Die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments findet vom 16. bis 19. Juli in Straßburg statt. Dann wird unter anderem das Präsidium gewählt. Es gibt Bestrebungen, dann auch den oder die neue Kommissionspräsidentin zu wählen.

    Unions-Staatsbürgerschaft: Wer Staatsbürger eines EU-Landes ist, aber in einem anderen Mitgliedsstaat lebt, darf dort auch an den Europawahlen teilnehmen. Das kann zum Beispiel ein Deutscher sein, der in Spanien lebt.

    Versorgung: Wer EU-Abgeordneter wird, erwirbt recht schnell Rentenansprüche. Das gedeckelte „Ruhegehalt“ fließt nach Vollendung des 63. Lebensjahrs. Es beträgt 3,5 Prozent des regulären Gehalts für jedes volle Jahr der Zugehörigkeit zum Parlament und ein Zwölftel davon für jeden weiteren vollen Monat.

    Europawahl: Das bestimmen die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimme

    Wahl: In der EU können jetzt rund 360 Millionen Wahlberechtigte nach dem Verhältniswahlsystem über die Zusammensetzung des EU-Parlaments bestimmen. In Deutschland sind es 65 Millionen. Die Wahllokale sind hierzulande am Sonntag von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

    X: Die Social-Media-Plattform, ehemals Twitter, ist auch im Europaparlament einer der zentralen Kommunikationskanäle. Am Wahlabend gibt es aktuelle Informationen und Ergebnisse unter @Europarl_DE.

    Ypern: Stadt in Flandern, westlich von Brüssel. In Schlachten des Ersten Weltkriegs starben hier eine Million Menschen. Heute gibt es in der Gegend etliche Museen und Gedenkstätten. Wer mal dort war, versteht sofort, warum Europa häufig als „Friedensprojekt“ bezeichnet wird.

    Zahnarzt: Vor 25 Jahren zeigte das Europaparlament, wie mächtig es sein kann: Es erzwang den Rücktritt der EU-Kommission von Präsident Jacques Santer. Damals ging es um Vetternwirtschaft und Missmanagement. Eine Kommissarin hatte einem befreundeten Zahnarzt einen Beraterjob zugeschanzt, für den ihm die Qualifikation fehlte.