Hitler ausgetrickst: Schauspieler führte Nazis in die Irre
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Sydney. Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie. Entscheidend war ein Täuschungsmanöver mit einem australischen Schauspieler.
Der 6. Juni 1944, der sogenannte D-Day, der sich diesen Donnerstag zum 80. Mal jährt, gilt als einer der großen Wendepunkte in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er läutete den Anfang vom Ende des Zweiten Weltkrieges ein und legte den Grundstein für den Sieg der Alliierten an der Westfront. Der „D-Day“, auch unter dem Codenamen „Operation Neptun“ bekannt, ist bis heute die größte Landeoperation in der Kriegsgeschichte und erforderte eine präzise Vorbereitung bis ins kleinste Detail – taktisch und logistisch.
Die Planung dieser aufwendigen Operation, bei der 150.000 Soldaten an den Stränden der Normandie in Frankreich landeten, begann bereits im Jahr 1943. In den Monaten vor dem alles entscheidenden Tag setzten die Alliierten mit der „Operation Bodyguard“ alles daran, die Feinde aus Deutschland in die Irre zu führen. Datum und Ort der wichtigsten Landungen sollten die Nazi-Besatzer unvorbereitet treffen, die Täuschung musste perfekt sein.
Dafür überlegten sich die Alliierten einen dreisten Schwindel und scheuten dafür keinen Aufwand: So stationierte man im Südosten Englands sogar eine fiktive Armee – bestehend aus echten Truppen sowie aus Attrappen von Landungsbooten und Panzern. Eine der Hauptrollen in dem Täuschungsmanöver spielte der australische Schauspieler Meyrick Clifton James. Denn Clifton James sah dem alliierten Befehlshaber, Feldmarschall Bernard Montgomery, bekannt als „Monty“, verblüffend ähnlich.
D-Day in Frankreich: Schauspieler täuschte die Nazis – Nachfahren äußern sich erstmals
Für „den großen Bluff“ schlüpfte der Australier in die wichtigste Rolle seines Lebens und gab sich als Montgomery aus, um den Anschein zu erwecken, dass dieser in Europa und Afrika unterwegs war und sich nicht in Großbritannien aufhielt, um die Invasion vorzubereiten. Anlässlich des 80. Jahrestages des D-Day haben die Nachfahren des australischen Schauspielers nun erstmals mit der Presse gesprochen, und zwar mit dem „Sydney Morning Herald“, dem auch Clifton James nach gelungener Mission einst ein Interview gegeben hatte.
Heraus kam, dass Clifton James wegen einer Truppenshow in seiner Umkleidekabine im Comedy Theatre in London war, als ein Fotograf hereinkam und sagte, er habe von seiner Ähnlichkeit mit Feldmarschall Montgomery gehört. Der Schauspieler lieh sich daraufhin eine Baskenmütze und posierte für ein Foto. Nachdem dieses in einer Zeitung veröffentlicht wurde, traf wenig später ein Brief des Kriegsministeriums ein, in dem er nach London eingeladen wurde.
Dort wurde er von einem gewissen „Colonel Lester“ empfangen, der sich als Mitglied des MI5, der Geheimdienstabteilung der Armee, vorstellte und ihm sagte, dass er ausgewählt worden sei, als Doppelgänger von General Montgomery zu fungieren. „Es ist unsere Aufgabe, den Feind auszutricksen und vielleicht das Leben Tausender Menschen zu retten“, sagte dieser.
Täuschungsmanöver: „Das ist Monty, wie er leibt und lebt“
Richard Clifton James, der Enkelsohn des einstigen Helden, der heute in Perth lebt, sagte dem „Sydney Morning Herald“, dass die Rolle seines Großvaters als Montys Double anspruchsvoll gewesen sei: Er habe viel Training gebraucht, aber – so erklärte sein Vater es ihm – es sei damals um England gegangen und darum, das zu tun, was eben getan werden müsse. „So war offenbar auch die Denkweise meines Großvaters“, berichtete er. Das Ganze sei „eine unglaubliche Geschichte“.
Clifton James lernte, wie Montgomery zu gehen und zu sprechen, und erhielt von einem Militärschneider eine Uniform, die mit Nachbildungen der Abzeichen des Generals und seiner Orden verziert war. In einem Interview, das der „Sydney Morning Herald“ 1946 mit dem damals noch lebenden Clifton James geführt hatte, hatte dieser gesagt: „Ich zog die Uniform an, ließ meine Haare leicht aufhellen, verbreiterte meinen Schnurrbart und setzte die Baskenmütze auf.“
Dann habe er durchgeatmet und sich zum ersten Mal anderen präsentiert. In dem Raum sei das Gespräch abrupt abgebrochen und jemand habe gerufen: „Das ist Monty, wie er leibt und lebt.“ Daraufhin habe er eine Woge der Erleichterung verspürt.
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Trick sollte Hitler täuschen – doch es gab ein Problem
Um einen Punkt machte sich der Australier dann aber doch Sorgen: So hatte er während des Ersten Weltkrieges den Mittelfinger seiner rechten Hand verloren. „Ich hatte das Gefühl, dass etwas dagegen unternommen werden musste, denn Monty trug selten Handschuhe und winkte ausnahmslos mit der rechten Hand“, sagte er in dem Interview vor 78 Jahren. Doch dann habe man ihm sehr geschickt mit einem Stück Watte und fleischfarbenem Pflaster einen falschen Finger gebastelt und an seiner Hand befestigt.
Kurz vor dem D-Day unternahm der Schauspieler dann – wie seine Familie der australischen Tageszeitung berichtete – eine Tour zu den Kriegsschauplätzen im Mittelmeerraum. Er ließ sich in Gibraltar sehen und fuhr durch die Straßen von Algier, wo ihm die Menschen zujubelten, ohne zu wissen, dass es sich nicht um den echten Montgomery handelte. Mit Ablenkungsmanövern wie diesem, das die Spione der Nazis wohl tatsächlich nicht durchschauten, gelang es den Alliierten, Hitler und seine Truppen mit dem D-Day zu überraschen. Richard Clifton James berichtete, dass vor allem sein Vater sehr stolz auf den Großvater gewesen sei.
Ein Foto, das die Familie im Flur aufgehängt hat, verwirrt anscheinend bis heute einige Besucher, die den Großvater nach wie vor mit Montgomery verwechseln. „Sie sehen sich wirklich ähnlich, nicht wahr?“, meinte der Enkelsohn. Sein Großvater schrieb in seinem späteren Leben ein Buch über seine Erlebnisse und verkörperte die Rolle dann auch in einem Film über die geheime Operation – beide mit dem Titel „I was Monty‘s Double“ (1958).
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