New York. Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten wird mit Donald Trump ein ehemaliger US-Präsident strafrechtlich verurteilt.
- Donald Trump ist im Schweigegeld-Prozess schuldig gesprochen worden
- Der Ex-Präsident wirkte nach der Verkündung des Urteils wie benommen
- Muss Trump jetzt ins Gefängnis? Sein Verteidiger kündigte Berufung an
Nach nur zwölf Stunden Beratungszeit hat die Jury im Schweigegeld-Prozess gegen Donald Trump um den Porno-Star Stormy Daniels am Donnerstag ein historisches Urteil gefällt. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und bislang aussichtsreicher Anwärter auf die Kandidatur für die Wahl im November ist in allen 34 Anklagepunkten einstimmig für schuldig erklärt worden.
Das Strafmaß wird am 11. Juli verkündet, vier Tage vor dem Parteikongress der Republikaner in Milwaukee, auf dem Trump offiziell als Präsidentschaftskandidat ausgerufen werden soll. Ob Trump eine Gefängnisstrafe erhält, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Seine Verteidiger kündigten bereits Berufung an.
- Urteil: Schuldig in allen Anklagepunkten – Trump wirkte wie benommen
- Kommentar: Verurteilter Verbrecher sollte niemals ins Weiße Haus gelangen
- US-Wahlen: Verurteilter Straftäter als Präsident: Geht nicht? Geht doch
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Trump habe Wähler getäuscht
Trump hat demnach – wie die Anklage im Schlussplädoyer über fünf Stunden detailliert ausgeführt hatte – Geschäftsunterlagen frisiert, um eine vor der Präsidentschaftswahl 2016 geleistete Schweigegeld-Zahlung über 130.000 Dollar an die Erotikdarstellerin Stormy Daniels zu vertuschen. Dadurch hat er aus Sicht der Anklage auf illegale Weise die Wähler getäuscht und sich doppelt strafbar gemacht.
Die bürgerlich Stephanie Clifford heißende Frau hatte 2006 mit Trump eine kurze Affäre gehabt (die Trump bestreitet) und war vor acht Jahren gewillt, dies öffentlich zu machen. Trump, so ergab der fast sieben Wochen dauernde Prozess durch über 20 Zeugenvernehmungen, hatte Angst, dass dies seine Wahlchancen gegen die Demokratin Hillary Clinton zunichtemachen könnte – darum ließ er über seinen damaligen Privatanwalt Michael Cohen die „hush money”-Aktion einstellen und abwickeln.
Als Richter Juan Merchan am Donnerstag gegen 16.30 Uhr Ortszeit im Gerichtssaal im Süden Manhattans eine Notiz darüber verlas, dass die zwölf Geschworenen bereits eineinhalb Prozesstage nach Beginn ihrer internen Beratungen zu einem Ergebnis gekommen sind, verstummte beim diesmal mit einer blauen Krawatte bekleideten Angeklagten das Lachen. Der 77-Jährige kreuzte die Arme vor der Brust und tuschelte mit einem seiner Anwälte. Später wartete er mit geschlossenen Augen auf die Entscheidung. Als sie kam, wirkte Trump kurz wie benommen. Seine Miene war versteinert. Im Publikum schüttelte sein zweitältester Sohn Eric den Kopf.
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Trump nennt Urteil „eine Schande“
Nachdem alle 34 Anklagepunkte abgehakt und ausnahmslos negativ für Trump beschieden worden waren, bestätigten die zwölf Geschworenen einzeln ihr Votum. Chefverteidiger Todd Blanche suchte danach sofort den Kontakt zum Richter und verlangte die Streichung des Schuldspruchs. Juan Merchan verwarf den Antrag auf der Stelle.
Trump selbst nannte das Urteil eine „Schande” und sprach erneut von einem „gezinkten Prozess” und einem „korrupten Richter”. Das Ziel sei gewesen, ihm die Wiederwahl im kommenden November zu verbauen. Aber diese Geschichte sei „noch lange nicht vorbei”. Trump im O-Ton: „Das wahre Urteil kommt am 5. November durch das Volk.”
Zuvor hatte das Trump-Team die Sage verbreitet, die zwölf Laienrichter dürften sich auf Geheiß von Berufsrichter Juan Merchan aus diversen Verbrechenskategorien etwas aussuchen; Hauptsache, am Ende laufe es auf zwölfmal schuldig hinaus – ein grobe Verzerrung, ja Lüge, über das, was den Geschworenen vorgegeben worden war.
Urteil ist historisch
Auf der Basis der von vielen Rechtsexperten so klar und so schnell nicht erwarteten Entscheidung, die historisch ist – noch nie wurde in der Geschichte Amerikas ein Ex-Präsident strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen und für schuldig erklärt – , muss man davon ausgehen, dass die Strategie von Trumps Anwälten um Chefverteidiger Todd Blanche komplett gescheitert ist.
Die aus fünf Frauen und sieben Männern bestehende Jury, darunter mindestens zwei Juristen, deren Identität bisher sorgfältig geheim gehalten wurde, schenkte dem Versuch, die Beweiserhebung der Staatsanwaltschaft zu diskreditieren („Es gibt keinen Fall, der Präsident hat kein Verbrechen begangen”) offensichtlich keinen Glauben. Damit widerfährt auch dem massiv kritisierten Kronzeugen Michael Cohen, der einst für Trump die Drecksarbeit gemacht hat und sich über die Causa Stormy Daniels mit ihm entzweite, Genugtuung, obwohl er mehrfach der Lüge überführt worden war. Trumps Verteidiger hatten den gelernten Juristen sogar als „größten Lügner aller Zeiten” abgekanzelt.
Die Wahlkampagne von Präsident Joe Biden äußerte sich zurückhaltend zum Urteil. „Niemand steht über dem Gesetz”, sagte ein Sprecher und erinnerte dabei daran, dass der einzige Weg, Donald Trump vom Oval Office fernzuhalten, im November über die Wahlurne führe. Denn: „Verurteilter Straftäter oder nicht – Trump wird der Kandidat der Republikaner sein.” Trump im O-Ton: „Das wahre Urteil kommt am 5. November durch das Volk.”
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Trump könnte auch mit Verurteilung Präsident werden
Weil Trump nicht vorbestraft ist und keine Gewalttat begangen hat, ist seine Inhaftierung unwahrscheinlich, sagen Justiz-Insider. Auch dass Richter Juan Merchan im weiteren Verlauf eine Kaution verlangt, sei nicht zu erwarten. Nach der Verurteilung haben die Anwälte des Präsidenten bis zu sechs Monate Zeit, um offiziell in Berufung zu gehen. Bis dieser Einspruch endgültig bearbeitet ist, möglicherweise vom Obersten Gericht in Washington, können Monate bis Jahre vergehen. Juan Merchan weiß das.
Ob er trotzdem vorher auf Umsetzung der Strafe setzt, und sei es in einer Mischform aus Hausarrest und Bewährung, ist offen. Klar aber ist: Selbst ein Gang hinter Gitter würde Trump nicht daran hindern, sich am 5. November für das höchste Staatsamt zur Wahl zu stellen. Die US-Verfassung sieht in einem Verbrecher kein Hindernis für das Weiße Haus.
Weite Teile des neuen republikanischen „Maga“-Establishments wüsste Trump dabei an seiner Seite. Wie andere nach Lourdes, so pilgerten zig Top-Konservative in den vergangenen Wochen nach New York, teilweise in der gleichen Krawattenfarbe wie Trump, um dem Parteiführer seelischen Beistand zu leisten. Ob sie diese Ehrerbietung durchhalten, sollte sich der öffentliche Wind drehen und Trump als verurteilter Krimineller in den Umfragen absacken, ist offen.
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