Moskau. Putin lässt hochrangige Militärs in Serie verhaften. Doch der jahrelange interne Filz ist nur ein Grund für den Kahlschlag.
Jewgeni Prigoschin lebt! Nicht wirklich natürlich, der berüchtigte Chef der Wagner-Söldner kam bei einem Flugzeugabsturz unter mysteriösen Umständen zu Tode. Aber seine Gedankengänge, seine Kritik an Russlands Armeeführung, setzt Kremlchef Wladimir Putin jetzt wohl um. Und das in rasender Geschwindigkeit. Geradezu in Serie werden hochrangige Militärs verhaftet. Ihnen wird Bestechung, Missmanagement und Korruption vorgeworfen – genau dies hatte Prigoschin immer wieder kritisiert.
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Zu den prominentesten Opfern der jüngsten Verhaftungswelle zählt Wadim Schamarin, einer der Stellvertreter von Generalsstabschef Waleri Gerassimow, den Prigoschin besonders hart angegriffen hatte. Der 52-Jährige Schamarin leitete im russischen Verteidigungsministerium die Hauptabteilung Kommunikation. Laut der Zeitung „Nesawisimaja Gaseta“ werfen ihm die Ermittler vor, Bestechungsgelder in Höhe von 36 Millionen Rubel (rund 360.000 Euro) erhalten zu haben.
Demnach kassierte Schamarin „im Zeitraum von April 2016 bis Oktober 2023“ „für die Erhöhung des Volumens der im Rahmen von Regierungsverträgen gelieferten Produkte für den Bedarf des russischen Verteidigungsministeriums“. Bewiesen ist der Vorwurf bislang nicht, ein Militärgericht in Moskau ordnete zunächst für zwei Monate Untersuchungshaft an. Schamarin muss aber mit einer Verurteilung rechnen.
Am Abend seiner Inhaftierung bestätigte das Ermittlungskomitee dann schon Berichte über eine weitere Festnahme im Verteidigungsministerium. Dem Chef der Abteilung für die Sicherstellung staatlicher Ankäufe von Waffen und militärischer Ausrüstung, Wladimir Wertelezki, werde Amtsmissbrauch vorgeworfen, hieß es. Er habe Forschungs- und Konstruktionsarbeiten für das Ministerium abgenommen, die gar nicht geleistet worden seien und damit dem Staat einen Schaden von umgerechnet rund 700.000 Euro zugefügt.
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Bereits zuvor waren Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow und der Chef der Kader-Hauptabteilung, Juri Kusnezow, verhaftet worden. Iwanow, Stellvertreter von Ex-Verteidigungsminister Sergej Schoigu, war für den Bau militärischer Einrichtungen zuständig. Er wird der Annahme von Bestechungsgeldern „in besonders großem Umfang“ beschuldigt. Auch Iwanow musste in Untersuchungshaft.
Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weist er zurück, gegen die U-Haft haben seine Anwälte bereits Berufung eingelegt. Russischen Medienberichten zufolge drohen dem 48-jährigen bis zu 15 Jahre Haft. Iwanow gilt als Vertrauter von Schoigu und war seit 2016 einer von zwölf Stellvertretern des Ministers. Bis 2012 leitete er die Regierung des Moskauer Gebiets, in dem Schoigu einst Gouverneur war. Als letzterer ins Verteidigungsministerium gerufen wurde, nahm er Iwanow mit.
Putins Ziel: Russische Armee soll schlagkräftiger und effizienter werden
Das Team des im Straflager ums Leben gekommenen Kremlkritikers Alexej Nawalny hatte bereits Ende 2022 Korruptionsvorwürfe gegen den 48-jährigen Politiker geäußert: In einer Recherche beschuldigte es Iwanow, er habe sich den Bau von in mehreren russischen Regionen durch Auftragnehmer des Verteidigungsministeriums finanzieren lassen. Damals erfolgte keinerlei offizielle Reaktion auf die Veröffentlichung.
Anders gelagert scheinen die Hintergründe der jüngsten Festnahme von General Iwan Popow zu liegen. Zwar wird auch ihm „Betrug in besonders großem Umfang“ vorgeworfen, so sein Anwalt. Anklage sei aber noch nicht erhoben worden. Popow galt als fähiger Militär, der allerdings ähnlich wie Prigoschin immer wieder die Armeeführung kritisiert hat. Im Juli des vergangenen Jahres wurde er entlassen, was für Aufregung unter ultranationalistischen russischen Militärbloggern sorgte.
Für ihn in die Bresche sprang Andrej Kartapolow, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament. Dieser kommentierte laut der Zeitung Kommersant, Popow sei „ein vielversprechender General“. Und weiter: „Die wichtigste Fähigkeit eines jeden Chefs besteht darin, Probleme zu sehen und seine Untergebenen anzuhören.“
Säuberungen in russischer Armee gibt es laut Kremlsprecher Peskow nicht
Kremlsprecher Dmitri Peskow weist zurück, dass es eine umfassendere Kampagne gegen die Beamten des Verteidigungsministeriums gebe. „Der Kampf gegen Korruption ist eine dauerhafte Arbeit“, sagte er. Das gehöre zu den grundlegenden Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden. Die Bekämpfung von Bestechung laufe in allen Behörden und werde auf föderaler und kommunaler Ebene fortgesetzt.
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Sicher ist: Russlands frisch wiedergewählter Präsident Wladimir Putin baut seine Armee um. Sie soll schlagkräftiger, effizienter werden. Unmittelbar nach seiner Wiederwahl ersetzte er seinen langjährigen Verteidigungsminister Sergei Schoigu durch den Wirtschaftswissenschaftler Andrej Beloussow. „Das Verteidigungsministerium muss absolut offen für Innovationen und die Einführung aller fortschrittlichen Ideen sein, um Bedingungen für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen“, so Peskow damals. Nun ernannte er den Ökonomen Oleg Saweljew zum stellvertretenden Verteidigungsminister.
Die Ernennung gilt unter Experten als weiteres Zeichen für Putins Absicht, die Effizienz des Militärs und der russischen Kriegswirtschaft zu verbessern und die Ausgaben besser zu kontrollieren.
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