Berlin. Im Netz kursieren Zitate von Prominenten zur Ukraine – alle sind gefälscht. Spuren der Desinformationskampagne führen nach Russland.
Kleine Foto-Kacheln mit Prominenten und ihren Zitaten sind in sozialen Medien beliebt. Der Fall einer aktuellen Desinformationskampagne zeigt allerdings: Manchmal ist Skepsis angebracht. So gibt es im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine seit einiger Zeit im Netz ein solches Sharepic mit dem Kopf von Til Schweiger und der vermeintlichen Aussage, dass ukrainische Beamte Immobilien in Frankreich und Italien kaufen würden – und man mehr über den Krieg nicht wissen müsse.
Oder eines mit einem Bild seines Schauspielerkollegen Jannis Niewöhner („Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“) und der Zeile, dass die USA nicht verletzt würden, wohl aber Europa. Dem Rammstein-Sänger Till Lindemann wurde ein Spruch über angeblich „sinnlose Hilfe für die Ukraine“ in den Mund gelegt.
Lesen Sie auch: Rammstein in Dresden: Eine Show mit Beigeschmack
Gefälschte Promi-Zitate zur Ukraine: Quellen fehlen
Echte Zitate sind das nicht. Sprecher von Lindemann und Niewöhner bestätigten der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass die Prominenten nie solche Aussagen getätigt hätten. Eine Sprecherin von Til Schweiger wollte sich nicht zur Echtheit äußern. Die Zitate sind in anderen Medien oder im dpa-Archiv nicht auffindbar. Auch ein Verweis auf eine Quelle fehlt auf den Sharepics.
Das Bundesinnenministerium rechnet die gefälschten Zitate der 2022 aufgedeckten russischen „Doppelgänger“-Kampagne zu. Dem Ministerium sei bekannt, dass die Kampagne „weiterhin aktiv ist und bereits seit längerem nicht mehr nur die ursprünglich namensgebende Taktik verwendet, Webseiten existierender Qualitätsmedien und öffentlicher Institutionen zu imitieren“, teilte ein Sprecher mit.
Zur neuen Taktik gehörten auch die gefälschten Zitate, die „prominenten Persönlichkeiten aus der Unterhaltungsbranche in den Mund gelegt“ würden, so der Sprecher. Diese Technik werde seit November 2023 von der „Doppelgänger“-Kampagne verwendet. Das Ministerium beobachte die Entwicklungen und stehe dazu mit Plattformen und internationalen Partnern im Austausch.
Lesen Sie auch:Wie Putin Spione ködert – auch unter Deutsch-Russen
Das System hinter der russischen „Doppelgänger“-Kampagne
Auch eine Analyse der Zivilorganisation Reset.Tech, die sich mit digitalen Bedrohungen der Demokratie beschäftigt, ordnete die Fake-Zitate der russischen „Doppelgänger“-Kampagne zu, wie das US-Magazin „Wired“ Ende vergangenen Jahres berichtete. Reset.Tech teilte mit, erkennbar werde das, weil die Netzwerke nach ähnlichen Mustern vorgingen und ähnliche Namen verwendeten.
Die „Doppelgänger“-Kampagne, die auch unter dem Namen „RRN“ (Recent Reliable News) bekannt ist, wurde 2022 aufgedeckt. In mehreren EU-Ländern verbreitete sie gefälschte Webseiten, die vortäuschten, Webseiten nationaler Medien oder Regierungswebseiten zu sein. Die EU identifizierte russische Akteure als Verantwortliche für das Desinformationsnetzwerk. Ende Juli 2023 setzte sie fünf mit dem russischen Staat verbundene Organisationen und sieben Menschen auf die Sanktionsliste.
Lesen Sie auch: Hacker-Angriff auf SPD: Baerbock droht mit „Konsequenzen“
Facebook-Konzern Meta kommt in Bedrängnis
Die gefälschten Ukraine-Aussagen mit den Köpfen Prominenter wurden bis mindestens April dieses Jahres offenbar gezielt in Umlauf gebracht. Sie finden sich in der Anzeigenbibliothek von Facebook, wo bezahlte Beiträge dokumentiert werden. Gegen Geld wurden die Sharepics gezielt Nutzern in Deutschland ausgespielt. Vielfach wurden die Anzeigen bereits gelöscht, da sie gegen die Werberegeln des Facebook-Konzerns Meta verstoßen haben sollen. Trotzdem hat etwa die Anzeige mit dem fälschlich Til Schweiger zugeschriebenen Zitat mehr als 190 000 Nutzer erreicht, wie aus der Anzeigenbibliothek hervorgeht.
Verantwortlich für die Anzeigen waren Facebook-Seiten mit willkürlich klingenden Namen wie „New Programming KTV“. Meist sind die Seiten schon gar nicht mehr aktiv. Wer tatsächlich dahintersteckt, ist unbekannt.
Der Facebook-Mutterkonzern Meta äußerte sich nicht im Detail zu den Werbeanzeigen oder den Verantwortlichen des Desinformationsnetzwerks. Meta verwies auf seine früheren Berichte zum Vorgehen gegen die „Doppelgänger“-Kampagne. „Unsere Teams arbeiten weiterhin mit höchster Priorität daran, Veränderungen in diesem Netzwerk zu beobachten“, teilte eine Meta-Sprecherin mit. In seinem Bericht zur Bedrohungslage im August 2023 nannte Meta die Kampagne die „größte und aggressivste anhaltende Einflussnahme russischer Herkunft“, gegen die der Konzern seit 2017 vorgegangen sei.
- Kriegsmaterial: Gehen Russland im Ukraine-Krieg die Panzer aus?
- Teure Produkte: Russen kaufen westliche Waren, die in Kiew niemand will
- Rüstungsmesse: Panzer, Drohnen – und die Rakete, die uns vor Putin rettet
- Militärexperte: Masala: „Auf der Krim hat die Ukraine jetzt die Initiative“
Wie sich gefälschte Sharepics erkennen lassen
Ob Meta die Verbreitung von irreführender Werbung und Desinformationskampagnen ausreichend bekämpft, beschäftigt derzeit auch die EU. Ende April hatte die Europäische Kommission wegen des Verdachts auf Verstöße gegen EU-Recht ein Verfahren gegen den Facebook- und Instagram-Konzern eröffnet. Es werde unter anderem geprüft, ob sich Meta im Umgang mit politischer Werbung nicht an europäische Regeln gehalten habe, teilte die Kommission in Brüssel mit.
Auch wenn sich Foto-Kacheln mit lustigen oder kontroversen Aussagen mit ein paar Klicks im Netz teilen lassen – Nutzer in sozialen Medien sollten darauf achten, ob angegeben ist, wo die Aussagen fielen. „Zitate vermitteln zwar den Eindruck von Authentizität. Auch hier aber gilt: Äußert sich die Person selbst nicht auch auf anderen Kanälen in diesem Sinne, sind Zweifel angebracht“, empfiehlt etwa das Bündnis „Deutschland sicher im Netz“.